Dschihadismus-Experte: Taliban brauchen Know-how und Hilfe - von Frauen

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Von Verena Schad
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Dschihadistische Bewegungen in der ganzen islamischen Welt werden die schrecklichen Bilder fliehender und sterbender Menschen am Kabuler Flughafen instrumentalisieren sagt der Experte für dschihadistische Propaganda Asiem El Difraoui.

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Dschihadistische Bewegungen in der ganzen islamischen Welt werden die schrecklichen Bilder fliehender und sterbender Menschen am Kabuler Flughafen instrumentalisieren sagt der Experte für dschihadistische Propaganda Asiem El Difraoui.

"Viele dieser Bewegungen, sei es in der Sahel-Zone, sei es im Irak oder Syrien, aber auch in Asien, zum Beispiel in Indonesien, wo es auch IS-Ableger gibt, haben natürlich den Sieg der Taliban begrüßt", so der Politologe und Autor El Difraoui.

Das gibt dem Dschihadismus bedauerlicherweise einen neuen Elan, gerade in Anbetracht einer amerikanischen Untätigkeit und einer europäischen totalen Machtlosigkeit.
Dr. Asiem El Difraoui, Dschihadismus-Experte

"Und für sie ist es vielleicht auch ein Vorbild, wenn die Taliban das geschafft haben, zwei Weltmächte zu besiegen, erst die Sowjetunion und dann die Amerikaner, dann machen wir auch weiter. Das gibt dem Dschihadismus bedauerlicherweise einen neuen Elan, gerade in Anbetracht einer amerikanischen Untätigkeit und einer europäischen totalen Machtlosigkeit."

Nährboden für neuen Terror?

Die Taliban wollen der internationalen Staatengemeinschaft vermitteln, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Sie haben mit Terrororganisationen wie Al Kaida und dem IS gebrochen, sagen sie.

Die Taliban hätten zwar mit globalen dschihadistischen Gruppen gebrochen, die im Ausland Terrorabschläge verüben, sagt der Experte. "Aber können die Taliban das auch durchsetzen, das ist die große Frage. Nicht nur ob sie es wollen, sondern können sie es auch durchsetzen, weil sie alle verschiednenen Formen von Menpower brauchen. Weil so viele Menschen sind die Taliban nicht und sie sind auch nicht sehr qualifiziert."

Es sei durchaus möglich, dass sich die Taliban mit anderen Gruppen zusammentun müssen, wie zum Beispiel tadshikische oder usbekische Dschihadisten, die ebenfalls in Afghanistan sind. 

Sie brauchen Know-how und Unterstützung - womöglich auch die von Frauen

Wollen sie ein modernes Staatswesen führen, brauchen die Islamisten Know-How und Unterstützung, müssen Kompromisse und Allianzen eingehen - womöglich auch die von Frauen, sagt der Experte. "Die Taliban haben eine sehr dünne Personaldecke. Sie haben keine Verwaltungsspezialisten, sie keine IT-Spezialisten". 

Die Taliban wollen einen religiösen Staat nach Vorbild von Saudi-Arabien oder Katar errichten. Sie wollen Frauenrechte wahren, sagen sie. Sind die Taliban noch dieselben wie vor 20 Jahren?

Die Taliban sind heute ein Sammelbecken ganz unterschiedlicher Gruppierungen. Darunter extremistische Elemente, vor denen man richtig Angst haben muss.
Dr. Asiem El Difraoui, Dschihadismus-Experte

"Die Taliban sind heute ein Sammelbecken ganz unterschiedlicher Menschen und Gruppen, die unzufrieden mit der korrupten Regierung in Kabul, gebaut auf der Vorstellung einer westlichen Demokratie, waren. Und da gibt es extremistische Elemente, vor denen man richtig Angst haben muss", so El Difraoui.

Aber es gebe auch moderate Elemente unter den Taliban, wie den politischen Chef Mullah Baradar, die im Ausland waren, eine Form von Moderne erlebt haben und wissen, das gewisse internationale Standards für eine internationale Anerkennung Afghanistans nötig sein werden. Eine Hoffnung für das Land, wenn auch eine sehr kleine.

Das Land sei sehr arm, ohne eine internationale Anerkennung würde ein Emirat Afghanistan nicht funktionieren. Ein großer Teil des Geldes, um den Staat am Laufen zu halten, stamme aus Entwicklungshilfe, das Land sei angewiesen auf Unterstützung. Ein möglicher Helbel, um zu erreichen, dass die Islamisten ein Mindesmaß an Menschenrechten resprektieren.    

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden haben sich zur Lage in Afghanistan beraten, teilte der Élyséepalast mit. Dabei habe Macron mit Putin erörtert, was man von den Taliban erwarte.

Es hieß: den Kampf gegen Drogen und Waffenhandel, den Bruch mit internationalen Terrorgruppen und den Respekt der Frauenrechte.

In den kommenden Tagen und Wochen werde man sich sowohl bilateral als auch im Rahmen des UN-Sicherheitsrats und der G20-Staaten eng zum Vorgehen in Afghanistan abstimmen.

In den Gesprächen mit den Taliban müsste die internationale Staatengemeinschaft ganz klare Garantien einfordern, so Asiem El Difraoui.

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