Seit April 2024 ist Cannabis in Deutschland teilweise legalisiert. Eine erste Zwischenbilanz zeigt jedoch, dass die gewünschten Effekte hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Union fordert schärfere Regeln.
Seine eigenen Cannabis-Pflanzen auf dem Balkon wachsen lassen und immer ein bisschen was davon dabei haben - mit der Cannabis-Teillegalisierung der Ampel ist das in Deutschland möglich geworden. Anderthalb Jahre später hat eine Forschungsgruppe der Universitäten Hamburg-Eppendorf, Düsseldorf und Tübingen eine erste Zwischenbilanz veröffentlicht. Mit mäßigen Erkenntnissen.
Zwischenbilanz: Bislang kaum Effekte
Die erste Zwischenbilanz nach anderthalb Jahren Teillegalisierung lässt es nicht zu, starke Auswirkungen zu konkretisieren. Es zeichne sich lediglich ab, dass die geregelten Anbauvereinigungen "für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten, heißt es in der Evaluierung.
Nur etwa 0,1 Prozent des Cannabisbedarf wird laut Schätzung der Experten von drei Universitäten von Anbauvereinigungen gestellt. Der Gesamtbedarf lag 2024 zwischen 670 und 823 Tonnen. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Regelungen für Anbauvereingungen deutlich einfacher gestaltet werden müssen, um den Schwarzmarkt wirklich verdrängen zu können.
Zwar werden seit dem 1. April - mit Inkrafttreten des Gesetzes - Daten gesammelt, aber ihre Auswertung lässt noch wenig Schlüsse zu. Im Bericht heißt es, dass die Gesamtgergebnisse "keinen dringenden Handlungsbedarf" provozieren. Gesetzesänderungen halten sie für vorschnell.
"Während der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen weiterhin leicht zurückzugehen scheint, ist bei Erwachsenen nach wie vor eine leichte Zunahme des Cannabiskonsums zu beobachten", schreiben die Autoren. Bei der Entwicklung von Suchterkrankungen oder der Verkehrssicherheitsgefährdung gebe es "keine drastischen Veränderungen".
Teillegalisierung von Cannabis: Das waren die Gründe
Eine Gruppe der Konsumenten ist medizinisch darauf angewiesen. Cannabis wird beispielsweise bei chronischen Schmerzen, Epilepsie, Angst- und Schlafstörungen. Aber auch der Freizeitkonsum findet in Deutschland statt.
Insgesamt haben nach einer Erhebung im Jahr 2021 4,5 Millionen Erwachsene mindestens einmal im Jahr Cannabis konsumiert. 18-24-Jährige sind die Altersgruppe, die am häufigsten Cannabis konsumierten.
Mit der Teillegalisierung sollte der Schwarzmarkt für diese Droge eingedämmt werden. Illegales Cannabis unterläuft nicht dringlich Qualitätskontrollen und kann verunreinigt sein. Vor dem Hintergrund des Jugendschutzes und des Gesundheitsschutzes für Konsumenten sollte die Reform mehr Sicherheit bringen.
Drogenbeauftragter: Gesetz hat Ziele verfehlt
Der Drogenbeauftrage der Bundesregierung, Hendrik Streeck, warnt vor vorschnellen Schlüssen. " Veränderungen, die so ein Gesetz in der Gesellschaft bewirken, zeigen sich meist erst nach Jahren", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Deshalb mahnte er auch Verschärfungen am Gesetz als direkte Konsequenz des Zwischenberichts an.
Sorgen bereite Streeck jedoch, "dass gerade beim Jugendschutz schon jetzt Fehlentwicklungen sichtbar werden". Der Suchtbeauftrage räumte ein, dass es laut aktuellen Umfragen einfacher geworden ist, an Cannabis zu kommen.
Ihn beschäftigt insbesondere die fehlende Frühintervention. Wer als Jugendlicher Cannabis konsumiert, kann seiner eigenen Entwicklung schaden. Im jüngeren Alter kann häufiges Kiffen die Reifeprozesse im Gehirn stören, so die Cannabisprävention des Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit.
Jugendliche verlieren dadurch nicht nur ihre geistige Leistungsfähigkeit, sie können laut aktuellen Studienergebnissen auch in einem "pubertätsähnlichen Zustand" verharren. Cannabiskonsum im Jugendalter ist zudem mit einem erhöhten Risiko für Depressionen oder Suizidgedanken im Erwachsenenalter verbunden.
"Wenn Jugendliche konsumieren - und wir wissen, wie schädlich das für sie ist - bekommen sie seltener Hilfe, weil ihre Fälle nicht mehr beim Jugendgericht landen", so Streeck. Die Zahl der Frühintervention ist zudem zurückgegangen.
Der Drogenbeauftrage kritisierte die großzügigen Eigenanbauregelungen und die Höhe der erlaubten Besitzmengen. "Auch der Anteil von Importen und der Schwarzmarkt für Medizinalcannabis sind größer geworden - Entwicklungen, die zeigen, dass das Gesetz seine Ziele bislang verfehlt", beklagte der CDU-Politiker. Er fordert langfristige Verbesserungen am Gesetz.
Kritik von der Union: "Bärendienst für Verkehrssicherheit"
"Die Cannabis-Legalisierung der Ampel hat dem Jugendschutz und der Verkehrssicherheit in Deutschland einen Bärendienst erwiesen", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann der Augsburger Allgemeinen und findet damit deutlichere Worte.
"Die Suchtproblematik gerade bei jungen Menschen nimmt weiter zu", so Hoffmann. Der Bericht bestätigt dies nicht. Zwar gibt es Regelungen für die Umgebung und insbesondere nahe Bildungseinrichtungen ist das Kiffen verboten, doch laut Hoffmann hat es "vielerorts eine Sichtbarkeit erreicht, der sich auch Schülerinnen und Schüler nicht länger entziehen können", warnte er.
Ein weiterer großer Punkt für Hoffmann: Die Verkehrssicherheit sei durch Einfluss von Cannabis am Steuer zunehmend gefährdet. Auch Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will die Verbreitung von Cannabis einschränken, insbesondere online. Wer medizinisch auf Cannabis angewiesen ist, sollte weder Verordnung noch die Medikamente online bekommen, sondern wieder den Gang zum Arzt pflegen.