Die Fälle von Tuberkulose bei Kindern unter 15 Jahren in Europa und Zentralasien hat zehn Prozent zugenommen, so ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO. Kürzungen bei Tuberkulose-Programmen könnten weltweite Auswirkungen haben, warnt der Direktor Hans Kluge.
Die Neuerkrankungen und Wiederansteckungen mit Tuberkulose bei Kindern bis 15 Jahre sind für den Raum Europa und Zentralasien im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gestiegen. Das geht aus einem Bericht internationaler Gesundheitsorganisationen hervor, der zum Welttuberkulosetag am 24. März vorgelegt wurde.
In Deutschland sind die Fallzahlen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts niedrig und leicht rückläufig. Deutschland könnte durch den Rückzug der USA bei der Tuberkulose-Bekämpfung jedoch "gegebenenfalls selbst von den Folgen betroffen sein", sollten die Fälle dadurch weltweit zunehmen, sagte ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums.
Globale Hilfen für Programme gegen Tuberkulose gekürzt
Die Daten aus dem Jahr 2023 deuten darauf hin, dass die europäische Region immer noch mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu kämpfen hat, heißt es in dem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des Europa-Teams der Weltgesundheitsorganisation.
Gesundheitsorganisationen wie die WHO waren davor, dass Kürzungen der globalen Hilfen zu einem Wiederaufflammen der Tuberkulose weltweit führen kann. Aufgrund fehlender Gelder aus dem Ausland werden weniger Menschen getestet, weniger Fälle erkannt und daher nicht behandelt.
Der Analyse zufolge erkrankten im Jahr 2023 mehr als 172.000 Menschen in der europäischen Region entweder an Tuberkulose oder erlitten einen Rückfall der Krankheit, ähnlich wie im Jahr 2022. Die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle ging zwar zurück, aber viel langsamer als vor der COVID-19-Pandemie.
Das deutet darauf hin, dass viele Infizierte nicht diagnostiziert und nicht behandelt wurden, als die Pandemie die medizinische Versorgung unterbrochen hat, und dass die Folgen jetzt sichtbar werden, so der Bericht.
Auch die Zahl der betroffenen Kinder steigt laut dem Bericht: Im Jahr 2023 traten in der europäischen Region etwa 7.500 Tuberkulosefälle bei Kindern unter 15 Jahren auf - ein Anstieg von 9,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als 2.400 dieser Fälle wurden bei Kindern unter fünf Jahren gemeldet. Diese Altersgruppe hat ein besonders hohes Risiko für schwere Erkrankungen und einen tödlichen Verlauf.
"Die derzeitige Tuberkulosebelastung und der besorgniserregende Anstieg der Tuberkulosefälle bei Kindern erinnern uns daran, dass die Fortschritte bei der Bekämpfung dieser vermeidbaren und heilbaren Krankheit nach wie vor fragil sind", sagte Dr. Hans Kluge, der WHO-Europadirektor, in einer Erklärung.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Tuberkulose in der gesamten europäischen Region weiter ausbreitet und dass "sofortige" Anstrengungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit unternommen werden sollten, um die Krankheit in den Griff zu bekommen, heißt es in dem Bericht.
Behandlung von Tuberkulose ist langwierig und teuer
Tuberkulose wird durch eine bakterielle Infektion verursacht, die hauptsächlich die Lunge befällt, aber auch auf andere Organe übergreifen kann. Die meisten Infizierten erkranken nicht an der Krankheit, aber wenn sie es doch tun, kann sie gefährlich sein und etwa 1,25 Millionen Menschen pro Jahr das Leben kosten.
Die Krankheit tritt auch in Verbindung mit anderen kritischen Gesundheitsproblemen auf. In der europäischen Region haben 15,4 Prozent der Menschen mit neuer oder wiederkehrender Tuberkulose auch HIV, das sich unbehandelt zu AIDS entwickeln kann, so der Bericht.
Tuberkulose betrifft vor allem Menschen, die in Armut leben. Sie ist aus einer Vielzahl von Gründen schwer zu behandeln. Dazu gehören Verzögerungen bei der Diagnosestellung, die Frage, ob die Patienten ihre Medikamente rechtzeitig einnehmen, und der mangelnde Zugang zu den richtigen Behandlungen.
Die Patienten müssen Tuberkulose-Medikamente bis zu sechs Monate lang täglich einnehmen, damit sie wirksam sind. Wird die Behandlung zu früh abgebrochen, können die Bakterien resistent gegen die Medikamente werden, was die Behandlung der Krankheit erschwert und die Ausbreitung der Infektionen ermöglicht.
Der Bericht zeigt, dass die Medikamente bei Erstbehandlung bei 75,5 Prozent der Patienten in der europäischen Region wirksam waren. Bei den Patienten mit multiresistenter Tuberkulose wirkten die Medikamente nur bei 59,7 Prozent der Betroffenen.
Langfristiges Monitoring der Fälle nicht konsequent durchgeführt
Betrachtet man nur die Europäische Union, Island, Liechtenstein und Norwegen, so wissen die Gesundheitsbehörden nach eigenen Angaben nicht, ob eines von fünf Kindern mit Tuberkulose die Behandlung tatsächlich abgeschlossen hat.
"Angesichts der Zunahme der arzneimittelresistenten Tuberkulose werden wir alle morgen die Kosten für unsere Untätigkeit zahlen müssen", sagte ECDC-Direktorin Dr. Pamela Rendi-Wagner in einer Erklärung.
Letzte Woche warnte die WHO, dass die Kürzungen der weltweiten Hilfe bereits die Fortschritte bei der Ausrottung der Krankheit in 27 Ländern, vor allem in Afrika, Südostasien und im westlichen Pazifik, untergraben. In neun Ländern haben die Menschen Schwierigkeiten, Tuberkulose-Medikamente zu bekommen. Die WHO nennt die Ressourcenknappheit zur Bekämpfung der Tuberkulose "schwerwiegend".
Der Direktor der WHO, Dr. Hans Kluge sagte jedoch, dass auch die Tuberkulose-Programme in Europa und Zentralasien von den Kürzungen betroffen sein könnten. Die Kürzungen bedeuten, dass "die Tuberkuloseübertragung unbemerkt bleiben könnte, was den Anstieg schwer zu behandelnder Stämme weiter anheizen würde", so Kluge.
In der gesamten Region gab es 2023 in Russland die meisten Fälle, gefolgt von der Ukraine, Usbekistan, Kasachstan, der Türkei und Rumänien.