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Massentourismus in Spanien: Gehen die Balearen unter?

Massentourismus in Spanien: Gehen die Balearen unter?
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Von Valérie Gauriat
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Euronews-Reporterin Valérie Gauriat recherchierte auf Mallorca, der größten der Baleareninseln: Sie sprach mit Einwohnern, die ihre Zukunft bedroht sehen und Umweltaktivisten.

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"Geht nach Hause", ruft ein Mann in Badehose und winkt vehement einer Gruppe verwirrter Touristen zu, die versuchen, Caló des Moro, einen der bekanntesten und malerischsten Strände Mallorcas, zu erreichen. Er ist einer von Dutzenden Einheimischen, die an diesem Sonntagmorgen den Strand besetzt haben, um gegen den Massentourismus zu protestieren, der ihrer Meinung nach "verheerende Auswirkungen auf ihre Insel und ihr Leben" hat.

"Jeden Tag haben wir Kreuzfahrten mit Tausenden von Menschen. Wir haben jede Minute Flüge! Die vielen Autos tragen zur Umweltverschmutzung bei. Die Strände, die Restaurants, die Straßen sind voller Menschen! Wir haben es satt", sagt Joana Maria Estrany Vallespir vom Protestkollektiv "SOS Residents".

"Der Tourismus bringt uns um"

"Bis zu einer Million Menschen kommen an einem Tag hierher! Das ist unerträglich", ruft Sara, eine junge Demonstrantin. "Sie zerstören unsere Identität, sie verdrängen uns, weil sie alles aufgekauft haben! Mallorca lebt vom Tourismus? Nein, der Tourismus lebt von uns, und er tötet uns!"

Mallorca, die größte Insel des Archipels, hat knapp eine Million Einwohner. In diesem Jahr werden rund 20 Millionen Besucher erwartet. Das ist ein neuer Rekord.

Der Tourismus macht fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts der Balearen aus. Ein wirtschaftlicher Glücksfall, von dem nicht alle profitieren.

Die Pauschalangebote der großen Hotelketten oder der Fährgesellschaften, deren riesige Schiffe täglich im Hafen der Hauptstadt Palma de Mallorca anlegen, haben für einen Teil des lokalen Gewerbes sogar den gegenteiligen Effekt.

"Es gibt viele Leute, aber ihre finanziellen Mittel sind seit der Pandemie viel geringer", sagt Kristina, die in einer Bodega im Stadtzentrum arbeitet. "Es gibt mehr All-Inclusive-Hotels, mehr Ferienwohnungen. Die Leute bleiben lieber zu Hause und kochen selbst. Im besten Fall gehen sie auf einen Drink oder eine Sangria in eine Bar."

Gegenüber betreibt Cecilia Peña Rosselló "Humus", ein Geschäft für nachhaltige Kleidung. "Es gibt fast nur noch Franchise-Unternehmen", seufzt sie. "Das sind die einzigen, die in den Hauptstraßen überleben können. Die Stadt verliert ihre Identität, weil der traditionelle Handel abwandert."

Zur Verschlechterung der Lebensqualität kommt hinzu, dass die Einwohner unter der Wohnungsknappheit leiden.

Die steigenden Immobilienpreise veranlassen vor allem Angestellte des öffentlichen Dienstes zur Abwanderung. In einer vom Tourismus geprägten Wirtschaft sind die meisten Arbeitsplätze auf Mallorca saisonabhängig.

Die Wohnungspreise sind für die Einwohner unerschwinglich

Als Busfahrer für Touristen verdient Diego Villa mehr als 2.000 Euro im Monat. Aber er hat Mühe, über die Runden zu kommen, und lebt jetzt in einem Wohnmobil. Er kann sich weder die Miete noch den Kauf einer Immobilie leisten.

"Die Wohnungen sind für Ausländer gebaut und die Preise sind für Ausländer, sie sind unerschwinglich. Ich habe schon mehrmals daran gedacht, Mallorca wegen dieser Situation zu verlassen."

Diegos Tochter Flore wohnt in einem anderen Wohnmobil direkt neben ihm. Ein Leben, das sie einer Wohngemeinschaft vorzieht, die für immer mehr junge Arbeitnehmer auf der Insel die einzige Möglichkeit ist, sich eine Wohnung zu leisten.

"Ich arbeite als Kellnerin und verdiene im Vergleich zu anderen Orten in Spanien sehr gut. Aber trotzdem kann man sich eine Wohnung nicht leisten. Und hier habe ich mehr Unabhängigkeit als in einer Wohngemeinschaft."

Neus Truyol, Soziologin und ehemalige linker Stadträtin, macht für die zunehmende Unsicherheit vor allem die internationale Spekulation und die neue rechte Mehrheit auf der Insel verantwortlich.

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"Reiche Leute oder Firmen mit viel Kapital kommen hierher, um zu investieren, um Häuser zu kaufen; sie wissen, dass die Preise für Häuser jedes Jahr steigen, und das ist ein sehr profitables Spekulationsgeschäft. Die Preise für Wohnungen oder für den Einkaufskorb, - denn 80 Prozent der frischen Lebensmittel werden importiert, sind so hoch, dass arbeitende Familien nicht mehr über die Runden kommen", sagt sie. "In den vergangenen Jahren wurden Maßnahmen ergriffen, um die Vermietung einzelner Wohnungen an Touristen in Palma zu verbieten oder die Anzahl der erlaubten Ferienwohnungen in der Stadt zu begrenzen, aber jetzt werden solche Initiativen gestoppt."

Angesichts des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung haben die lokalen Behörden jedoch versprochen, neue Maßnahmen zur Eindämmung des Massentourismus zu ergreifen.

Auf dem Weg zum Kollaps

Das reicht nicht, sagt Margalida Ramis, Leiterin von Mallorcas größter Umweltschutzorganisation GOB, für die der Klimawandel eine radikale Reform und Diversifizierung des Wirtschaftsmodells der Insel dringend erforderlich macht.

"Mehr als die Hälfte der Gemeinden auf Mallorca hat kein Trinkwasser. In mehreren Gemeinden gibt es Wasserrestriktionen, aber das gilt nie für den Hotelsektor", seufzt sie.

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"Der Schutz des fruchtbaren Bodens und der Wasserressourcen sollte aus wirtschaftspolitischer Sicht ein strategisches Thema sein, ist es aber nicht.

Tatsächlich gibt es Pläne, die Kapazität des Flughafens von Palma zu erweitern und den Hafen von Palma auszubauen. Es gibt auch ein Gesetzesdekret, das den Ausbau touristischer Einrichtungen auf dem Land ermöglicht.

Es ist offensichtlich, dass wir uns auf einen Kollaps zubewegen."

Schätzungen zufolge wird die Zahl der Touristen in Spanien 2024 ein Allzeithoch erreichen.

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