Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich in seiner Rede beim Deutschlandtag am Samstag klar von der AfD abgegrenzt und die Bedeutung Europas und der Europäischen Union in den Vordergrund gestellt. Beim Jahrestreffen der Jungen Union vertiefte sich die Kluft - vor allem bei der Rentenpolitik.
Im Konflikt über das Rentenpaket der Bundesregierung hat Bundeskanzler Friedrich Merz klar Position bezogen: Er stellte sich hinter den Gesetzentwurf – und damit gegen die Junge Union. Während der Parteinachwuchs das Reformpaket ablehnt, verteidigte Merz die Pläne der Regierung.
"Ja, ich werde diesem Rentenpaket mit gutem Gewissen zustimmen, wenn es im Deutschen Bundestag zur Abstimmung steht", sagte Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union im südbadischen Rust. Er begründete dies damit, dass die Reform nur den Auftakt zu einer umfassenderen Debatte über grundlegende Veränderungen im Sozialstaat darstelle. Die Neuausrichtung der Altersversorgung müsse noch in dieser Legislaturperiode erfolgen, was innerhalb der Koalition bereits vereinbart sei.
Zudem bekräftigte Merz in seiner Rede, dass es keinerlei Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben werde. "Nicht weil da eine Brandmauer steht – vergesst dieses Wort! Uns trennen Welten von dieser Partei“, erklärte er. "Wir haben mit denen nichts gemeinsam."
Merz unterstrich in seiner Rede insbesondere die Bedeutung Europas: "Die Zukunft der Welt entsteht in Europa. Diesen Gedanken möchte ich mit Ihnen gerne zu Ende denken. Was heißt das? Wir gucken nicht nur auf uns selbst. Wir schauen nicht nur auf diese Europäische Union. Wir schauen auf ein politisches Modell. Wir schauen auf ein Prinzip. Wir schauen auf grundlegende Entscheidungen, wie wir miteinander leben wollen."
Merz: "Grenzen uns ab vom autoritären Führungsstil"
Man grenze sich in dieser Europäischen Union ab vom dogmatischen Sozialismus und Kommunismus, von abgeschotteten Märkten - und, so Merz, "vom autoritären Führungsstil."
In dieser Europäischen Union grenze man sich auch ab von all denjenigen, "die meinen, mit abgeschotteten Märkten könnten sie die Sicherheit und den Wohlstand ihrer eigenen Bevölkerung gewährleisten." Das Modell der Europäischen Union sei nicht zu Ende, betonte Merz. "Wenn wir es jetzt nicht richtig machen, wenn wir es jetzt den Nationalisten überlassen, dieses Europa zu formen und es im Grunde aufzugeben, dann werden wir eines Tages uns sagen lassen müssen, dass wir vor der Geschichte versagt haben."
Merz sagte zudem der Bürokratisierung den Kampf an: "Gerade deshalb bin ich so engagiert in meinem Bemühen, diese Europäische Union zusammenzuhalten. Nicht so, wie sie jetzt arbeitet, nicht mit dieser Überbürokratisierung. So war das mit dem europäischen Binnenmarkt nicht gedacht: Eine Flut an Regulierungen, die im Grunde genommen nur Misstrauen gegenüber Bürgerinnen und Bürgern und gegenüber den Unternehmen zum Ausdruck bringt."
Nicht Misstrauen sei das Ordnungsprinzip der europäischen Politik, betonte Merz, es müsse "das Vertrauen sein, in die Freiheit, in die Offenheit, in die Fähigkeit der Menschen, ihre Zukunft in eigener Verantwortung zu gestalten liberal, tolerant, und nach außen weltoffen." Es gab tosenden Applaus für den Kanzler.
Wie groß die Enttäuschung innerhalb der Jungen Union ist, wurde jedoch nach seiner Rede deutlich. Merz sah sich auf der Bühne des Deutschlandtags einer kritischen Frage nach der anderen ausgesetzt.
