Der Berg-Karabach-Konflikt: Ist Frieden möglich?

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Von Rosie Wright, Kirsten Ripper, Sabine Sans
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Der Ministerpräsident von Armenien und der Präsident von Aserbaidschan skizzieren im jeweiligen Einzel-Interview ihre Standpunkte und ihre nächsten Schritte.

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Die schweren Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach eskalieren weiter. Beide Seiten bestreiten, für das Aufflammen des historischen Streits verantwortlich zu sein. Beide Seiten haben in den Kämpfen Zivilisten und Soldaten verloren. Im vergangenen Jahr vereinbarten beide Länder, "konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Bevölkerung auf den Frieden vorzubereiten". Doch wir berichten jetzt seit 14 Tagen über den längsten Gewaltausbruch in der Region seit 30 Jahren. Und dieses Mal werden auch andere Länder in den Konflikt hineingezogen, was die Gefahr eines regionalen Konflikts erhöht. Was sind die nächsten Schritte für beide Länder? Wie weit und wie lange werden die Auseinandersetzungen gehen - und zu welchen Kosten? Die internationale Gemeinschaft rief wiederholt zu einem Waffenstillstand auf - was wäre nötig, um Frieden zu schaffen? Und ist das überhaupt noch möglich? Euronews hat Spitzenpolitiker beider Seiten in diese Sondersendung eingeladen. Sie haben sich bereit erklärt, ihre Strategien im Einzelgespräch zu skizzieren - wir sprechen mit dem Ministerpräsidenten von Armenien und dem Präsidenten von Aserbaidschan.

Euronews-Reporterin Rosie Wright:
Unser erster Gast ist der Präsident von Aserbaidschan, Ilham Alijew. Danke, dass Sie sich Zeit nehmen. Es gab starken und wiederholten internationalen Druck für einen Waffenstillstand und zur Deeskalation der Spannungen. Die Kämpfe dauern aber an, und eskalieren sogar. Was sind Ihre Ziele in diesem Konflikt?

Ilham Alijew, Präsident von Aserbaidschan:
Ein Waffenstillstand kann nicht einseitig erreicht werden. Es muss eine Entscheidung beider Seiten sein. Und er muss vor Ort umgesetzt werden. Wie Sie wissen, hat Armenien uns am 27. September angegriffen, unsere militärischen Positionen, unsere Infrastruktur und Zivilisten. Bisher sind fast 30 Zivilisten bei armenischen Angriffen getötet worden, durch ballistische Raketen und Streubomben. Unser Gegenangriff war erfolgreich.Es ist uns gelungen, einen Teil der besetzten Gebiete zu befreien. Unser Hauptziel ist die Wiederherstellung der territorialen Integrität Aserbaidschans. Armenien muss uns einen Zeitplan für den Rückzug seiner Truppen aus den besetzten Gebieten vorlegen. Dieser Zeitplan muss von der Minsk-Gruppe, den Vermittler-Ländern, gebilligt werden. Danach kann man meiner Meinung nach versuchen, einen Waffenstillstand zu erreichen.

Warum gibt es keinen Waffenstillstand?

Euronews:
Die Länder, auf die Sie sich beziehen, haben wiederholt einen Waffenstillstand gefordert. Warum kommt er nicht? Warum drängen Sie nicht darauf?

Ilham Alijew:
Weil wir schon viele Male angegriffen worden sind. In den vergangenen drei Monaten hat es drei Angriffe auf Aserbaidschan gegeben. Einer im Juli an der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan weit entfernt von der Region Berg-Karabach. Das Ziel Armeniens war es, neue Gebiete Aserbaidschans zu besetzen, und es ist ihnen nicht gelungen. Unsere Armee hat sie besiegt. Am 23. August schickten sie dann Saboteure, um Terrorakte gegen unsere Zivilisten und unsere Militärs zu verüben. Auch das war für sie ein Fehlschlag, denn der Chef der Sabotagegruppe wurde festgenommen. Und seine Aussage bestätigt genau das, was ich sage. Ende September starteten sie einen massiven Angriff auf unsere Dörfer und Städte. Bis heute wurden fast 900 Häuser völlig zerstört oder beschädigt. Es gab viele Todesopfer und Verwundete unter der Zivilbevölkerung. Und jetzt, nachdem Armenien eine sehr bittere Niederlage erlitten hat, wollen sie einen Waffenstillstand. Sie selbst haben die Waffenruhe verletzt. Sie missachten die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die den vollständigen, sofortigen und bedingungslosen Rückzug der armenischen Truppen fordern. Sie wollen den Status quo unverändert beibehalten. Und die Co-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe - die USA, Russland und Frankreich -, sagen, der Status quo sei inakzeptabel. Armenien hat die Waffenruhe ignoriert. Aber jetzt ändert Aserbaidschan selbst den Status quo, und ich denke, das wird ein wichtiger Schritt zur schnellstmöglichen Lösung des Konflikts sein.

