Die EU will Wellen- und Gezeitenenergie bis 2030 ausbauen

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Die EU will Wellen- und Gezeitenenergie bis 2030 ausbauen
Copyright Euronews/Wavepiston
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Von Denis LoctierSabine Sans
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Die Europäische Union hat große Pläne für Wellen- und Gezeitenenergie: Sie soll bis 2030 in industriellem Maßstab genutzt werden. Die reichlich vorhandene und erneuerbare Meeresenergie soll Europa helfen, seine Energieversorgung zu verbessern.

Europa steht vor der dringenden Herausforderung, den Übergang zu nachhaltiger Energie zu schaffen. Der Ozean ist eine riesige, saubere, aber weitgehend ungenutzte Energiequelle. Mit seinen Wellen und Gezeiten, die mehr als 70% unseres Planeten bedecken, könnte der Ozean der Schlüssel zu unserer Energiezukunft sein.

Eine Hochdruckwasserleitung im Meer vor der Küste Gran Canarias ist Teil einer neuen Anlage, die die Kraft der Meereswellen nutzbar machen soll.

Die Hochdruckwasserleitung im Meer vor der Küste Gran Canarias
Die Hochdruckwasserleitung im Meer vor der Küste Gran Canariaseuronews

Michael Henriksen leitet die dänische Firma Wavepiston, die den Prototyp mit Unterstützung der Europäischen Union entwickelt hat. Das Gerät wird derzeit für eine Reihe von Tests unter realen Meeresbedingungen zusammengebaut, die das ganze Jahr über laufen sollen.

Die natürliche Bewegung der Wellen bewegt die Unterwasserplatten hin und her und pumpt Meerwasser in das Rohr. Das unter Druck stehende Wasser treibt dann eine Turbine an und erzeugt so saubere Energie zu erschwinglichen Preisen.

Die Unterwasserplatten sind beweglich und pumpen Meerwasser ins Rohr
Die Unterwasserplatten sind beweglich und pumpen Meerwasser ins Rohreuronews

"In den Wellen steckt viel Energie, aber es ist uns noch nicht gelungen, etwas zu entwickeln, das im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen wettbewerbsfähig ist. Offshore ist schwierig", so Michael Henriksen, Geschäftsführer und Gründer von Wavepiston. "Deshalb waren die niedrig hängenden Früchte die erneuerbaren Energien an Land. Jetzt bewegen wir uns in Richtung Offshore. Offshore-Windenergie ist auf dem Vormarsch, schwimmende Offshore-Windenergie ist auf dem Vormarsch und Wellenenergie ist auch auf dem Vormarsch."

Michael Henriksen, Geschäftsführer und Gründer von Wavepiston
Michael Henriksen, Geschäftsführer und Gründer von Wavepistoneuronews

Diese Methode ist bewusst einfach, aber effektiv und erspart teure Offshore-Reparaturen. Das an Land gepumpte Meerwasser dient zwei Zwecken: Es wird zur Erzeugung sauberer Energie genutzt und kann in Süßwasser umgewandelt werden - eine große Hilfe für Küstengebiete. Michael Henriksen:

"Wir hätten gerne die ersten Standorte relativ nah an der Küste, denn dann könnten wir für die Energieumwandlung direkt an die Küste gehen. Und mit diesem System ist wie man sieht das meiste unter Wasser, sodass die Aussicht nicht beeinträchtigt wird - ist es ein sehr unauffälliges System."

In einer Offshore-Forschungsanlage - Teil von PLOCAN, der Ozeanplattform der Kanarischen Inseln - werden die Komponenten zur Energieumwandlung und Wasserentsalzung für Tests installiert. Mit einem Kran wird der Reporter auf die Plattform gehoben, um sie uns aus der Nähe anzusehen. Testanlagen wie diese tragen dazu bei, dass Europa eine Vorreiterrolle bei den erneuerbaren Offshore-Energien einnimmt. Hier können innovative Unternehmen wie Wavepiston ihre Prototypen im echten Ozean testen. Sie haben alles, was sie brauchen: einen Anschluss an das Stromnetz, alle Arten von Instrumenten und Sensoren, um ihre Tests zu überwachen.

