Trump als Held der deutschen Rechten?

Q für QAnon und ein Portrait von Trump auf rechtsextremer Fahne
Q für QAnon und ein Portrait von Trump auf rechtsextremer Fahne Copyright Christophe Gateau/dpa via AP
Von Clara Meyer
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Auf den jüngsten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland sind immer wieder BIlder von US-Präsident Donald Trump aufgetaucht. Doch wieso ist der konservative Politiker für deutsche Corona-Gegner zu einer Symbolfigur geworden?

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Eine schwarz-weiß-rote Flagge weht über den Köpfen der Demonstranten. Auf ihr prangt US-Präsident Donald Trump, seinen Daumen streckt er in die Luft. Und nicht nur auf Fahnen, sondern auch auf T-Shirts und Bannern ist Trump zu sehen.

Es ist der 29. August in Berlin. Tausende haben sich versammelt, um gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu protestieren. Viele der Demonstranten glauben, dass das Coronavirus nicht existiert, sprechen von Diktatur und Gleichmachung durch die Maskenpflicht.

Auf einer Bühne vor dem Reichstag steht die Heilpraktikerin Tamara K. Sie ist komplett schwarz gekleidet, trägt eine schwarze Sonnenbrille und ihre Dreadlocks hängen offen über die Schulter. "Und Trump ist in Berlin, die ganze Botschaft ist hermetisch abgeriegelt, wir haben fast gewonnen", schreit K. in ihr Mikrofon. Die Demonstranten jubeln, zwei umarmen sich. "Wir brauchen Masse. Wir müssen jetzt beweisen, dass wir alle hier sind. Wir gehen da drauf und holen uns heute hier und jetzt unser Hausrecht", stachelt K. die Masse an. Dann fordert sie die Protestierenden auf, sich auf die Stufen des Reichtages zu setzen. Sie sollen Trump zeigen, dass sie "die Schnauze gestrichen voll haben."

Etwa 400 Demonstranten setzen sich in Bewegung, durchbrechen die Absperrungen und füllen die Stufen des Reichstages.

Und obwohl Trump nicht persönlich in Berlin war, ist er mittlerweile eine Symbolfigur auf deutschen Anti-Corona-Demonstrationen – was im ersten Moment für Außenstehende vielleicht komisch erscheint, ist für Dana Buchzik keine Überraschung. Buchzik ist Expertin für Verschwörungsmythen und Radikalisierung. Sie arbeitet als Autorin, Journalistin und Dozentin und erklärt, warum Trumps Bild auf den Demos sie nicht verwundert: "Verschwörungsmythen und Populismus passen gut zusammen. Populisten lassen, genau wie Verschwörungserzähler, keine andere Deutung der Realität zu als ihre eigene. Sie diffamieren ihre Kritiker als Lügner und Kriminelle. Sie stellen demokratische Strukturen infrage und werben mit grandiosen Heilsversprechen. Und sie sind erfolgreich, gerade weil sie keine realistischen Lösungsansätze anbieten, sondern nur Stichwortgeber sind", erklärt Buchzik.

Georg Restle, Moderator des Politmagazins Monitor, sagte Anfang September in der Talkshow "Maischberger, die Woche", dass Trump ein Vorbild ist "für viele Leute auch hier in Europa, also für die Rechtspopulisten, auch für die Rechten, die jetzt auf den Treppen des Reichstagsgebäudes waren".

Damit spielt Restle unter anderem auf die schwarz-weiß-rote Flagge, die bei den Demos immer wieder zu sehen ist, an. Die Reichsflagge, wurde im Deutschen Kaiserreich und später von den Nationalsozialisten verwendet. Heute wird sie von sogenannten Reichsbürgern geschwenkt, die den deutschen Staat nicht als rechtmäßig anerkennen. Sie behaupten, nach dem Zweiten Weltkrieg habe es nie einen richtigen Friedensvertrag gegeben. Deshalb erkennen sie auch Gesetze und Recht nicht an und gründen selbst Quasi-Staaten, in denen ihr eigenes Recht gilt. Mit Russland und den USA wollen sie einen Friedensvertrag schließen, die derzeitige Machtelite soll gestürzt werden. Deshalb ist Trump in ihren Augen auch eine Art Held, der sich gegen die Elite stellt und die Menschen retten soll.

