Ist "vollständig geimpft" bald nur wer geboostert wurde?

In vielen Ländern der Welt werden Booster-Impfungen empfohlen.
In vielen Ländern der Welt werden Booster-Impfungen empfohlen. Copyright  Ahmad Gharabli/AFP
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Von Alexandra Leistner
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Lange hatte die STIKO in Deutschland gezögert, doch jetzt wird allen Personen über 18 Jahren eine Covid-19-Auffrischimpfung empfohlen. Gilt wer zwei Dosen bekommen hat, bald nicht mehr als "vollständig geimpft"?

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Viele Länder haben schon lange damit begonnen: Angesichts des erneuten Aufflammens der Pandemie in der Welt, empfehlen Experten mittlerweile eine Drittimpfung gegen SARS-CoV-2. In Deutschland hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) lange mit einer Empfehlung für die breite Gesellschaft gezögert. Seit 18. November 2021 wird jetzt aber "allen Personen ab 18 Jahren" die COVID-19-Auffrischimpfung empfohlen.

Reichen zwei Impfungen nicht, um geschützt zu sein?

Weil sich das Virus verändert hat, die Impfungen aber auf die Alpha-Variante von SARS-CoV-2 zugeschnitten waren, sind sich Virolog:innen mittlerweile einig, dass die Schutzwirkung der Impfstoffe gegen die Delta-Variante nicht ganz so hoch ist. Ungefähr 60 Prozent der doppelt Geimpften sind nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn vor einer Covid-Infektion geschützt.

Die Schutzwirkung vor einem schweren Krankheitsverlauf lässt zudem schon nach wenigen Monaten nach. Auch diese Erkenntnis haben Forscher:innen erst mit der Zeit herausgefunden. Deswegen soll die Schutzwirkung jetzt mit einer Drittimpfung, auch Auffrischungsimpfung, 3. Dosis oder Booster, deutlich gesteigert werden.

In Deutschland gilt das sechs Monate nach der sogenannten Grundimmunisierung, also dem Verabreichen der zweiten Dosis.

Zuvor war der Booster für Menschen mit Immundefizienz, Personen über 70 Jahren, Bewohner:innen und Betreute in Pflegeheimen für alte Menschen sowie Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen.

Wann ist man "vollständig geimpft"?

Für die Auffrischungsimpfungen werden in Deutschland die mRNA-Impfstoffe Moderna und BioNTech/Pfizer verwendet. Basierend auf neuen Studienergebnissen wird Personen, die für ihre Grundimmunisierung Biontech gespritzt bekamen, jetzt empfohlen sich mit Moderna boostern zu lassen.

In Deutschland ist das Vertrauen in den "deutschen" - in Mainz entwickelten - Impfstoff von Biontech/Pfizer höher. Doch Arztpraxen können deutschlandweit jetzt nur noch ein gewisses Kontingent an dem Impfstoff-Dosen anfordern. Auch weil Moderna sonst verfällt, empfiehlt Spahn die Impfung mit dem "genauso wirksamen" Vakzin.

Das Wechseln könnte den Schutz Experten zufolge sogar erhöhen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: "Wecheln wirkt am besten! Moderna für BionTech Geimpfte, BionTech für Moderna Geimpfte, und Moderna für J&J Geimpfte".

Auch einen Booster empfiehlt Lauterbach wie sein CDU-Kollege Spahn. Er meint sogar, dass die Drittimpfung gegen die Delta-Variante des Coronavirus so gut wirkt, "dass man eigentlich sagen muss, dass man erst nach 3 Impfungen komplett geimpft ist".

Dieser Meinung ist auch der britische Premier Boris Johnson. Am Montagmorgen sagte er, dass ein vollständiger Impfschutz nicht mehr zwei, sondern drei COVID-Impfungen erfordert, um zu verhindern, dass die Pandemiebeschränkungen in Großbritannien verschärft werden.

"Mit der Zeit lässt der Schutz von zwei Impfungen nach", sagte Johnson auf einer Pressekonferenz.

"Die dritte Impfung erhöht den Schutz gegen symptomatische Infektionen wieder auf über 90 Prozent", fügte er hinzu.

Im Großbritannien ist die dritte Impfung bereits seit Anfang September für über 50-Jährige und immunschwache Menschen zugelassen, mit dem Ziel, "10 Millionen Auffrischungsimpfungen vor Weihnachten zu verabreichen", so Johnson.

Dritte Dosis, Bedingung für ein Zertifikat?

Wird eine dritte Dosis zur Bedingung für den Erhalt eines Gesundheitspasses? In Frankreich braucht man diesen Nachweis seit dem Sommer, um etwa in Bars und Restaurants sowie öffentlichen Veranstaltungen oder Kinos Zutritt zu erlangen. Für über 65-Jährige soll - laut der Rede von Präsident Emmanuel Macron vom 9. November - der Gesundheitspass ab Mitte Dezember nur noch gültig sein, wenn sie die Booster-Impfung bekommen haben.

Die Pflicht, sich zu impfen, um den Gesundheitspass zu behalten gilt für 65-Jährige ab dem 15. Dezember.

Auch mit dem Einmal-Impfstoff von Johnson&Johnson Geimpfte brauchen in Frankreich - wie in Deutschland - eine Auffrischungsimpfung. Risikopatient:innen können sich bereits jetzt boostern lassen.

Auch wenn die französische Akademie für Medizin Ende Oktober erklärte, sie sei gegen diese Möglichkeit, die über das Ziel des Gesundheitspasses hinausgehe. Diese Maßnahme "verstößt gegen die Aufgabe des Gesundheitspasses, die darin bestand, das Risiko der Übertragung des Virus zu begrenzen und die Bevölkerung zur Impfung zu ermutigen", so die Institution in einer Erklärung.

Gesundheitsminister Olivier Véran kündigte zudem an, dass die Auffrischungsimpfung allen, die über 50 Jahre alt sind, ab Anfang Dezember angeboten wird.

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Über das Boostern für Jüngere werde demnächst entschieden.

In Israel ist nun eine dritte Dosis des Covid-19-Impfstoffs erforderlich, wenn die letzte Impfung sechs Monate zurückliegt. Der "Green Pass" ermöglicht den Zutritt zu Fitnessstudios, Restaurants und anderen Einrichtungen.

In Deutschland gilt das Impfzertifikat bisher für ein Jahr. Ob die Dauer verkürzt werden sollte, darüber diskutieren die Ampel-Parteien derzeit. Vom Gesundheitsministerium heißt es bisher noch, dass die Drittimpfung eine Vorsichtsmaßnahme sei.

"Ein bisher erreichter Status eines vollständigen Impfschutzes nach nationalen Regelungen gilt derzeit weiterhin fort. Die Gültigkeitsdauer von europäischen (EU)-Impfzertifikaten bleibt von dem Angebot einer Auffrischungsimpfung unberührt", schreibt das Ministerium auf seiner Internetseite.

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