Fairer Prozess in Polen? Deutsches Gericht lehnt Abschiebung ab

Eine umstrittene Justizreform sorgt seit Monaten für Proteste in Polen und hat international Kritik ausgelöst
Eine umstrittene Justizreform sorgt seit Monaten für Proteste in Polen und hat international Kritik ausgelöst Copyright Czarek Sokolowski/AP
Von Alexandra Leistner
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Der EuGH hat nationale Gerichte aufgefordert, die Gewährleistung des europäischen Grundrechts auf ein faires Verfahren bei einer Auslieferung zu prüfen. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe hat im Fall Polen Zweifel - und einen Haftbefehl vorerst aufgehoben.

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Ist die Justiz in Polen nach der umstrittenen Reform unabhängig, und kann ein Auszuliefernder auf ein faires Verfahren hoffen? Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat daran Zweifel. Daher hob es einen Haftbefehl gegen einen polnischen Staatsangehörigen auf und stoppte damit die Auslieferung.

Die polnischen Behörden wurden nach Angaben des Gerichts gebeten darzulegen, inwiefern die Justizreform Auswirkungen auf das Verfahren des Angeklagten in dem Land hätte.

Die Entscheidung des Gerichts in Karlsruhe fiel bereits am 17. Februar und wurde unter anderem durch einen Bericht des Redaktionsnetzwerk Deutschland, dem eine Kopie des Urteils vorliegt, bekannt.

In seiner Entscheidung verweist das Gericht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an nationale Gerichte, "die Gewährleistung des europäischen Grundrechts auf ein faires Verfahren bei einer Auslieferung zu prüfen". Das europäische Gericht hatte die Zwangspensionierungen im Rahmen der polnischen Reform zudem als unionsrechtswidrig erklärt.

Aus der Opposition im polnischen Parlament kommt heftiger Gegenwind und auch aus Brüssel hagelt es Kritik am Gesetz: Die Europäische Kommission hatte Polen angehalten, das Gesetzesvorhaben zu kippen. Es verstoße gegen die Grundwerte der EU. Die stellvertretende Präsidentin der EU-Kommission, die Tschechin Vera Jourova, sieht die Rechtsstaatlichkeit massiv gefährdet.

Die Änderung der Gerichtsverfassung war Ende Dezember in Polen beschlossen worden. Es sieht unter anderem auch Geldstrafen für Richter oder deren Entlassung, wenn diese die Entscheidungskompetenz eines anderen Gerichts infrage stellen.

"Der Senat sieht die Gefahr, dass die mit dem Verfahren befassten Richter nach dem Inkrafttreten des polnischen Gesetzes zur Änderung der Gerichtsverfassung vom 29.12.2019 allein aufgrund der von ihnen vorgenommenen Würdigung von Beweisen in einem Strafverfahren mit disziplinarischen Sanktionen rechnen müssen, wodurch ihre Unabhängigkeit und ein faires Verfahren infrage gestellt sind."

Erst wenn die polnischen Behörden die Anfrage des Senats beantwortet habe, soll endgültig über die Abschiebung des Mannes entschieden werden.

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