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Interview: Ehemaliger österreichischer Regierungssprecher sieht Demokratie in Gefahr

Ein Blick auf das österreichische Parlament in Wien, Österreich, Sonntag, 5. Januar 2025.
Ein Blick auf das österreichische Parlament in Wien, Österreich, Sonntag, 5. Januar 2025. Copyright  AP Photo/Heinz-Peter Bader
Copyright AP Photo/Heinz-Peter Bader
Von Liv Stroud
Zuerst veröffentlicht am
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Gerald Fleischmann, ehemaliger Sprecher der österreichischen Regierung, warnt davor, dass die Demokratie durch Online-Influencer:innen gefährdet werde, die verdeckt Desinformationen verbreiten.

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Gerald Fleischmann, ehemaliger Sprecher der österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Karl Nehammer, hat ein neues Buch mit dem Titel "Die Codes der Extremisten" veröffentlicht, das sich mit Desinformation und den Auswirkungen des Extremismus auf die Stabilität Europas beschäftigt.

Der Kommunikationsmanager arbeitet seit 2007 für die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und wurde zu einem der wichtigsten Berater und Sprecher der Bundeskanzler Kurz und Nehammer.

In seinem neuen Buch untersucht er die Techniken und die Rhetorik von Extremist:innen quer durch das politische Spektrum, um zu verstehen, wie extreme Ideologien die europäische Demokratie bedrohen.

In einem Interview mit Euronews sprach Fleischmann darüber, wie Deutschland und Österreich die Demokratie stärken könnten, über die Gefahr von Online-Influencer:innen bei der Verbreitung extremistischer Ideen und darüber, was Links- und Rechtsextremist:innen mit Islamist:innen gemeinsam haben.

Euronews: Was sollten Deutschland und Österreich tun, um die Demokratie zu schützen?

Gerald Fleischmann: Zunächst einmal halte ich es für wichtig, die Bemühungen, die dieses Buch unternimmt, fortzusetzen - Transparenz zu schaffen, die Menschen aufzuklären und deutlich zu machen, dass viele dieser Influencer in Wirklichkeit Mitglieder oder so genannte "witting agents" (das heißt, sie arbeiten bewusst im Rahmen einer geheimdienstlichen Operation) sind, die für ausländische Kräfte arbeiten.

Gleichzeitig halte ich es für entscheidend, die traditionellen Medien in Österreich, Deutschland, der Schweiz und ganz Europa zu stärken. Bislang haben die traditionellen Medien eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung der Demokratie gespielt, indem sie einen gemeinsamen öffentlichen Raum mit gemeinsamen Regeln und einer Form von kollektiver Identität geschaffen haben.

Mit dem Niedergang der traditionellen Medien - der teilweise von diesen radikalen Gruppen vorangetrieben wird - geht dieser gemeinsame öffentliche Raum verloren. Stichworte sind "Echokammern" und "Filterblasen".

Junge Menschen lösen sich von den traditionellen Medien, und viele konsumieren sie überhaupt nicht mehr. Hier gibt es zwei wichtige Punkte. Erstens fällt auf, dass alle Social-Media-Plattformen aus den USA, Russland oder Asien (zum Beispiel aus China) stammen, aber keine einzige aus Europa.

Dies ist ein politisches Problem. Zweitens stehen die traditionellen Medien vor der Herausforderung, sich in moderne, digitale Formate zu verwandeln - soziale Medien mit videobasierten Inhalten. Dies wird als "social journalism" bezeichnet.

Euronews: Welche Gefahr geht von Influencer:innen innerhalb extremer Bewegungen aus?

Fleischmann: Viele dieser Influencer richten sich an junge Menschen und geben sich als Berater oder Mentoren aus. Es ist nicht sofort ersichtlich, manchmal erst nach langer Zeit, dass sie tatsächlich Mitglieder von Organisationen oder so genannte "witting" oder "unwitting agents" sind.

Tatsächlich arbeiten viele dieser Influencer mit Geheimdienstmethoden, die zum Teil noch aus der KGB-Zeit stammen.

Eine dieser Methoden, die im Geheimdienstjargon als "Firehose of Falsehood" bekannt ist, funktioniert durch die Überflutung einer Gesellschaft mit Fehlinformationen. In einer westlichen, liberalen Gesellschaft konsumieren die Menschen Medien auf eine bestimmte Art und Weise.

