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Wie kriegstauglich sind deutsche Waffen in der Ukraine?

Eine Panzerhaubitze 2000 bei einer Übung in Munster.
Eine Panzerhaubitze 2000 bei einer Übung in Munster. Copyright  Donogh McCabe
Copyright Donogh McCabe
Von Johanna Urbancik
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Deutschland ist der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine. Doch sind die deutschen Waffen für die Ukraine überhaupt kriegstauglich?

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Deutschland unterstützt die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges sowohl humanitär, finanziell als auch militärisch. Die ukrainischen Streitkräfte machen offenbar gemischte Erfahrungen mit den deutschen Waffen.

Ein internes Dokument der Bundeswehr, das dem NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zeigt erhebliche Schwierigkeiten beim Einsatz moderner Großwaffentechnik. In dem Dokument werden acht Waffensysteme genannt, die von Deutschland an die Ukraine geliefert wurden.

Die Panzerhaubitze 2000 wird als "derart störanfällig" beschrieben, dass ihre Einsatzfähigkeit ernsthaft bezweifelt werde. Der ältere Kampfpanzer Leopard 1A5 gilt zwar als "grundsätzlich verlässlich", werde wegen seiner schwachen Panzerung jedoch häufig nur unterstützend wie eine Art Artillerie verwendet. Beim moderneren Leopard 2A6 sei der Wartungsaufwand erheblich. Hier sei ene Reparatur direkt an der Front in vielen Fällen gar nicht durchführbar, heißt es den Medienberichten zufolge.

Laut dem Politikwissenschaftler und Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz Nico Lange produziert die Ukraine mittlerweile eine Panzerhaubitze namens "Bohdana" selber. Diese wird bereits in großen Stückzahlen gefertigt und ist in ihrer Leistung mit westlichen Waffensystemen wie der französischen Haubitze "Caesar" vergleichbar – jedoch zu einem Bruchteil des Preises.

"Die ukrainische Rüstungsindustrie ist in der Lage, diese Haubitzen monatlich in einer Menge von 20 Stück zu produzieren, zusammen mit 155-mm-Munition. Dieser Erfolg zeigt das Potenzial der ukrainischen Industrie, die nicht nur auf westliche Hilfe angewiesen ist, sondern zunehmend in der Lage ist, sich selbst zu versorgen", erklärt Lange gegenüber Euronews.

Doch die Eigenproduktion von Waffen hat bislang keinen Durchbruch an der Front erzielt. Die Ukraine bleibt in hohem Maße auf die militärische Unterstützung westlicher Partner angewiesen. Trotz hitziger Debatten hat das Land in den letzten Jahren umfangreiche Hilfen erhalten.

Von sowjetischen Waffen zu westlichen

Zu Beginn des Krieges wurden sowjetische Waffen von den westlichen Partnern geliefert, da die ukrainischen Streitkräfte gut mit diesen Systemen vertraut sind. Ihre Bedienung und Wartung erfordert keine zusätzliche umfangreiche Schulung, was sie zu einer schnellen Lösung gemacht hat, um die Verteidigung gegen Russland zu unterstützen, heißt es in einem Bericht von European Security and Defence. Dies war allerdings vor allem zu Beginn der russischen Invasion 2022 entscheidend.

Mittlerweile hat die Ukraine begonnen, westliche Waffensysteme zu integrieren, da viele sowjetische Modelle veraltet sind oder an ihre Grenzen stoßen. Der Übergang zu westlichen Waffen, wie etwa der Einführung von F-16-Kampfflugzeugen, wird jedoch durch längere Ausbildungszeiten und technische Anpassungen verlangsamt.

Ein ukrainischer Offizier steht in der Ehrengarde vor dem Hintergrund der F-16-Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe an einem ungenannten Ort in der Ukraine, Sonntag, 4. August
Ein ukrainischer Offizier steht in der Ehrengarde vor dem Hintergrund der F-16-Kampfjets der ukrainischen Luftwaffe an einem ungenannten Ort in der Ukraine, Sonntag, 4. August Efrem Lukatsky/Copyright 2024 The AP. All rights reserved

Obwohl der Bedarf an modernem westlichen Material da ist, stammt eine große Menge der von dem Westen gelieferten Ausrüstung – darunter Panzer und Flugzeuge – aus der Sowjetzeit, dem Zweiten Weltkrieg oder ist stark abgenutzt.