"Wir haben immer mehr Projekte, bei denen wir nicht nur verschiedene Technologien ausprobieren, um das Beste aus den Wellen, der Strömung oder anderen Arten der Energiegewinnung herauszuholen, sondern wir untersuchen auch, ob zum Beispiel die Korrosion, die hier auftritt - weil wir uns unter ozeanischen Bedingungen befinden - die Windräder angreift, oder wie die Sandstürme, die hier recht häufig auftreten, die Effizienz der Anlagen beeinträchtigen können", erklärt Tania Montoto Martínez, Projektmanagerin bei PLOCAN.

ania Montoto Martínez, Projektmanagerin bei PLOCAN
ania Montoto Martínez, Projektmanagerin bei PLOCANeuronews

Offshore-Energieanlagen müssen starken Stürmen standhalten, ohne zusammenzubrechen. Wavepiston verwendet Platten aus Polypropylen, einem Material, das stark gebogen werden kann, ohne zu brechen.

"Wenn die Kräfte, die Belastungen durch die Wellen zu groß werden, wie zum Beispiel bei Sturm, dann biegen sie sich ganz durch und das Wasser fließt einfach vorbei. Es ist also eine Art passives System, das auf sich selbst aufpasst und sich, wenn nötig, ausbiegen kann", so Michael Henriksen.

Die Energiegewinnung aus Wellen ist eine großartige Möglichkeit, sauberen Strom aus dem Meer zu gewinnen. Aber es ist nicht die einzige Methode.

Frankreich plant leistungsstärkste Gezeitenfarm der Welt

In den französischen Alpen, in der Nähe von Grenoble,sitzt HydroQuest: Das Unternehmen arbeitet mit Turbinen, die von Gezeitenströmungen angetrieben werden und Wasser in Strom umwandeln. Diese Methode funktioniert am besten an engen Stellen mit starken Strömungen - wie bei der Straße von Alderney in der Normandie. 

Dort plant HydroQuest den Bau der leistungsstärksten Gezeitenfarm der Welt - ein großer Schritt in Richtung saubere Energie, die sowohl zuverlässig als auch berechenbar ist. 

"Wir können die Bewegungen des Mondes und die Gravitationseffekte bei der Verformung der Gezeiten genau modellieren", erklärt Thomas Jaquier, Präsident von HydroQuest. "Wir wissen also genau, was passiert, vorausgesetzt, wir kennen das Gebiet und die Form des Meeresbodens. Wir können Jahrzehnte im Voraus die Geschwindigkeiten vorhersagen, die wir am Standort haben werden, und somit auch die daraus resultierende Stromproduktion."

Thomas Jaquier, Präsident von HydroQuest
Thomas Jaquier, Präsident von HydroQuesteuronews

HydroQuest hat seine Technologie in einem kürzlich durchgeführten Projekt namens TIGER demonstriert. Es wurde von der EU finanziert und zielte darauf ab, die Gezeitenströmungsenergie in der Region um den Ärmelkanal zu fördern. 

Ihre neueste Turbinenkonstruktion wird noch kompakter, leichter und umweltfreundlicher, so Thomas Jaquier:

"Wir sind davon überzeugt, dass wir über eine Technologie verfügen, die sowohl leistungsstark als auch robust ist und sich sehr gut für den Betrieb in stark turbulenten Strömungen eignet, wie es im Meer der Fall ist. Bei der Pilotanlage handelt es sich um ein 17,5-Megawatt-Projekt mit 7 Maschinen, die in einer Reihe auf einer Konzession in der Mitte der Straße von Alderney Race installiert wurde. Die Stromproduktion wird 41 Gigawattstunden pro Jahr betragen. Das ist genug, um etwa 8.000 Haushalte zu versorgen."