Geheimdienste bezeichnen die Bevölkerung als "Schlafwandler". Diese Schlafwandler werden trainiert, indem sie ständig falschen Informationen ausgesetzt werden, so dass die Gesellschaft am Ende nicht mehr weiß, was wahr und was falsch ist.

Dies ist das Ziel ausländischer Kräfte - in diesem Fall vor allem Russlands, aber auch radikaler Bewegungen aus der arabischen Welt. Das übergeordnete Ziel ist es, eine neue Generation junger Menschen zu beeinflussen und dadurch die westliche Demokratie zu destabilisieren.

Euronews: Was haben Linksextremist:innen, Rechtsextremist:innen und Islamist:innen gemeinsam?

Fleischmann: Also, in dem Buch, über das wir gerade sprechen - das ich geschrieben habe - erkläre ich mindestens sieben Gemeinsamkeiten. Die erste ist der Antisemitismus. Sowohl Rechtsextremisten als auch Islamisten haben das gemeinsam.

Wir haben das kürzlich im Zusammenhang mit palästinensischen Demonstrationen gesehen, wo sie sich mit Demonstrationen zur Unterstützung der Terrororganisation Hamas zusammengetan haben. Antisemitismus existiert in vielen verschiedenen Formen und betrifft alle drei Gruppen - nicht alle Mitglieder, aber bestimmte Segmente innerhalb dieser Gruppen.

Dann gibt es eine Form des Antiimperialismus, der sich gegen Europa und die Vereinigten Staaten richtet, sowie eine allgemeine Anti-Globalisierungshaltung.

Sie sprechen von einer globalen Verschwörung, von "Globalisten" und ähnlichen Narrativen. Ein weiteres Hauptmerkmal ist die Subversion - diese Akteure operieren im Verborgenen, ohne dass die Menschen es bemerken. Darüber hinaus weisen sie alle eine gewisse Phobie gegenüber ihren Gegnern auf - sie stellen ihre Gegner als eine Art "Krankheit" dar.

So sprechen sie beispielsweise von "Russophobie" für jeden, der Putin kritisch gegenübersteht, von "Islamophobie" für jeden, der islamistische Ideologien ablehnt, und von ähnlichen Bezeichnungen in anderen Bereichen. Es gibt auch gemeinsame Elemente dessen, was manche als "Gender-Wahn" und andere spaltende Narrative bezeichnen. Zu den weiteren gemeinsamen Merkmalen gehören Polarisierung - Förderung der Spaltung statt des Dialogs -, radikale Rhetorik und Aktionen, die manchmal an Gewalt grenzen, und Widerstand gegen Gesetze.

Dies sind nur einige der gemeinsamen Merkmale. Rechtsextremisten, Linksextremisten und Islamisten haben alle diese Merkmale gemeinsam, und ihre Aktionen richten sich gegen die westliche liberale Demokratie.

Euronews: Russische Desinformationskampagnen werben für die AfD, die auch von Elon Musk unterstützt wird. Wie sehen Sie diese Kampagne?

Fleischmann: Die russischen Desinformationskampagnen zielen eindeutig darauf ab, Europa zu destabilisieren. Sie nutzen die Methode, die ich bereits erwähnt habe - den "Firehose of Falsehood".

Diese Strategie folgt einem Prinzip, das als "fuzzy logic" bekannt ist und speziell darauf abzielt, das demokratische Gefüge in Europa zu untergraben. Dies geschieht subversiv, also im Verborgenen, ohne dass die Menschen es bemerken. Die Influencer geben vor, jemand zu sein, der sie nicht sind.

Niemand soll es merken. Dies ist eine Methode der Subversion. Im Gegensatz dazu gibt es in den USA keine Subversion. Man kann gewählte US-Präsidenten oder exzentrische Milliardäre nicht beschuldigen, subversiv zu handeln - sie tun alles offen.

Jeder sieht es. Sie spielen mit offenen Karten. In diesem Buch geht es ausdrücklich um subversive Kräfte, die im Verborgenen agieren, ohne dass die Menschen es merken.

Und das Ziel des Buches ist es, dies transparent zu machen - zu zeigen: Wer sind diese Leute? Wer steckt hinter ihnen? Und mit welchen Methoden versuchen sie, unsere junge Generation zu erreichen? Russland bedient sich nicht nur der Rechtsextremisten, sondern auch der Linksextremisten.

Die Codes der Extremisten von Gerald Fleischmann ist am 1. Februar 2025 erschienen.

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