Euronews:
Herr Präsident, auf beiden Seiten dieses Konflikts sind Zivilisten getötet worden. Wie bringen Sie das mit Ihren Zielen in Einklang?

Ilham Alijew:
Natürlich bedauern wir es, dass Zivilisten getötet werden. Und natürlich war das nicht beabsichtigt. Wir haben die Angriffe nicht angefangen, denn schaut man sich den Morgen des 27. September an: Sie griffen unsere Städte und Dörfer an. Wir mussten reagieren. Aber unsere Antwort richtet sich in erster Linie an ihre militärischen Positionen, an ihre Panzer und Geschütze. Und was wir auf dem Schlachtfeld tun, ist im Internet zu sehen. Mit unseren Drohnen und unserer übrigen (militärischen) Ausrüstung haben wir nur militärische Ziele in den besetzten Gebieten zerstört. Leider setzt Armenien Zivilisten ein, um mehr Menschen vor Ort zu haben, denn die demografische Situation ist sehr schlecht. Wir haben ein Video, das Zivilisten zeigt, die direkt neben den Geschützen stehen.

Unter den Opfern sind viele Zivilisten

Euronews:
Armenien könnte anführen, bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche Herr Präsident, dass bei diesen Kämpfen auf ihrer Seite Zivilisten getötet wurden. Und sie würden bestreiten, für den Gewaltausbruch am 27. September verantwortlich zu sein. Ich möchte Sie an ein Versprechen Ihres Außenministers vom vergangenen Jahr erinnern, in dem er sagte, dass es notwendig sei, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Bevölkerung auf den Frieden vorzubereiten. Was wir jetzt sehen, ist das Gegenteil davon. Wie versuchen Sie, das Leiden der Zivilbevölkerung zu begrenzen?

Ilham Alijew:

Sie wissen, dass wir für diese Gewalt nicht verantwortlich sind. Wie ich bereits sagte, waren wir das Ziel eines physischen Angriffs der armenischen Armee, die Gebiete in Aserbaidschan besetzt hat. Abgesehen davon hat das gegenwärtige armenische Regime alles getan, um den Verhandlungsprozess zu zerstören. Vor genau einem Jahr erklärte der armenische Ministerpräsident auf einer Kundgebung im besetzten Gebiet Aserbaidschans, dass Karabach armenisch sei. Und diese Erklärung machte den Verhandlungsprozess zunichte, weil die Prinzipien, die auf dem Tisch liegen und die Grundlage für eine Lösung bilden, die Rückgabe der besetzten Gebiete an Aserbaidschan sind. Und wenn der armenische Regierungschef sagt, dass nicht ein Zentimeter Land an Aserbaidschan zurückgegeben wird, wenn er Karabach zu Armenien zählt - sie haben die illegale Ansiedlung von Ausländern in den besetzten Gebieten organisiert, was eine brutale Verletzung der Genfer Konventionen darstellt, - dann zerstören sie den Verhandlungsprozess. Danach, um uns dafür verantwortlich zu machen, griffen sie uns dreimal an - im Juli, August und September. Und wenn wir sie auf dem Schlachtfeld besiegen, appellieren sie an alle, Aserbaidschan zu stoppen. Wir wollen den Konflikt beenden, aber wir wollen auch, dass die Besatzung aufhört. Deshalb sollte die Hauptbotschaft an Armenien gerichtet sein. Wir befinden uns nicht auf armenischem Boden. Wir sind auf unserem Land. Es ist unser Land seit 27 Jahren.

"Wir wollen den Konflikt beenden, aber wir wollen auch, dass die Besatzung aufhört."
Ilham Alijew
Präsident Aserbaidschans

Euronews:
Ein Argument, dass Armenien vorbringt, ist der starke Einfluss der Türkei, inklusive der türkischen Militärhilfe. Inwieweit beeinflusst und befeuert die Türkei Ihr Land und Ihre Aktionen in diesem Konflikt?