Die 18 Bundestagsabgeordneten der Jungen Union (die Junge Gruppe) hatten bereits im Oktober deutlich gemacht, dass sie dem Rentenpaket in seiner aktuellen Form nicht zustimmen werden. Ihr zentraler Kritikpunkt: Nach dem Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas würden zwischen 2032 und 2040 zusätzliche Kosten von 120 Milliarden Euro entstehen. Der Vorwurf der Jungen Union: Damit gehe man über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinaus. Man habe sich lediglich darauf verständigt, das Rentenniveau zunächst bis 2031 zu stabilisieren – nicht länger.
Am Samstag wurde unübersehbar: Merz steht hinter dem Rentenpaket von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) – und enttäuscht damit die Junge Union. Ausgerechnet jene Gruppe innerhalb von CDU und CSU, die bislang zu seinen wichtigsten Unterstützern zählte. Ohne die JU, erinnerte Verbandschef Johannes Winkel noch am Freitagabend, wäre Merz weder CDU-Vorsitzender noch Bundeskanzler geworden.
Die Junge Union hatte gehofft, Merz würde das Rentenpaket noch einmal nachverhandeln – schließlich hatte er ihnen lange Zeit entsprechende Signale gegeben. Doch in Rust erteilt er diesen Erwartungen eine klare Absage. "Ich werde diesem Rentenpaket mit gutem Gewissen zustimmen, wenn es im Deutschen Bundestag zur Abstimmung steht", erklärte er. Für den Kanzler deckt sich der vorliegende Gesetzentwurf vollständig mit dem vereinbarten Rentenpaket.
Merz: Damit "gewinnen wir keine Wahlen"
Merz appellierte an die Delegierten, sich in die Debatte einzubringen – "aber bitte nicht, indem ihr einfach nur sagt, was nicht geht". Einen politischen Unterbietungswettbewerb, bei dem sich alle damit überbieten, wer das niedrigste Rentenniveau anbieten wolle, lehne er ab. "Damit, liebe Freundinnen und Freunde, gewinnen wir keine Wahlen."
Besonders unangenehm: Die Delegierten feierten jede kritische Nachfrage aus ihren Reihen mit stehenden Ovationen und lautem Applaus. Sobald Merz sprach, kehrte Ruhe im Saal ein. Applaus blieb aus.
Kevin Gniosdorz, Landesvorsitzender der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen, erinnerte Merz daran, dass man "in einem Team" spiele. So wie die JU stets "an der Seite von Merz gestanden" habe, müsse nun auch er "an der Seite der Jungen Union stehen".
Ein weiterer Delegierter verwies auf Finanzminister Lars Klingbeil, der gleichzeitig auf dem SPD-Landesparteitag in Ulm bekräftigte, dass es keinerlei Änderungen am Rentenpaket geben werde. Er forderte Merz auf, seinem Vizekanzler "die Richtlinienkompetenz des Kanzlers" in Erinnerung zu rufen.
Pascal Reddig, der Vorsitzende der Jungen Gruppe im Bundestag, machte unmissverständlich deutlich, dass die Junge Gruppe bei ihrem Nein zum Rentenpaket bleiben wird: "Ihr könnt euch darauf verlassen: Wir bleiben in dieser Frage standhaft."
Die Delegierten dankten ihm mit stehenden Ovationen und lautem, rhythmischem Applaus.
Das Nein der Jungen Gruppe zu diesem Rentenpaket bleibt also bestehen. Der Konflikt, der ursprünglich zwischen den jungen Unionsabgeordneten und SPD-Sozialministerin Bärbel Bas entstanden war, hat sich zu einem offenen Streit mit dem Kanzler entwickelt.
Dabei können sich die jungen Unions-Abgeordneten auch auf Unterstützung anderer sozialpolitisch orientierter Gruppen innerhalb der Unionsfraktion verlassen. Bei der letzten Sitzung der Jungen Gruppe in Berlin zeigten rund 30 weitere Unionsabgeordnete Solidarität.
Damit wäre eine Mehrheit für das Rentenpaket kaum noch erreichbar - und eine Regierungskrise unaufhaltsam.