Veraltetes Material an die Ukraine: Warum?

Im Oktober hat die australische Regierung der Ukraine 49 M1-Abrams-Panzer im Rahmen eines militärischen Unterstützungspaketes zugesagt.

Berichten zufolge erforderten einige der veralteten Panzer "kleinere Reparaturen", sie können aber gegebenenfalls für dringend benötigte Ersatzteile verwendet werden.

Ein australischer Soldat auf einem  M1A1 Abrams-Kampfpanzer während der Übung Gauntlet Strike auf dem Militärgelände Puckapunyal in Australien, am 26. Juni 2024.
Ein australischer Soldat auf einem M1A1 Abrams-Kampfpanzer während der Übung Gauntlet Strike auf dem Militärgelände Puckapunyal in Australien, am 26. Juni 2024. CPL Johnny Huang/ Commonwealth of Australia, Department of Defence

Die westlichen Partner der Ukraine liefern häufiger veraltetes, teils sogar kaputtes Material an die Ukraine. Ein Grund dafür ist unter anderem die Sorge über eine Eskalation und die Befürchtung, dass fortschrittliche, westliche Technologien in russische Hände fallen könnten.

Bevor die USA im Januar vergangenen Jahres der Ukraine Abrams-Panzer lieferten, wurden diese "entschärft". Das heißt, dass die Panzer modifiziert wurden, um geheime Panzerung zu entfernen. In diesem Fall wurde die Panzerung, die mitunter aus abgereichertem Uran besteht und somit besonders widerstandsfähig gegen Beschuss ist, entfernt.

Ein weiterer Grund ist, dass die Partner der Ukraine erstmal geschaut haben, was sie entbehren können.

Gegenüber Euronews erklärt der Politikwissenschaftler Nico Lange, dass "es am Anfang so war, dass man geguckt hat, wo gibt es noch post-sowjetisches Material, das dem ukrainischen Material ähnlich ist. Dann hat man geguckt, was haben wir eigentlich übrig, was können wir entbehren? Das waren häufig ältere Sachen." Er fügt hinzu, dass in einigen Ländern seiner Meinung eine Debatte entstanden ist, "dass man Geräte, die wir jetzt schon eine Weile haben, in die Ukraine geben. Dann können wir für unsere eigenen Streitkräfte neue Dinge kaufen", erklärt er.

Der österreichische Politikwissenschaftler Gustav Gressel sieht das ähnlich. "In erster Linie wollen die Armeen nicht ihr modernstes Gerät abgeben. Also wird auf Gerät aus der Materialreserve oder ausgeschiedenes Gerät zurückgegriffen. Es gab bis dahin auch nur sehr wenige Initiativen, für die Ukraine neues Gerät zu beschaffen. Das passiert im Grunde nur bei der Artillerie oder MRAP (Minen widerstehendes und Hinterhalt-geschütztes Fahrzeug) weil die billig und schnell zu beschaffen sind", erklärt Gressel gegenüber Euronews. Er fügt hinzu, dass die Ausrede in den vergangenen drei Jahren, warum man das nicht auch bei Großgerät, wie beispielsweise Panzern, macht, war, dass dies zu lange dauere.

Ukrainische Soldaten feuern mit Artillerie auf russische Stellungen in der Nähe von Bakhmut, Region Donezk, Ukraine, Sonntag, 20. November 2022.
Ukrainische Soldaten feuern mit Artillerie auf russische Stellungen in der Nähe von Bakhmut, Region Donezk, Ukraine, Sonntag, 20. November 2022. Libkos/Copyright 2022 The AP. All rights reserved.