Ilham Alijew:
Das ist eine absolut falsche Information. Die Türkei ist für uns ein starker Verbündeter, Partner und ein Bruderstaat. Und natürlich brachten sie ihre Position zum Ausdruck. Wir sind der türkischen Regierung, dem türkischen Präsidenten, dem türkischen Volk für diese Unterstützung sehr dankbar. Aber die Türkei ist auf keine andere Weise in diesen Konflikt verwickelt. Armenien will mit diesen falschen Nachrichten an die Medien die Kapazität der aserbaidschanischen Armee einschränken. Wir kämpfen selbst. Ja, wir haben Waffen von der Türkei gekauft, aber nicht nur, unser Hauptlieferant von Waffen ist nicht die Türkei, und wahrscheinlich weiß das jeder. Die Tatsache, dass wir moderne türkische Ausrüstung kaufen, einschließlich der Kampfdrohnen, sollte für niemanden ein Problem darstellen, denn Armenien erhält Waffen kostenlos. Wir bezahlen sie und Armenien erhält sie kostenlos. Die Türkei ist nicht.

Ist Diplomatie noch eine Option?

Euronews:
Wir reden immer wieder über Waffen, und wir reden immer wieder über Kämpfe. Ist Diplomatie noch eine Option? Werden Sie sich mit Armeniens Ministerpräsidenten zusammensetzen und Gespräche führen, um einen anderen Weg aus diesem Konflikt zu finden?

Ilham Alijew:
Ich habe während meiner Amtszeit als Präsident Dutzende Gesprächen mit zwei ehemaligen armenischen Präsidenten und dem jetzigen Regierungschef geführt. Und während dieser früheren Debatten haben wir am Verhandlungstisch wesentliche Fortschritte erzielt. Wir haben die Prinzipien erarbeitet, die heute als Grundlage für die Beilegung des Konflikts dienen. Wir waren konstruktiv. Die Verhandlungen finden seit 1992 statt. Können Sie sich das vorstellen, fast 30 Jahre lang? Wir hatten Hoffnungen. Die Vermittler sagten uns, dass wir Geduld haben sollten, es werde einen konstruktiveren Ansatz von armenischer Seite geben. Aber als dieser Regierungschef durch den Staatsstreich vor zwei Jahren an die Macht kam, hat er den Verhandlungsprozess komplett zunichtegemacht. Ich habe ihn viele Male getroffen, aber diese Treffen sind absolut sinnlos. Und er sagte mir, dass sie keine Gebiete zurückgeben werden. Er sagte mir, dass Berg-Karabach zu Armenien gehört. Also eine absolut inakzeptable Forderung für mich und sie ist auch inakzeptabel für die Vermittler. Die armenische Regierung sollte ihre Position ändern, sie sollte von dieser maximalistischen Position Abstand nehmen, sollte aufhören zu sagen, dass Berg-Karabach zu Armenien gehört, denn das stimmt nicht, und das zerstört den Verhandlungsprozess. Und natürlich verhandeln wir weiter. Übrigens wird sich unser Außenminister in Genf mit den Botschaftern der Minsker Gruppe treffen. Und soweit ich weiß, sollte der armenische Außenminister Anfang des Monats dorthin reisen, aber er hat es ignoriert. Er ist nicht dort. Unser Außenminister ist dort. Das zeigt, wer Verhandlungen will und wer nur Anschuldigungen gegen Aserbaidschan vorgebracht hat.

Euronews:
Präsident Alijew, vielen Dank, dass Sie unser Gast bei dieser Euronews-Sondersendung waren. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Bei mir ist jetzt der Ministerpräsident von Armenien Nikol Paschinjan. Herr Ministerpräsident, die UNO, die Minsk-Gruppe, die EU, sie alle haben einen sofortigen Waffenstillstand gefordert, doch die Kämpfe gehen weiter. Was sind Ihre Ziele in diesem Konflikt?

Nikol Paschinjan, armenischer Ministerpräsident:
Sehen Sie, das Wichtigste ist, dass wir es annehmen, wie die internationale Gemeinschaft und die Mitglieder der Minsk-Gruppe der OSZE die Ereignisse einschätzen. Wir haben die Erklärungen der OSZE-Minsk-Gruppe - der Länder, Präsidenten und Außenminister - begrüßt. Die Türkei hat erklärt, dass Aserbaidschan die Feindseligkeiten nicht einstellen sollte. Und Aserbaidschan ist im Wesentlichen innerhalb der ihm von der Türkei vorgegebenen Richtlinien geblieben. Und die heutige Erklärung des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik bestätigt diese Situation. Man darf nicht vergessen, dass es auf der aserbaidschanischen Seite terroristische Gruppen gibt, die in die Kampfhandlungen verwickelt sind, die von der Türkei rekrutiert und in die Konfliktzone gebracht werden. Und die Tatsache, dass die Armenier in Berg-Karabach gerade jetzt, da ich mit Ihnen spreche, existenziell bedroht werden, weil alle Städte und Dörfer ständig unter Beschuss von Raketen und anderen Flugkörpern stehen - auch die Hauptstadt Stepanakert. Meiner Meinung nach sollte die internationale Gemeinschaft in dieser Situation jetzt entschlossen handeln und die Unabhängigkeit Karabachs anerkennen.