"Verschwörungstheoretiker und Populisten sind Meister der kryptischen Andeutungen. Ihre Sätze sind Einladungen. Die eigentliche Geschichte entsteht erst in den Köpfen derer, die diese Einladung annehmen. Es ist eine Heldengeschichte: Der Gläubige wird zum heroischen Protagonisten, der sich einer korrupten Elite entgegenstellt und so die Welt rettet", erklärt Buchzik.

Dem Innenministerium zufolge gibt es in Deutschland etwa 19.000 Reichsbürger. Von 2016 bis 2018 hatte sich die Zahl mehr als verdoppelt. Organisiert sind sie vor allem im sozialen Netzwerk Telegram. Denn Telegram wird nicht moderiert wie beispielsweise Facebook oder Twitter, wo radikale Profile auch in jüngster Vergangenheit immer wieder entfernt wurden.

Buchzik sagt, das Löschen von Profilen trage "kurzfristig zu einem Verstummen von Hass und Verschwörungserzählungen auf der jeweiligen Plattform bei." Sie betont jedoch, dass das Problem so nicht gelöst werde: "Radikale werden auf weniger regulierte Plattformen wie Telegram oder Discord ausweichen und sich dort deutlich schneller und stärker radikalisieren, weil jedes Korrektiv wegfällt."

Krieg – aber friedvoll?

Attila Hildmann - der als veganer Koch in Deutschland bekannt geworden ist – sympathisiert mit der Bewegung. Auf seinem Telegramkanal teilt er täglich Bilder, Videos, Sprachnachrichten und Texte, hetzt gegen Merkel und andere Politiker und ruft immer wieder zum Protest auf.

Dabei spricht er konsequent von einer "Plandemie", einer "Sklavenmaske", vergleicht die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit dem Machen von "Kriegsgefangenen" und nennt die Impfung gegen das Coronavirus, an der zurzeit geforscht wird, eine "Giftspritze", mit der ein "Völkermord an sieben Milliarden Menschen" begangen werden soll.

Radikalisierte Menschen nutzen Kriegsmetaphern, um ihren Alltag aufzuwerten. Sie erleben sich dabei nicht als feindselig, sondern tatsächlich als Botschafter für eine bessere Welt.
Dana Buchzik
Autorin

"Radikalisierte Menschen nutzen Kriegsmetaphern, um ihren Alltag aufzuwerten. Sie erleben sich dabei nicht als feindselig, sondern tatsächlich als Botschafter für eine bessere Welt. Den Krieg haben ihrer Meinung nach die anderen begonnen; sie setzen sich bloß zur Wehr. Das heroische Ziel rechtfertigt dabei alle Maßnahmen, im extremsten Fall auch Gewalt", so Buchzik.

In einer Telegram-Nachricht mit Bezug auf die bevorstehende Corona-Impfung schreibt Hildmann auf seinem Kanal am 15. September zum Beispiel, dass jeder, der sich impfen lässt, angeblich innerhalb von 24 Monaten an "Genkrankheiten" sterben werde. Weiter schreibt er in Großbuchstaben: "KEIN MITLEID HABE ICH MIT DENEN DIE NACH 6 MONATEN KORONA REGIME WEITER DIE LÜGE LIEBEN UND DIE WAHRHAFTIGEN BESCHIMPFEN!"

Immer wieder teilt Hildmann Gewaltfantasien. In einer anderen Nachricht schreibt er :"Der Zahltag wird kommen, denn nichts ist mächtiger als die Armee des Lichts". Bei der Demonstration am 29. August wurden 300 Menschen verhaftet, Hildmann war unter ihnen.

