US-Wahl 2020 und Ungerechtigkeit: "Trumps Ton ist krasser, lauter, vulgärer"

Black Lives Matter - Protest in Chicago
Black Lives Matter - Protest in Chicago Copyright Nam Y. Huh/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved.
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Von Anja Bencze
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Journalist und Autor Mohamed Amjahid im Gespräch mit Euronews über Donald Trump, Rassismus und #BLM.

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Die USA haben einen Wahlkampf unter verschärften Bedingungen erlebt. Eines der wichtigsten Themen neben der Corona-Pandemie waren die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt. Darüber sprechen wir mit Mohamed Amjahid, Journalist und Autor unter anderem des Buches "Unter Weißen: Was es heißt, privilegiert zu sein" über strukturellen Rassismus in Europa.

Anja Bencze, Euronews: Welchen Eindruck hatten Sie zuletzt von Amerika?

Mohamed Amjahid: Das letzte Bild, das ich habe, ist von Ende März, da war ich in New York und in Philadelphia. Damals schon zu Anfang der Krise in den USA, da konnte ich schon beobachten, wie sehr und wie hart diese Krise dieses Land getroffen hat. Ich kann mich gut daran erinnern: ich war in New York unterwegs und konnte sehen, wie obdachlose Menschen, die meisten von ihnen Schwarz oder Latinx, alleingelassen auf der Straße sterben - fiebrig da liegen und keiner kümmert sich um sie.

Da hat man gesehen, dass die Corona-Pandemie andere Ungleichheiten noch verstärkt.

Leider hat die Person, die im Weißen Haus das Sagen hat, bisher nicht verstanden, dass es hier nicht nur um eine Pandemie geht, sondern um grundlegende Ungerechtigkeiten in der US-Gesellschaft.

Euronews: Sie haben die USA auch schon in füheren Jahren kennengelernt, zu anderen Wahlkampf-Zeiten. Was hat sich unter Trump am stärksten verändert?

Mohamed Amjahid: Vieles hat sich verstärkt und nicht verändert. AMERICA FIRST ist ja auch schon vor Trump eine US-Doktrin gewesen. Man konnte das bei anderen Präsidenten genauso erleben. Was sich aber ein bisschen gewandelt hat, ist natürlich der Ton: es ist krasser, es ist lauter, es ist vulgärer geworden.

2012 war ich als Reporter unterwegs, damals dachten wir alle, dass Mitt Romney und Sarah Palin das Crazieste und Verrücktes sind, was die USA politisch zu bieten haben. Seit Donald Trump wissen wir genau, dass es immer noch verrückter werden kann.

Im Gespräch mit Euronews
Mohamed AmjahidIm Gespräch mit Euronews

Diese aufgereizte Stimmung findet sich überall wieder und macht einem auch Angst. Dass dann Leute auf einen quasi springen, man wird angeschrien, ohne dass man vorher ein Wort ausgetauscht hat. Das hat sich in eine beunruhigende Richtung in den USA bewegt.

Euronews: Welche Zukunft sehen Sie für die Black-Lives-Matter-Bewegung? Und was könnten wir in Europa davon lernen?

Mohamed Amjahid: Die Black-Lives-Matter-Bewegung ist ja viel älter als nur ein paar Monate. Aus meiner Beobachterrolle weiß ich, dass hier US-Geschichte quasi mit aufgearbeitet wird. Es geht um sehr viel, das in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten passiert ist - angefangen vom europäischen Kolonialismus bis hin zur Ermordung von George Floyd und dem Verhalten von Donald Trump. Das ist alles miteinander verwoben, deswegen können wir uns in Europa auch nicht zurücklehnen und sagen: Das geht uns alles nix an.

Das hat schon auch mit europäischer Geschichte zu tun. Rassismen und Diskriminierungen in verschiedensten europäischen Ländern - das muss auch auf die Agenda.

Euronews: Aus Europa betrachtet, sieht man, dass die US-amerikanische Gesellschaft sehr gespalten ist und dass diese Spaltung von Donald Trump als Präsident und im Wahlkampf noch angeheizt wurde. Von bürgerkriegsähnlichen Zuständen ist die Rede. Wie schlimm ist die Lage wirklich?

Mohamed Amjahid: Wenn man gespalten sagt, dann klingt das so negativ. Gleichzeitig ist es aber total wichtig festzustellen, dass klare Kante gegen rechtsextreme Ansichten wichtig ist. Das ist dann weniger Spaltung, sondern eine demokratische Haltung zu sagen: Das sind rote Linien. Und man kann einfach nicht Menschenrechte mit Füßen treten - egal ob es um Geflüchtete an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze geht oder den "travel ban" von Muslim*innen zum Beispiel.

Ich hoffe, dass die Ära Trump dann auch vorbei sein wird, aber wir wissen das ja alle überhaupt gar nicht. Die Frage ist, ob diejenigen Kräfte, die schon angekündigt haben, dass sie gewaltvoll protestieren werden, ob diese Kräfte dann auch zurückgedrängt werden können mit einer Haltung, die absolut demokratisch sein muss.

Es werden auf jeden Fall nach der Wahl spannende Tage und Wochen werden.

Euronews: Noch eine Frage zu Ihrem neuen Buch "Der weiße Fleck" - darin gibt es "50 hilfeiche Tipps für antirassistisches Denken und Handeln". Dazu die Frage: Kann man Rassismus verlernen?

Mohamed Amjahid: Das ist die gute Nachricht. Man kann Rassismus verlernen, das ist auch eine Botschaft der Black-Lives-Matter-Bewegung. Es ist total wichtig, auf betroffene Gruppen zu hören - nicht nur beim Thema Rassismus oder Anti-Rassismus, sondern auch bei Frauenfeindlichkeit oder Queer-Feindlichkeit oder Ableismus - also Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderung. Diese ganzen strukturellen Mechanismen in der Gesellschaft, die tief verwurzelt sind, die kann man sichtbar machen und die kann man verlernen - zumindest indem wir darüber sprechen und indem jene, die die Entscheidungen treffen den Betroffenen zuhören.

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