Die Kampfgruppen der Taliban gewinnen in Afghanistan zusehends an Macht. Ist die Eroberung der Hauptstadt Kabul nur eine Frage der Zeit?
Die afghanische Hauptstadt Kabul: Die Lage ist ruhig, aber angespannt. Aber die Kampfgruppen der Taliban kommen immer näher. Zuletzt wurden Gefechte mit der afghanischen Armee rund 80 Kilometer von Kabul entfernt gemeldet.
Zamanuddin Khan lebt in Kabul. Er berichtet: „Die Taliban hatten hier schon mal das Sagen und haben nicht im Sinne der Bevölkerung gehandelt. Die Leute meinen, dass sie wieder so handeln werden.“
Ahmad Sakhi, auch er ist ein Einwohner von Kabul, sagt: „Wir sind besorgt. Überall in Afghanistan wird gekämpft, jeden Tag fallen Provinzen. Die Regierung sollte etwas unternehmen, die Menschen haben es mit vielen Schwierigkeiten zu tun." In Kabul sind zahlreiche Menschen eingetroffen, die vor den Kämpfen aus anderen Landesteilen geflohen sind.
Die Taliban haben zuletzt am Freitag vier weitere Provinzhauptstädte eingenommen. John Kirby, Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, schätzt die Lage wie folgt ein: „Kabul befindet sich nicht in unmittelbarer Gefahr. Wenn man sich ansieht, was die Taliban tun, erkannt man, dass sie versuchen, Kabul zu umzingeln."
Videoaufnahmen sollen Taliban-Kämpfer mit Hubschraubern zeigen, die sie von der afghanischen Armee erbeutet haben. Es handelt sich um Kriegsgerät US-amerikanischer Bauart. „Wir machen uns immer Sorgen, dass US-Gerätschaften der Gegenseite in die Hände fallen könnten. Das verlieren wir nie aus dem Blick“, so Kirby.
In Katar nahmen Abordnungen der Taliban und der afghanischen Regierung an Gesprächen teil. Unter anderem auch die Vereinten Nationen und die Europäische Union waren an den Verhandlungen beteiligt.
„Die Macht durch militärische Gewalt zu erlangen, ist ein sinnloses Unterfangen. Das wird nur zu einem langanhalten Krieg oder der vollständigen Isolation Afghanistans führen“, so Antonio Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen. „Nur eine politische Einigung unter afghanischer Führung kann Frieden sicherstellen“, betont er.
Guterres warnt insbesondere vor den Folgen der Gefechte für die Zivilbevölkerung. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief zu einem Ende der Gewalt sowie zu Verhandlungen auf.