Streben Sie nach Frieden?

Euronews:
Laut dem aserbaidschanischen Verteidigungsministerium bombardieren Ihre Streitkräfte aserbaidschanische Städte. Auf beiden Seiten gibt es zivile Opfer. Streben Sie nach Frieden?

Nikol Paschinjan:
Auf jeden Fall. Die Verteidigungsarmee von Berg-Karabach hat Angriffe durchgeführt. Und das Verteidigungsministerium von Berg-Karabach hat ganz klar erklärt, dass die Angriffe durchgeführt werden mussten. Es gab keine Alternative. Es war die einzige Möglichkeit, die aserbaidschanischen Raketenangriffe auf die Städte und Dörfer von Berg-Karabach und auf die Zivilbevölkerung zu stoppen.

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Euronews:
Es gibt von beiden Seiten keinen Konsens darüber, wer für die Gewalt verantwortlich ist, die am 27. September wieder aufgeflammt ist. Ihr Außenminister hat im vergangenen Jahr eine Erklärung abgegeben, dass man die Bevölkerung auf den Frieden vorbereiten werde. Davon ist aber nichts zu sehen. Können Sie mir erklären, inwieweit Sie sich zum Handeln ermutigt oder zumindest unterstützt fühlen, weil Sie vielleicht Russland im Rücken haben? Inwieweit treibt das einige Ihrer Entscheidungen und Aktionen voran?

Nikol Paschinjan:
Frieden ist und war immer unser erstes und oberstes Ziel seit dem Tag, an dem ich zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Ich sagte, wir müssen uns bemühen, eine Lösung zu finden, die für das armenische Volk, das Volk von Berg-Karabach und das aserbaidschanische Volk akzeptabel ist. Und ich bin der erste an den Verhandlungen beteiligte Regierungschef, der offiziell sagt, dass jede Lösung auch für das Volk der anderen Seite akzeptabel sein muss. Das Problem ist, dass Aserbaidschan diesen Ansatz offiziell weder aktuell noch früher akzeptiert hat. Für sie besteht die einzige Lösung in der ethnischen Säuberung von Berg-Karabach, das ohne armenische Einwohner vollständig unter aserbaidschanische Kontrolle fallen würde. Damit steht Völkermord als Bedrohung im Raum. Aktuell sind internationale Terroristen an der Durchführung dieses Völkermords beteiligt. Sie wurden von der Türkei rekrutiert und in die Region gebracht. Sie kämpfen auf der Seite Aserbaidschans. Und diese Tatsache wurde im Wesentlichen bereits von den Ländern der Region und einer Reihe europäischer Ländern anerkannt. Die internationale Gemeinschaft muss Entschlossenheit zeigen und die Unabhängigkeit von Berg-Karabach anerkennen, wenn wir der humanitären Katastrophe Einhalt gebieten wollen, wenn wir verhindern wollen, dass dieser Konflikt sich noch weiter ausweitet.

Das Leid der Menschen begrenzen

Euronews:
Die internationale Gemeinschaft schaut auch auf Ihre Handlungsweise. Es gilt zu betonen, dass es auf beiden Seiten Opfer unter der Zivilbevölkerung gibt, dass in Aserbaidschan Menschen infolge von Angriffen unter ihrem Kommando gestorben sind. Welche Maßnahmen ergreifen Sie in diesem Konflikt, um das Leid der Menschen zu begrenzen, die in diese Gewalttätigkeiten verwickelt sind?

