Arzneimittelrückstände im Abwasser: schwer abbaubare Gefahren

Mit Unterstützung von The European Commission
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Im Rahmen eines schwedischen Pilotprojekts arbeiten Ingenieure daran, mindestens 80 % von fünf dieser schädlichen Stoffe zu entfernen. Technologien wie Aktivkohle und Anionenaustausch werden getestet, um kosteneffiziente Methoden zu finden.

Wirkstoffe von Arzneimitteln können über die Einleitung der Kläranlagen oder die Anwendung in der Tierhaltung in die Gewässer gelangen und dort schädliche Konzentrationen für aquatische Umwelt erreichen. 

Im schwedischen Uppsala werden in einer Anlage jährlich rund 20 Millionen Kubikmeter Abwasser geklärt. Neben Nährstoffen, Phosphor und organischem Material enthält das Abwasser auch Rückstände von Medikamenten, unter anderem gegen Depressionen, Entzündungen, Angstzustände oder Bluthochdruck. 

"Wir sprechen hier von Nanogramm pro Liter, also ein sehr niedriger Wert", sagt Anna Maria Sundin, Entwicklungsingenieurin bei Uppsala Vatten. "Aber einige dieser Stoffe könnten bereits bei diesen sehr niedrigen Werten negative Auswirkungen auf die Wasserumwelt haben."

Die inneren Organe und der Fortpflanzungszyklus von Fischen und Amphibien können durch Arzneimittelrückstände stark beeinträchtigt werden. 

Pilotprojekt arbeitet an kosteneffizienten Abbau-Methoden

Im Rahmen eines Pilotprojekts arbeiten Ingenieure daran, mindestens 80 % von fünf dieser schädlichen Stoffe zu entfernen. Komplexe Technologien wie Aktivkohle und Anionenaustausch werden getestet, um kosteneffiziente Methoden zu finden. Die Herausforderungen sind enorm, so die Entwicklungsingenieurin: 

"Die verschiedenen Verbindungen der verschiedenen Substanzen haben unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften. Und das wirkt sich auf die Abscheideleistung aus."

Das Pilotprojekt wird 2024 auslaufen. Verbesserte Abscheidetechniken sind hier wie überall dringend erforderlich. Unsere Umwelt insbesondere unsere aquatischen Ökosysteme, sind zunehmend mit Arzneimittelrückständen belastet, die aus Haushalten, der Arzneimittelherstellung, der intensiven Landwirtschaft oder Krankenhäusern stammen.

Weltweit werden etwa 4.000 pharmazeutische Wirkstoffe in Medikamenten verabreicht. Bis zu 90 % der oral eingenommenen Dosen können wieder ausgeschieden werden. 10 % von diesen aktiven Substanzen stellen ein potenzielles Umweltrisiko dar. 

Laut Forschern der schwedischen Agentur für Medizinprodukte eine komplexe Situation. Ein großes Problem ist, dass diese Stoffe so konzipiert wurden, dass sie in unserem Körper sehr stabil sind. Sobald sie in die Umwelt gelangen, werden sie zu schwer abbaubaren Gefahren.

"Eines der Probleme ist, dass der Körper sie nur sehr schwer abbaut, denn sie sollen ja wirken", sagt Stefan Berggren, Direktor des Schwedischen Wissenszentrums für Pharmazeutika in der Umwelt. "Man will nicht, dass sie sich zum Beispiel im Magen auflösen. Man braucht eine Art beständiges Medikament. Das bedeutet auch, dass sie, wenn sie wieder ausgeschieden werden, die Umwelt als ziemlich beständige Substanz erreichen."

Aus diesem Grund sind neben verbesserten Abwasserreinigungstechnologien auch Ansätze zur Eindämmung von Schadstoffen an der Quelle von entscheidender Bedeutung. Die Pharmareform der Europäischen Kommission hat vorgeschlagen, die Umweltverträglichkeitsprüfung weiter zu verschärfen, die bereits für alle Pharmaunternehmen, die ihre Arzneimittel auf den EU-Markt bringen, verbindlich ist. 

So soll eine Marktzulassung verweigert werden, wenn Unternehmen keine vollständigen oder ausreichend begründeten Bewertungen vorlegen. 

Bereits auf dem Markt befindliche Produkte könnten ebenfalls einer Bewertung unterzogen werden, wenn sie potenziell umweltschädlich sind, so ein weiterer EU-Vorschlag.

Auch Umweltverbände fordern wirksame Maßnahmen. Experten plädieren dafür, den Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft zu verringern und die nachhaltige Entsorgung von Arzneimitteln zu verbessern. Man will auch einen vernünftigen und erschwinglichen Verbrauch von umweltfreundlichen Medikamenten fördern. 

Elin Engdahl, leitende Politikberaterin bei SSNC, der schwedische Gesellschaft für Naturschutz:

"Wir müssen versuchen, den Gesundheitssektor umweltfreundlicher zu gestalten. Die pharmazeutische Industrie entwickelt immer mehr grüne Arzneimittel, die biologischer sind und sich leichter abbauen lassen. Aber sie sind auch teurer. Die Umstellung auf biologisch abbaubare Arzneimittel ist also nur ein Faktor. Es könnte auch auf andere Weise funktionieren, z. B. durch vorbeugende Maßnahmen, damit die Menschen nicht so viele Arzneimittel brauchen."

In ihrem Vorschlag für die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser setzt sich die Kommission auch für die Verringerung der Umweltauswirkungen von Arzneimitteln ein: Das Verantwortungssystem soll ausgeweitet werden, das auch für die Entwickler von Arzneimitteln gilt.

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