Und trotzdem, Hildmann und andere Mitglieder der Bewegung sagen immer noch, dass sie friedlich demonstrieren wollen. Betonen immer wieder, sie würden Liebe und Frieden verfolgen.

Die Verbindung von Esoterik und Rechtsextremismus

Das Predigen von Liebe und Frieden erklärt auch, wieso scheinbar eine große Bandbreite an Menschen mit verschiedenen Gesinnungen zu den Corona-Demos kommt. Vermehrt sieht man dort auch Leute, die vom Aussehen her eher der Hippie-Bewegung zuzuschreiben sind.

Esoterik und Rechtsextremismus sind einander näher, als wir spontan denken würden.
Dana Buchzik
Autorin

Sie sagt, dass Esoteriker gern über Liebe reden. "Sobald wir aber ihre Parolen zu Ende denken, zeigt sich Menschenfeindlichkeit", führt die Expertin aus, "esoterische Corona-Leugner behaupten unter anderem, dass Covid-19 nur der bekommt, der Angst hat. Der das falsche Mindset hat. Genauer gesagt: Wer krank wird, wollte sich eben nicht erwecken lassen. Wer krank wird, hat die Krankheit gewählt und verdient kein Mitgefühl. Deswegen ist es für esoterische Corona-Leugner kein Problem, im Alltag keine Schutzmaßnahmen einzuhalten oder neben Rechtsextremisten und unter wehenden Reichskriegsflaggen zu marschieren: Die Menschenleben, die sie gefährden, sind die Leben von Ungläubigen und deswegen für sie nichts wert."

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"Wer zornig ist, sucht nach Schuldigen"

Dass so viele Menschen in Deutschland momentan gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, hat laut Buchzik einen einfachen Grund: "Wenn wir im Leben mit furchtbaren Ereignissen konfrontiert werden, empfinden wir nicht nur Angst, sondern auch Zorn, und wer zornig ist, sucht nach Schuldigen. Das macht uns anfällig für Gerüchte und Verschwörungserzählungen. Je emotionaler eine Erzählung ist, desto überlebensfähiger wird sie sein."

"Der Zufall, der ein Virus mutieren und die Artenbarriere überspringen lässt, taugt nicht zum Feindbild. Der Glaube an eine finstere Elite, die SARS-CoV-2 im Labor züchten ließ, aber schon."

Kritik am "Sturm" auf den Reichstag

Der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte den "Sturm" auf den Reichstag am Tag danach verurteilt. "Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen", sagte er.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas teilte seine Empörung auf Twitter mit. "Alle haben Recht, über Umgang mit Corona zu streiten und natürlich für Ihre Meinung zu demonstrieren", schreibtMaas. "NIEMAND sollte dafür Rechtsextremen hinterherlaufen, PolizistInnen gefährden & viele einem Infektionsrisiko aussetzen. Reichsflaggen vorm Parlament sind beschämend."

Und auch schon im Vorfeld wurden Warnungen im Netz geteilt, dass die Demo am 29.08. eine Anlaufstelle für Rechtsextremisten und Neonazis sein würde.

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Was man gegen Radikalisierung tun kann

Doch was tun gegen die immer größer werdende Zahl von Radikalisierten? "Es ist höchste Zeit, diese Menschen nicht mehr als 'Spinner' abzuwerten und zu verspotten, sondern Radikalisierung als Gefahr für unsere Gesellschaft ernst zu nehmen", sagt Buchzik.

Der Expertin zufolge können Angehörige und Freunde am effektivsten gegen Radikalisierung vorgehen."Wir alle können - und müssen - etwas tun“, erklärt Buchzik.

Zusätzlich braucht es Buchzik zufolge "deutschlandweite professionelle Beratungsangebote, und zwar nicht nur im Bereich Islamismus und Rechtsextremismus. Psychologische Unterstützung und kommunikative Schulungsangebote könnten viele Eskalationen verhindern. Und sie können dabei helfen, Heldengeschichten zu entwickeln, für die der demokratisch-humanistische Boden nicht verlassen werden muss."

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