"Ein Panzer oder Schützenpanzer braucht zwei bis drei Jahre in der Herstellung. Und da meinte man stets, bis dahin ist der Krieg aus", meint Gressel und fügt hinzu, dass alt oder neu in vieler Hinsicht einerlei sei. "Auch alte Waffen machen ihren Job." Dennoch gibt es ein Problem bei manchen älteren Geräten, wie beispielsweise die Ersatzteilbereitstellung. Ein Beispiel, das Gressel nennt, sind die aus Belgien gelieferten 50 Leopard 1 aus alten belgischen Beständen. "Der Feuerleitrechner dieser Leopard ist aber ein alter Lochkartenrechner, zu dem es keine technische Dokumentation mehr gibt", erklärt er.

Laut Lange hat sich das aber mittlerweile geändert. "Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Staaten, die liefern modernes Material an die Ukraine. Und die Ukraine selbst produziert ja auch modernes Material und moderne Dinge und setzt die ein. Ich würde sagen, das hat sich gedreht, aber es ist natürlich so, dass die Ukraine, wenn man sich das jetzt auf dem Schlachtfeld anguckt, viel ältere Technik einsetzt."

Haubitzen aus dem Zweiten Weltkrieg

Auch die von den USA, Kanada und Australien zugesagten M777-Haubitzen wurden ohne GPS-System an die Ukraine geliefert. Das entfernte GPS-System schränkt die Präzision der Haubitzen ein. Neben eingeschränktem Equipment werden der Ukraine auch des Öfteren veraltete oder gar nicht nutzbare Waffensysteme geliefert.

Ukrainische Soldaten bereiten eine von den USA gelieferte Haubitze des Typs M777 für den Beschuss russischer Stellungen in der Region Cherson, Ukraine, vor, 9. Januar 2023.
Ukrainische Soldaten bereiten eine von den USA gelieferte Haubitze des Typs M777 für den Beschuss russischer Stellungen in der Region Cherson, Ukraine, vor, 9. Januar 2023. LIBKOS/Copyright 2023 The AP. All rights reserved.

So erläuterte der ukrainische Veteran Constantine Kalinovskiy in einem Beitrag auf X vergangene Woche die Situation seines Schwagers, der in der ukrainischen Nationalgarde dient. "Sie erhielten Melara-Haubitzen aus dem Jahr 1956, die kaputt und funktionsuntüchtig waren und für die es weder Ersatzteile noch Handbücher gab. Nachdem sie wochenlang versucht hatten, sie zu reparieren, mussten sie aufgeben", schrieb Kalinovskiy. Er fügte hinzu, dass die Einheit seines Schwagers dann mit M101-Haubitzen aus dem Jahr 1943 ausgestattet wurde.

Die M101-Haubitze aus dem Zweiten Weltkrieg ist ein einfaches, gezogenes Geschütz mit einer Reichweite von etwa 11,5 Kilometern. Sie erfordert manuelles Nachladen und Zielen.

Eines der aktuellsten Systeme im Vergleich dazu ist die Panzerhaubitze 2000. Dem Hersteller Rheinmetall zufolge ist das eine moderne, selbstfahrende Haubitze mit automatischem Ladesystem und einer Reichweite von bis zu 67 Kilometern. Sie kann in kürzester Zeit mehrere Schüsse abfeuern.

Die M101 punktet einer Forbes-Recherche zufolge dennoch durch ihre Robustheit. Die moderne Haubitze bietet hingegen deutlich mehr Feuerkraft und Flexibilität. Beides Eigenschaften, die der Ukraine an der Front zugutekommen würden.

Ukrainische Soldaten der 71. Jägerbrigade feuern eine Haubitze M101 auf russische Stellungen an der Front in der Nähe von Awdijiwka, 22. März 2024.
Ukrainische Soldaten der 71. Jägerbrigade feuern eine Haubitze M101 auf russische Stellungen an der Front in der Nähe von Awdijiwka, 22. März 2024. Efrem Lukatsky/Copyright 2024 The AP. All rights reserved

Auch HIMARS-Raketenwerfer wurden modifiziert

Ein paar Monate, nachdem Russland seinen völkerrechtswidrigen flächendeckenden Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hat, haben die USA HIMARS-Raketenwerfer zu ihrer Verteidigung geliefert. Diese wurden zuvor jedoch auch so modifiziert, sodass sie nur Raketen mit einer Reichweite von 80 Kilometern abschießen können. Auch hier ist der Grund die Eskalationssorge der westlichen Partner der Ukraine.

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