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Beerdigung von Margot Friedländer in Berlin: "Seid Menschen"

Margot Friedländer bei der Verleihung der Mevlüde-Genc-Medaille am 4. Juni 2024 in Berlin.
Margot Friedländer bei der Verleihung der Mevlüde-Genc-Medaille am 4. Juni 2024 in Berlin. Copyright  AP Photo
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Von Franziska Müller
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Margot Friedländer wird am Donnerstag in Berlin beigesetzt. Die Holocaust-Überlebende ist vergangene Woche mit 103 Jahren gestorben. Es bleibt unter anderem die Erinnerung an ihre Rede: "Seid Menschen."

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Margot Friedländer ist am vergangenen Freitag mit 103 Jahren verstorben. Sie hat den Holocaust im Konzentrationslager Theresienstadt in Tschechien überlebt und wirkte danach als Zeitzeugin lebenslang gegen Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus.

"Mit ihrem Tod verliert Deutschland eine bedeutende Stimme der Zeitgeschichte", so die Margot Friedländer Stiftung in einer Pressemitteilung. Sie starb in der Woche des Kriegsgedenkens an das Ende des Zweiten Weltkriegs.

"Bis zuletzt mahnte sie die Verteidigung der Demokratie an – erinnern allein reiche nicht", heißt es weiter. Ihre letzten öffentlichen Worte anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 7. Mai 2025 im Berliner Rathaus waren:

Für Euch. Seid Menschen. Das ist es, was ich Euch bitte zu tun: Seid Menschen!
Margot Friedländer
Holocaust-Überlebende

Die Beisetzung der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer soll am Donnerstag im engen Kreis auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee stattfinden. Als Berliner Ehrenbürgerin erhält sie automatisch ein sogenanntes Ehrengrab, das vom zuständigen Bezirk gepflegt wird.

Zusätzlich soll sie mit einer großen Trauerfeier geehrt werden. Da diese aufgrund der Präsenz hoher Politiker und Vertreter jüdischer Verbände eine hohe Sicherheitsstufe benötigen würde, ist mehr zeitlicher Vorlauf und die Kooperation von Polizei und Senat gefragt.

Noch bis Freitag, den 23. Mai, besteht für die Öffentlichkeit außerdem täglich von 9 bis 18 Uhr die Möglichkeit, sich in ein Kondolenzbuch im Roten Rathaus einzutragen.

Als junge Frau im Konzentrationslager Theresienstadt

Friedländer erinnerte sich, dass ihr Vater nach der Machtergreifung der Nazis zunächst sagte: "Sie meinen nicht uns, wir sind Deutsche". Sie fügte hinzu, dass „wir das erst merkten, als es zu spät war“. Sie wurde als Margot Bendheim am 5. November 1921 in Berlin geboren.

Friedländer startete eine Ausbildung als Schneiderin, musste mit 20 Jahren allerdings in eine sogenannte "Juden-Wohnung" ziehen und Nachtschichten in einer Metallfabrik leisten. 15 Monate lang gelang es ihr, sich zu verstecken.

Als Friedländer im April 1944 nach einem Luftangriff einen Schutzbunker verlassen wollte, wurde sie von der Polizei aufgegriffen. Sie entschloss sich sofort, die Wahrheit zu sagen und zuzugeben, dass sie Jüdin sei.

Das Weglaufen und Verstecken war vorbei.
Margot Friedländer
Holocaust-Überlebende

"Das Weglaufen und Verstecken war vorbei", sagte sie. "Ich hatte jeden Tag ein schlechtes Gewissen." Sie hatte an das Schicksal ihrer Mutter und ihres Bruders gedacht, die fliehen wollten, aber von der Gestapo aufgehalten wurde.

Mit 22 Jahren kam Friedländer im Juni 1944 nach Theresienstadt, ein Konzentrationslager in Tschechien. Im Frühjahr 1945, so erinnerte sie sich später, sah sie die Ankunft der skelettierten Häftlinge, die vor der Befreiung des Lagers Auschwitz auf Todesmärsche gezwungen worden waren.