Die mächtigen Wellen und Gezeiten entlang der europäischen Atlantik- und Nordseeküste helfen Innovatoren, auf der Welle des europäischen Übergangs zu sauberen, lokalen Energiequellen zu reiten.

Veränderungen sind bereits in einigen Industriehäfen sichtbar, die Platz für weitere Meeresenergieprojekte bieten. Mehr als 120 Gruppen in diesem wachsenden Sektor werden von Ocean Energy Europe (OEE) vertreten - Wir treffen Rémi Gruet, den Leiter dieses Netzwerks, im Hafen von Viana do Castelo in Portugal. 

"Die gute Nachricht ist, dass wir viel Meer haben - Europa hat eine der längsten Küstenlinien der Welt", erklärt Rémi Gruet. "Wir haben herausgefunden, dass Wellen- und Gezeitenenergie zusammen etwa 10 % des derzeitigen Stromverbrauchs erzeugen können. Das mag wenig klingen, aber das ist genau das, was die Wasserkraft, die großen Staudämme an allen Flüssen in Europa, heute produziert."

Einige Gezeitenkraftwerke sind bereits in Betrieb, und es gibt auch bereits die ersten Wellenenergiekonverter im kommerziellen Maßstab - wie dieses Gerät von CorPower Ocean, das kürzlich auf einem Offshore-Testgelände in Portugal bewiesen hat, dass es heftigen Stürmen widerstehen kann und dabei erschwinglich bleibt. CorPower Ocean-Geschäftsführer Miguel Silva:

"Die meisten bisherigen Anlagen sind gescheitert, weil sie für den Worst Case gebaut werden müssen. Sie scheitern, weil sie zu teuer und zu schwer sind".

Die Auf- und Abwärtsbewegung der Boje passt sich ständig an, um die maximale Energie aus jeder Welle herauszuholen und gleichzeitig sicherzustellen, dass das Gerät keine Probleme bekommt, wenn die Wellen sehr hoch werden.

CorPower Ocean-Geschäftsführer Miguel Silva
CorPower Ocean-Geschäftsführer Miguel Silvaeuronews

"Dieses Konzept hat es uns ermöglicht, viele der grundlegenden Probleme im Zusammenhang mit Wellenenergie von Anfang an zu überwinden, angefangen bei der Belastbarkeit, aber auch bei der Verwendung von weniger Material, um das gleiche oder sogar ein besseres Ergebnis zu erzielen", so Miguel Silva.

Die Bojen aus Glasfaserverbundwerkstoff können direkt im Hafen hergestellt werden. Ein einfacher Schlepper reicht aus, um sie aufs Meer zu bringen. Sie können sogar in der Nähe von bestehenden Offshore-Windparks installiert werden, wobei die gleichen Unterwasserkabel verwendet werden. Mit immer mehr Wellen- und Gezeitenprojekten, die kurz vor der kommerziellen Nutzung stehen, steht die europäische Küstenwirtschaft in den kommenden Jahren vor einem großen Wandel.

"Es ist eine Zukunft, in der die Küsten nicht nur Strom produzieren, sondern auch Arbeitsplätze schaffen, weil all diese Technologien sehr einfach vor Ort produziert werden können", sagt OEE-Geschäftsführer Rémi Gruet. "Also ja - eine Mischung aus Wind- und Solarenergie, Gezeiten, Wellen, was auch immer - und dann haben wir ein dekarbonisiertes Energiesystem, das den Verbraucher mit preiswertem Strom dort versorgt, wo er ihn braucht."

OEE-Geschäftsführer Rémi Gruet
OEE-Geschäftsführer Rémi Grueteuronews

Die Europäische Union hat große Pläne für Wellen- und Gezeitenenergie und will diese bis 2030 in industriellem Maßstab nutzen. Die reichlich vorhandene und erneuerbare Meeresenergie soll Europa helfen, seine Energieversorgung zu verbessern.

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