Deutschland kämpft seit Jahren mit der Notwendigkeit, mehr qualifizierte Arbeitskräfte von außerhalb der Europäischen Union anzulocken. Das neue Gesetz soll helfen - Kritik kommt aus der Opposition.
Der deutsche Bundestag hat nach heftiger Debatte eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes beschlossen, mit 388 Ja- und 242 Neinstimmen, 31 Abgeordnete enthielten sich.
Die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen votierten in der namentlichen Schlussabstimmung nahezu geschlossen mit Ja. Lediglich die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg enthielt sich der Stimme. Die anwesenden Abgeordneten von Union und AfD stimmten geschlossen dagegen.
Punktesystem wie in Kanada
Neu ist in dem Gesetzentwurf unter anderem die sogenannte Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems, ähnlich wie das bereist in anderen Ländern wie Kanada praktiziert wird.
Zu den Kriterien, für die es Punkte gibt, gehören Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug. IT-Fachkräfte sollen künftig auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen können.
Leichter werden soll es auch für Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind, die eine qualifizierte Tätigkeit ausüben oder in Aussicht haben. Und: Hochqualifizierte Arbeitnehmer dürfen weitere Verwandte nach Deutschland holen, sofern sie diese finanziell unterstützen können.
"Das modernste Einwanderungsrecht der Welt"
Deutschland werde damit "das modernste Einwanderungsrecht der Welt" bekommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Der nächste Schritt müsse nun sein, "maßgeblich Bürokratie abzubauen", um den Weg nach Deutschland für qualifizierte Arbeitskräfte weniger beschwerlich zu machen. Der Fachkräftemangel seo eine der größten Bremsen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland, Fachkräfte fehlten überall.
Die Vize-Fraktionsvorsitzende der Union, Lindholz, nannte den Gesetzentwurf eine Mogelpackung. Sie ermögliche vor allem Zuwanderung von Geringqualifizierten und verschaffe Ausreisepflichtigen ein Bleiberecht.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, Kleinwächter, warnte, es werde vor allem Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme ermöglicht. Die Sprecherin der Linken, Akbulut, forderte indes eine stärkere Berücksichtigung der Rechte von Migranten beim Familiennachzug.
Qualifizierte Arbeitskräfte dringend gesucht
Deutschland kämpft seit Jahren mit der Notwendigkeit, mehr qualifizierte Arbeitskräfte von außerhalb der Europäischen Union anzulocken. Experten sagen, dass das Land jedes Jahr etwa 400.000 qualifizierte Einwanderer benötigt, da seine alternde Erwerbsbevölkerung schrumpft.
Die nationale Agentur für Arbeit teilte Anfang Juni mit, dass 200 von etwa 1.200 untersuchten Berufssparten im vergangenen Jahr Arbeitskräftemangel aufwiesen, gegenüber 148 im Vorjahr.
Besonders ausgeprägt sind die Engpässe im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung, sowie im Bereich Bau, Architektur Vermessung und Gebäudetechnik. Aber ebenso in den Sparten Naturwissenschaft, Geografie und Informatik.
Fast verdreifacht hat sich im vergangenen Jahr der Fachkräfteengpass im Berufsbereich Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus.
Kurz: Der Mangel an geeigneten Fachkräften spiegelt sich längst am Arbeitsmarkt wider. Experten sind sich einig: Ohne Zuwanderung aus dem Ausland wird die Lücke nicht zu schließen sein.