Die durchschnittliche Anzahl der Arbeitsjahre der Beschäftigten steigt in ganz Europa, aber der Eintritt ins Rentenalter variiet immer noch stark. Euronews Business vergleicht die Daten.
Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten in der gesamten EU gestiegen, und damit erhöht sich in vielen Ländern auch das Renteneintrittsalter. Das bedeutet, dass die Beschäftigten länger arbeiten müssen.
Im Jahr 2024 beträgt die durchschnittliche Lebensarbeitszeit in der EU laut Eurostat 37,2 Jahre. Dies entspricht einem Anstieg um 2,4 Jahre oder 7 % gegenüber 2014, als sie bei 34,8 Jahren lag.
Innerhalb der EU reicht die erwartete Lebensarbeitszeit von 32,7 Jahren in Rumänien bis zu 43,8 Jahren in den Niederlanden. Bezieht man die EU-Kandidaten und die EFTA-Länder mit ein, reicht die Spanne von 30,2 Jahren in der Türkei bis zu 46,3 Jahren in Island.
Doch wie erklärt sich die große Kluft bei der erwarteten Lebensarbeitszeit in Europa?
Wie viele Jahre arbeiten die Menschen in Europa?
Auch wenn es einige Ausnahmen gibt, folgt die erwartete Dauer des Arbeitslebens in Europa im Allgemeinen geografischen Mustern. Die nordeuropäischen Länder weisen die längste Lebensarbeitszeit auf. Island führt die Liste an, gefolgt von den Niederlanden (43,8 Jahre) und Schweden (43 Jahre). Dänemark (42,5 Jahre), Norwegen (41,2 Jahre) und Finnland (39,8 Jahre). Sie alle rangieren unter den Top 10 von 35 europäischen Ländern.
In den westeuropäischen Ländern arbeiten die Bewohner und Bewohnerinnen ebenfalls überdurchschnittlich lange. Die Schweiz (42,8 Jahre), Irland (40,4 Jahre) und Deutschland (40 Jahre) liegen alle über 40 Arbetisjahren und gehören zu den Top 10. Am EU-Durchschnitt von 37,3 Jahren oder knapp darunter liegen Frankreich (37,3 Jahre), Belgien (35 Jahre) und Luxemburg (35,6 Jahre).
Die letzte verfügbare Zahl für Großbritannien stammt aus dem Jahr 2018 und liegt bei 39,2 Jahren. In Anbetracht des steigenden Trends in der gesamten EU dürften die aktuellen Arbeitsjahre höher sein.
In Südeuropa sind die gearbeiteten Jahre eher unterschiedlich. Während Portugal (39,3 Jahre) und Malta (39 Jahre) eine relativ lange Lebensarbeitszeit aufweisen, liegen Italien (32,8 Jahre), Griechenland (34,8 Jahre) und Spanien (36,5 Jahre) deutlich darunter.
Die osteuropäischen Länder sind meist um oder knapp unter dem EU-Durchschnitt. Ungarn (37,4 Jahre) liegt im Mittel, während andere - wie Rumänien (32,7 Jahre) und Bulgarien (34,8 Jahre) - eine deutlich kürzere Lebensarbeitszeit aufweisen.
In Südosteuropa und auf dem Balkan, einschließlich der Türkei (30,2 Jahre), wurde weniger lang gearbeitet: Nordmazedonien (31,5 Jahre) und Montenegro (32,1 Jahre). Alle drei Länder sind EU-Beitrittskandidaten, wobei die Zahlen für Nordmazedonien und Montenegro auf Daten aus dem Jahr 2018 basieren.
Warum ist die durchschnittliche Lebensarbeitszeit so unterschiedlich?
Wie diese Zahlen zeigen, unterscheidet sich die durchschnittliche Lebensarbeitszeit in Europa erheblich. Aber warum?
Prof. Moritz Hess von der Hochschule Niederrhein stellte fest, dass die Dauer des Arbeitslebens sowie die Erwerbsbeteiligung in Europa aus mehreren Gründen unterschiedlich sind. "Erstens spielt die Nachfrageseite eine wichtige Rolle: Wenn Arbeitgeber Arbeitskräfte brauchen, erhöht sich die Erwerbsbeteiligung und die Dauer des Arbeitslebens verlängert sich", sagte er im Gespräch mit Euronews Business.
"Zweitens spielt der institutionelle Kontext eine Rolle, insbesondere in Bezug auf die Renten- und Arbeitsmarktregelungen. Ein Schlüsselfaktor in dieser Hinsicht ist das offizielle Renteneintrittsalter: Je höher es ist, desto länger ist die erwartete Dauer des Arbeitslebens. Je weniger Vorruhestandsmöglichkeiten ein Rentensystem bietet, desto länger bleiben die Menschen wahrscheinlich im Berufsleben".
Prof. Hess erklärte auch, dass Altersdiskriminierung eine Rolle spielt. In Ländern, in denen ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht diskriminiert werden und ihr Beitrag geschätzt wird, sind sie eher bereit, weiterzuarbeiten, was zu einem längeren Erwerbsleben führt.
Timo Anttila, Senior Lecturer an der Universität Jyväskylä in Finnland, wies darauf hin, dass die Familienmodelle der Länder, z. B. Allein-/Doppelverdiener, Rentensysteme und familiäre Betreuungsmodelle, wichtige Faktoren sind, die sich auf die Dauer des Arbeitslebens auswirken.
Die Erwerbsquote spielt eine Rolle
"Der größte Teil der Dauer des Erwerbslebens lässt sich durch die Erwerbsquote erklären", stellt Eurostat fest. Im Allgemeinen haben Länder mit niedrigeren Erwerbsquoten ein kürzeres durchschnittliches Arbeitsleben.
Das obige Diagramm veranschaulicht diesen Zusammenhang für die Gesamtbevölkerung, indem es die erwartete Lebensarbeitszeit jedes Landes mit der Erwerbsquote vergleicht.
Nach Angaben von Eurostat erklärt die Erwerbsquote etwa 81,5 % der Varianz in der erwarteten Lebensarbeitszeit.
Mehrere Länder haben bereits Maßnahmen zur Anhebung des Rentenalters ergriffen. Nach Schätzungen der OECD wird das durchschnittliche Renteneintrittsalter in der EU bis zum Jahr 2060 bei 67 Jahren liegen, in einigen Ländern sogar bei über 70 Jahren.