Nikol Paschinjan:
Um auf Ihre vorige Frage zurückzukommen, es ist sehr wichtig, zu hinterfragen und klarzustellen, wer diesen jüngsten Angriff entfesselt hat. Und ich denke, in den internationalen Medien und innerhalb der internationalen Gemeinschaft gibt es genügend Informationen, um zu wissen, dass Armenien und Karabach diesen Krieg aus dem einfachen Grund nicht beginnen konnten, weil es für uns dort keine militärischen Aufgaben gibt. Die Aufgabe, die wir haben, ist eine politische Aufgabe. Aserbaidschan ist das Land, das in den vergangenen 15 Jahren und in den vergangenen 15 Tagen vor diesem Krieg -, lassen Sie mich bitte zum Schluss kommen. Aserbaidschan hat in den 15 Tagen vor dem Krieg - und ich beantworte Ihre Frage, wenn Sie mir bitte eine Minute geben. In den 15 Jahren vor dem Krieg, in den 15 Monaten, 15 Wochen, 15 Tagen und 15 Stunden vor dem Krieg hat Aserbaidschan ständig gedroht, dass es diese Frage mit militärischen Mitteln lösen werde. Das ist kein Geheimnis. Lassen Sie uns die Erklärungen, die von Aserbaidschan und der Türkei abgegeben wurden, öffentlich analysieren. Lassen Sie uns öffentlich analysieren, warum Terroristen in die Kampflinie nach Aserbaidschan gebracht wurden. Welchen anderen Zweck könnte es haben, Terroristen aus einem anderen Land zu rekrutieren und sie in das eigene Land zu bringen?

Wenn dieses Land keine militärische Aggression plant, warum sollte Aserbaidschan dann damit einverstanden sein, dass Terroristen auf sein Territorium gebracht werden? Aber unserer Meinung nach ist das Wichtigste heute, die Gewalt zu stoppen. Und dafür muss Aserbaidschan seine Angriffe stoppen. Und natürlich ist auch der Frieden in der Region wichtig. Und das beste Instrument dafür ist unserer Meinung nach die Anerkennung der Unabhängigkeit Berg-Karabachs durch die internationale Gemeinschaft.

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Selbstverteidigung als einziges Ziel

Euronews:
Sind Sie bereit, die Angriffe zu stoppen?

Nikol Paschinjan:
Ja, natürlich. Aber das bedeutet nicht, dass wir abwarten und dann zulassen würden, dass sie kommen und Völkermord an unserem Volk begehen. Wir haben niemanden angegriffen. Unsere Aktionen und die Aktionen von Berg-Karabach dienen nur der Selbstverteidigung. Wir hatten und haben nicht die Absicht, jemanden zu töten. Unser einziges Ziel ist es, das armenische Volk vor einem weiteren Völkermord zu schützen. Unser einziger Beweggrund ist die Selbstverteidigung.

"Unser einziges Ziel ist es, das armenische Volk vor einem weiteren Völkermord zu schützen. Unser einziger Beweggrund ist die Selbstverteidigung."
Nikol Paschinjan
armenischer Ministerpräsident

Euronews:
Was wäre eine akzeptable Lösung für Sie? Gibt es einen anderen Weg, eine gewaltfreie Lösung für diesen Konflikt?

Nikol Paschinjan:
Unsere Position war und ist, dass die Karabach-Frage nicht mit Gewalt gelöst werden kann. Jede mögliche Lösung kann nicht durch Gewalt erreicht werden. Aber die Politik Aserbaidschans ist ein gewaltsamer Plan zur Lösung der Karabach-Frage. Armenien war immer kompromissbereit. Aserbaidschan ist das Land, das in keiner Weise einen Kompromiss will.Sie wollen keinen Kompromiss. Ihre einzige Lösung besteht darin, dass die Armenier, die immerhin mehr als 80 Prozent der Bewölkerung Karabachs ausmachen, aus Berg-Karabach vertrieben werden. Ihr Ziel ist ein Berg-Karabach ethnisch zu säubern. Sie wollen, dass diese Region frei von Armeniern ist und ein nicht von Armeniern bewohntes Gebiet. Diese Menschen können nicht einfach ihre Heimat verlassen, die sie seit Jahrhunderten haben, nur weil Aserbaidschan das von ihnen verlangt. Sie müssen sich verteidigen, und sie haben das Recht auf Selbstverteidigung. Berg-Karabach hat kein anderes Ziel als die Selbstverteidigung.

Euronews:
Herr Ministerpräsident Nikol Paschinjan, vielen Dank, dass Sie unser Gast waren. Die Minsk-Gruppe, die Vereinten Nationen und die EU fordern ein sofortiges Ende der Kämpfe. Die Zahl der Opfer auf beiden Seiten steigt weiter an. Weitere Informationen zu diesem Thema auf euronews.

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