Nachfahren polnischer NS-Opfer klagen in Polen gegen deutsche Firmen

Rechtsanwältin Monika Brzozowska-Pasieka führt die Klagen gegen Bayer und Henschel
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Von Magdalena Chodownik
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Nachfahren polnischer NS-Opfer klagen gegen die deutschen Firmen Bayer und Henschel vor einem polnischen Gericht auf Entschädigung. Die Privatklagen laufen parallel zu Reparationsforderungen der polnischen Regierung über 1,3 Billionen Euro.

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Die Klagen auf Entschädigung in Höhe von rund 4,3 Millionen Euro liegen bei einem polnischen Gericht auf Zulassung. 

Henschel hatte während des Krieges eine Firma übernommen, die Nachfahren eines Zwangsarbeiters klagen gegen Bayer, das im dritten Reich zu den IG Farben gehörte.

"Tadeusz Sledzinski verdiente vor dem Krieg 950 Sloty. Er war Ingenieur, hatte 29 Patente. Leopold Wiellisz war reicher Finanzier, Unternehmer und Philanthrop. Wir bewegen uns [mit den Prozessen] in Richtung Entschädigung, in Richtung harte Fakten. Das heißt - so viel hätte er verdient, wäre der Krieg nicht gewesen. Die Justiz erkennt solche Situationen an: Wenn jemand von dem Schaden eines anderen profitiert hat, sollte er eine Entschädigung leisten. Das ist das Verständnis von Gerechtigkeit."

Monika Brzozowska-Pasieka, Rechtsanwältin, Stiftung "Defenders for Defenders War Compensation"

Warschau spricht gern von "deutscher Vergesslichkeit"

Die Privatklage läuft parallel zu Reparationsforderungen der polnischen Regierung über 1,3 Billionen Euro, hinter denen Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS als treibende Kraft steht.

"Unsere Aktivitäten sind in erster Linie informell, aber auch diplomatisch. Wir versuchen, das Interesse internationaler Organisationen, aber auch internationaler Partner für die Frage des Unrechts nach dem Zweiten Weltkrieg für verschiedene Länder und der ungleichen Behandlung zu gewinnen. Wir weisen darauf hin, dass dies gegen die elementaren Prinzipien des Völkerrechts, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte verstößt."

Arkadiusz Mularczyk, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten

Deutschland sieht die Reparationsfrage abgeschlossen

Polen erhielt 1945 durch einen Vertrag mit der Sowjetunion die ehemaligen deutschen Ostgebiete. 1957 verzichtete Polen in einem weiteren Vertrag auf die über die Sowjetunion laufenden Reparationen.

Es gibt eine Verzichtsdeklaration von polnischer Seite, und Völkerrechtler sind der Meinung, eine solche Deklaration sei gültig und nicht anfechtbar. Auch spätere polnische Regierungen haben diese Entscheidung nicht in Frage gestellt, auch nicht nach 1989.

Nach der Wiedervereinigung wurden in einem Global-Abkommen 500 Millionen Mark an Polen gezahlt, die Industrie zahlte in einen speziellen Fonds, auch Zwangsarbeiter wurden entschädigt.

Zu den neuen, privatrechtlichen Verfahren hat die Bundesregierung bisher keine Stellung bezogen, es handele sich um laufende Verfahren vor einem polnischen Gericht, die man nicht weiter kommentiere.

"Das Erbe des Zweiten Weltkriegs lastet schwer auf den deutsch-polnischen Beziehungen und wird sie wahrscheinlich auch in den kommenden Jahrzehnten belasten. Es besteht eine gewisse Angst vor einem Präzedenzfall. Kurz gesagt, wenn die deutsche Seite sagen würde, dass sie Reparationen an Polen zahlen würden, ob ganz oder teilweise, dann würden sich andere Länder mit ziemlicher Sicherheit anstellen."

Lukasz Jasinski, Polnisches Institut für Internationale Angelegenheiten

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