Wenn Cannabis deinen Alltag, deine Gesundheit oder deine Beziehungen beeinträchtigt, sind das klare Warnzeichen. Nimm sie ernst und such dir Unterstützung.
Dr. Smita Das hört oft denselben Mythos: Von Marihuana könne man nicht abhängig werden.
Dieser Irrglaube hat sich mit der Zeit verbreitet. Cannabis ist inzwischen die am weitesten verbreitete illegale Droge in Europa, so die Europäische Drogenagentur (EUDA).
Doch „Cannabis ist definitiv eine Substanz, von der man abhängig werden kann“, sagt Das, Suchtpsychiaterin an der Stanford University in den USA.
Die Diagnose heißt Cannabisgebrauchsstörung. Sie nimmt zu und betrifft laut den US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) etwa drei von zehn Konsumierenden.
Woran Sie erkennen, ob Sie selbst oder eine nahestehende Person abhängig von Marihuana sind, und welche Behandlungen es gibt.
So erkennen Sie eine Cannabisgebrauchsstörung
Wenn Marihuana Ihren Alltag, die Gesundheit oder Beziehungen beeinträchtigt, sind das Warnsignale.
„Je häufiger jemand konsumiert und je potenter das Produkt ist, desto höher ist das Risiko“, sagt Das.
Das Problem tritt häufiger auf, seit Cannabis in den vergangenen Jahren immer stärker geworden ist. In den sechziger Jahren enthielt das meiste Gras, das Menschen rauchten, weniger als fünf Prozent THC, den Wirkstoff, der berauscht.
Im Schnitt liegt der THC-Gehalt von in der Europäischen Union verkauften Blüten bei elf Prozent, bei Konzentraten bei 23 Prozent, so die EUDA.
Die Cannabisgebrauchsstörung wird wie jede andere Störung durch Substanzgebrauch diagnostiziert. Entscheidend ist, ob jemand die Kriterien erfüllt, die in der neuesten Ausgabe des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen festgelegt sind. Es ist der wichtigste Leitfaden für Fachkräfte der psychischen Gesundheit.
Dazu zählen, mehr Substanz zu brauchen, um die gleiche Wirkung zu erzielen, Entzugssymptome sowie der große Zeitaufwand für Beschaffung oder Konsum.
„Wenn wir es auf die Folgen des Konsums und diese Kriterien herunterbrechen, wird es für viele greifbarer“, sagt Das.
Welche Schweregrade es gibt
Haben Sie im vergangenen Jahr nur zwei Kriterien für eine Cannabisgebrauchsstörung erfüllt, sprechen Ärztinnen und Ärzte von einer leichten Form. Erfüllen Sie sechs oder mehr, gilt sie als deutlich schwerer.
Schätzungen zufolge waren 2019 rund 0,5 Prozent der EU-Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren von einer Cannabisgebrauchsstörung betroffen, zeigen internationale Daten.
Menschen können abhängig und zugleich süchtig nach Substanzen sein. Abhängigkeit ist körperlich, Sucht geht mit Verhaltensänderungen einher.
Marihuana wirkt jedoch nicht bei allen gleich. Die gleiche Menge kann den Alltag der einen Person „stark beeinträchtigen“, bei einer anderen aber keine Auswirkungen haben, sagt Das.
„Am Ende zählt: Wie sehr beeinträchtigt die Substanz die Funktionsfähigkeit und das tägliche Leben?“
Wo es Hilfe bei Cannabisgebrauchsstörung gibt
Viele Konsumierende kommen zunächst wegen etwas anderem zu Das, etwa wegen einer Alkoholgebrauchsstörung. Später, sagt sie, melden sie sich oft wieder und berichten dann von Problemen mit Cannabis.
Sie versichert, dass es wirksame Behandlungen für diese Störung gibt.
Eine heißt Motivational Interviewing, eine zielorientierte Beratung, die hilft, innere Motivation für Verhaltensänderungen zu finden. Eine weitere ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), eine Form der Gesprächstherapie. Sie hilft, negative Denkmuster zu hinterfragen und unhilfreiche Verhaltensweisen zu reduzieren.
Zwölf-Schritte-Programme wie Marijuana Anonymous können ebenfalls helfen, so Das. Ob mit Gruppe oder ohne: Sich auf ein Umfeld stützen zu können, in dem niemand konsumiert, ist für die Genesung wichtig.
Dave Bushnell, ein pensionierter leitender Kreativdirektor für Digitales, gründete vor 14 Jahren auf Reddit eine Gruppe für Menschen, die wie er eine Abhängigkeit von Cannabis entwickelt hatten und Unterstützung bei der Genesung suchten. Das Diskussionsforum zählt 350.000 Mitglieder und wächst weiter.
Bushnell, 60, sagt, Peer-Unterstützung sei für die Genesung entscheidend. Manche fühlten sich online wohler als im direkten Gespräch.
„Hier kümmern sich Kiffer um Kiffer“, sagt er.
Ärztinnen und Ärzte raten Betroffenen, sich Hilfe zu holen, ob bei Fachleuten oder in einer Selbsthilfegruppe.
Wie beim Alkohol gilt: „Nur weil etwas legal ist, ist es noch lange nicht sicher“, sagt Das.