Auf dem ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt liegt heute ein Friedhof für das Gedenken an die Holocaust-Opfer.
Auf dem ehemaligen Konzentrationslager Theresienstadt liegt heute ein Friedhof für das Gedenken an die Holocaust-Opfer. AP Photo

„In diesem Moment hörten wir von den Todeslagern, und in diesem Moment begriff ich, dass ich meine Mutter und meinen Bruder nicht wiedersehen würde“, sagte sie. Beide wurden im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

Kurz nach der Befreiung des Lagers heiratete sie Adolf Friedländer, den sie bereits kannte und in Theresienstadt wiedergetroffen hatte. Dieser hatte eine Schwester in Amerika, und nach Monaten in einem Lager für Displaced Persons (Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung von Displaced Persons nach dem Zweiten Weltkrieg) kamen sie 1946 in New York an.

57 Jahre lang kam Friedländer nicht nach Deutschland zurück. Gemeinsam mit ihrem Ehemann erlangte sie die US-Staatsbürgerschaft und verbrachte die Hälfte ihres Lebens in New York. Zunächst arbeitete sie dort als Schneiderin und leitete später eine Reiseagentur. Ihr Ehemann verstarb mit 87 Jahren in 1997.

Margot Friedländer: Die Berlinerin kommt zurück nach Hause

Im Jahr 2003 ist Friedländer das erste Mal zurück nach Deutschland gereist. Sie wurde gemeinsam mit anderen Überlebenden des Holocaust im Berliner Rathaus empfangen.

2010 kehrte sie endgültig in ihre Heimatstadt Berlin zurück. In der deutschen Hauptstadt berichtete sie als Zeitzeugin vor Schülern und Studenten. Unermüdlich sprach sie im Fernsehen, im Radio und 2022 anlässlich des Holocaust-Gedenktags im EU-Parlament. Sie erhielt das Bundesverdienstkreuz, Deutschlands höchste Auszeichnung.

Margot Friedländer hielt anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar 2022 eine Rede im EU-Parlament.
Margot Friedländer hielt anlässlich des Holocaust-Gedenktags am 27. Januar 2022 eine Rede im EU-Parlament. AP Photo

Im Jahr 2018 wurde sie zur Ehrenbürgerin von Berlin ernannt. Mit dem Hinweis, dass nur noch wenige Holocaust-Überlebende am Leben sind, sagte sie zum Publikum: „Ich möchte, dass Sie die Zeugen sind, die wir nicht mehr lange sein können.“

Ich möchte, dass Sie die Zeugen sind, die wir nicht mehr lange sein können.
Margot Friedländer
Holocaust-Überlebende

Ein Bericht der sogenannten Claims Conference warnte, dass 70 Prozent der jüdischen Holocaust-Überlebenden in den nächsten zehn Jahren sterben werden. Die letzte Generation an Stimmen, die die Gräueltaten der Geschichte erlitten hat, wird dann verstummen.

Reaktion der deutschen Politik auf ihren Tod

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte in einer Erklärung sein Beileid aus und sagte, sie habe Deutschland trotz der Schrecken, die sie hier in ihrem Leben erlebt habe, Versöhnung geschenkt. Steinmeier sagte, das Land könne nicht dankbar genug für ihr Geschenk sein.

Bundeskanzler Friedrich Merz teilte ein Foto mit der Zeitzeugin auf der Plattform X und schrieb: "Sie hat uns ihre Geschichte anvertraut. Es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht, sie weiterzutragen."

Auch der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach tat es ihm gleich. Er sagte: "Im Land des größten Verbrechens an der Menschlichkeit hat sie Versöhnung vorgelebt."

Auch Ricarda Lang (Grüne) teilte eine Erinnerung mit der Zeitzeugin. Vor ihr habe sie gelernt, "dass man Menschenwürde nicht mit Angst und Verzagtheit schützt. Sondern mit Mut, mit Liebe und mit Hoffnung."

Die Botschaft "Seid Menschen" von Margot Friedländer findet große Resonanz. Ihr autobiografisches Buch "Versuche Dein Leben zu machen" bezieht sich auf einen Satz, den ihre Mutter ihr wohl immer wieder gesagt hatte.

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