Protestierende vermisst: verzweifelte Familien vor Gefängnissen in Belarus

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Von Anelise Borges
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NGOS und UNO schlagen Alarm - aus Belarus werden massive Menschenrechtsverletzungen gemeldet

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Menschenrechtsorganisationen und die UNO schlagen Alarm - aus Belarus werden massive Menschenrechtsverletzungen gemeldet. Nachdem sich der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko bei den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag eine weitere Amtszeit gesichert hat gehen Menschen auf die Straßen und demonstrieren.

Die Behörden in dem autoritär regierten Staat gehen konsequent gegen jeden Protest vor und haben viele der Demonstranten verhaftet. Berichten zufolge wurden in den letzten drei Tagen etwa 6.000 Menschen festgenommen.

Viele Demonstranten noch vermisst - sind sie im Gefängnis?

Viele von denen, die auf die Straße gegangen sind, werden von ihren Angehörigen vermisst. Vor dem Minsker Gefängnis Oktjabr'skoje hat eine NGO die Namen der vermissten Personen verlesen. Menschen warten vor der Haftanstalt auf Nachrichten über den Verbleib ihrer Angehörigen.

"Wo? Was? - ich weiß gar nichts", sagte eine Frau in Menge vor dem Gefängnis. Ihr Sohn sei seit Montag vermisst. Gestern habe sie erfahren, dass er hier sei, sie habe ihm ein paar Sachen bringen wollen, aber man lasse sie die Sachen nicht abgeben."

Die Haftbedingungen in weißrussischen Gefängnissen sind Berichten zufolge schlecht. Ein Amateurvideo soll die Demonstranten zeigen, die im Minsker Gefängnis "Oktjabr'skoje" festgehalten und geschlagen werden. Berichte und Bilder von körperlichen Misshandlungen gegen diejenigen, die auf die Straße gehen, haben die sozialen Medien in Belarus überflutet.

NGOs versuchen, die Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen. Ales Belyatski ist der Leiter der Menschenrechtsorganisation Vyasna:

"In einer Zelle, in der normalerweise fünf bis sieben Personen sind, befinden sich jetzt 50 bis 70 Menschen. Sie müssen alle stehen, sie können nicht sitzen. Es gibt nicht genug Wasser und sie erleiden körperliche Gewalt. Sie werden geschlagen, wenn sie festgenommen werden und wenn sie ins Gefängnis gebracht werden, sie werden in den Haftanstalten geschlagen und sie werden geschlagen, wenn sie freigelassen werden."

Inna Dobrotvor ist Zeugin dieses Missbrauchs geworden. Die Englischlehrerin wurde von der Polizei festgenommen, als sie eine Beschwerde bei der Wahlkommission einreichen wollte, um eine Neuauszählung der Stimmen zu fordern. Zwei Tage verbrachte sie dann in Haft. Was sie dort gesehen hat, kriegt sie nicht mehr aus dem Kopf.

Inna Dobrotvor: "Die männlichen Häftlinge werden im Kontrollraum gezwungen, sich nackt auszuziehen, nicht einmal ihre Schuhe können sie behalten. Dann müssen sie mit ihrer Kleidung in den Händen den Korridor entlang gehen und sich an eine Wand knien. Wenn sie sich beschweren, werden sie geschlagen."

Polizei schlägt mit roher Gewalt auf die Menschen ein

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sagt, dass es sich bei den inhaftierten Demonstranten um Kriminelle mit langen Vorstrafenregistern handelt. Allerdings haben die Bilder von Polizisten, die friedliche Demonstranten auf der Straße gewaltsam auseinandertreiben und mit roher Gewalt auf sie einschlagen, die Welt alarmiert.

Die Menschenrechtsbeauftragte der UNO, Michelle Bachelet, hat das gewaltsame Durchgreifen der weißrussischen Behörden scharf verurteilt. Sie erinnerte daran, dass die Anwendung von Gewalt während Protesten immer außergewöhnlich und ein allerletztes Mittel sein solle, um zwischen gewalttätigen Personen und friedlichen Demonstranten zu unterscheiden, gegen die keine Gewalt angewendet werden düfe, so Bachelet.

Und auch die Europäische Union hat das Vorgehen gegen die Demonstranten als "unverhältnismäßig und inakzeptabel" bezeichnet und die sofortige Freilassung der Menschen gefordert. Aber diese Forderungen scheinen in Belarus auf taube Ohren zu stoßen - zur Verzweiflung derer, die im Moment keine andere Wahl haben, als zu warten.

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