Ein polnisches Start-up-Unternehmen bekämpft Umweltprobleme bei Textilien. Die auf Pilzen basierende Technologie soll helfen, Bekleidungsabfälle zu entsorgen und zu recyceln.
92 Millionen Tonnen Textilien landen jedes Jahr auf der Mülldeponie. Das polnische Start-Up Myco Renew schlägt eine Alternative vor: eine natürliche, kohlenstoffarme, pilzbasierte Technologie für das Recycling von Kleidung. "Wir bringen Pilzen bei, Kleidung zu essen", sagt Tomasz Mierzwa, Mitbegründer von Myco Renew, einem Biotech-Startup aus Polen. Ist das eine Revolution in der Größenordnung der Klimakrise?
Die grüne Revolution beginnt mit Pilzen
"Man schätzt, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens etwa zwei Tonnen Kleidung wegwirft. Alle acht Sekunden werden weltweit 24 Tonnen Kleidung weggeworfen. Das sind 92 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Europäische Union hat bereits reagiert: Ab diesem Jahr müssen die Mitgliedsländer die Textilabfälle trennen, und in fünf Jahren müssen mindestens 50 % davon recycelt werden", erklärt unser Gesprächspartner.
Das Unternehmen schlägt eine Lösung vor, die sich von den vorherrschenden Trends unterscheidet: statt energie- und chemieintensiver Recyclingmethoden eine mikrobiologische Technologie auf der Grundlage von Fadenpilzen.
"Die Pilze übernehmen den größten Teil der Arbeit für uns. Es handelt sich um ein energiearmes Verfahren, und die Abfälle, die danach übrig bleiben, müssen nicht deponiert werden, sondern können als Ökomaterial im Bauwesen oder in der Mode verwendet werden", fügt Mierzwa hinzu.
Vom Labor zur großtechnischen Anlage
Die Technologie von Myco Renew befindet sich derzeit auf Laborniveau (TRL3), aber dank des jüngsten Gewinns eines Förderwettbewerbs der ING Bank geht das Startup nun in die nächste Entwicklungsphase. "Wir bereiten uns auf die TRL4-Stufe vor und wollen innerhalb eines Jahres eine halbautomatische Testlinie einführen. Unser Ziel ist die Skalierung, so dass wir in einigen Jahren in der Lage sein werden, die Technologie in europäischen Städten einzusetzen", sagt Mierzwa.
Wie würde eine Anlage aussehen? "Letztlich würde die Anlage einer großen Müllverbrennungsanlage ähneln, aber anstelle von Rauch würden wir Ökomaterialien aus Pilzen herstellen. Wir wollen den lokalen Behörden sowohl eine schlüsselfertige Anlage als auch einen Bekleidungsaufbereitungsservice anbieten", erklärt er.
"Wir bringen Pilzen bei, Kleidung zu essen"
Das Geheimnis der Technologie ist das so genannte Pilzkonsortium - eine Reihe ausgewählter Mikroorganismen, die in Synergie arbeiten. "Den Pilzen wird beigebracht, verschiedene Arten von Textilien in der richtigen Reihenfolge zu fressen. Es ist nicht nur eine Spezies - es ist eine ganze Gemeinschaft, die natürliche und synthetische Kleidung in Rekordzeit abbaut", betont Mierzwa.
Auf der Berliner Fashion Week demonstrierte das Startup den Prozess der Zersetzung von synthetischen Stoffen, der normalerweise Jahrzehnte oder sogar Hunderte von Jahren dauert. "In unserem Fall hat es vier Wochen gedauert", betont er.
Ein Team mit wissenschaftlichem Hintergrund
Eine Schlüsselfigur bei Myco Renew ist Professor Catherine Turnau, eine weltweit anerkannte Spezialistin für Pilzökologie. Laut Stanford-Ranking gehört sie zu den 2 % der am häufigsten zitierten Wissenschaftler der Welt.
Sie hat die Ergebnisse ihrer Arbeit in mehr als 100 internationalen JCR-gelisteten Fachzeitschriften veröffentlicht. Und sie ist Mitautorin zahlreicher Kapitel in wissenschaftlichen Büchern, oft in renommierten Verlagen wie CRC Press und Springer.
Darüber hinaus hat Prof. Turnau an vier Patenten über die praktische Anwendung von Mikroorganismen mitgewirkt - die innovative Nutzung ihrer Forschung hat ihren Weg in die Praxis gefunden.
Dr. Vivek Dave vom MIT in Boston - ein Spezialist für die Skalierung von Deeptech-Projekten - wurde in den Beirat aufgenommen. Deren CTO hat modulare Kläranlagen unter Verwendung der japanischen Nanoblasen-Technologie entwickelt. Ebenfalls im Beirat vertreten ist die renommierte Designerin Ranita Sobanska, die u. a. Olympia-Kollektionen für 4F entworfen hat und mit anderen europäischen Modemarken zusammenarbeitet.
CEO Tomasz Mierzwa hat umfangreiche Managementerfahrungen in Deep-Tech-Unternehmen gesammelt, wo er die Ergebnisse seiner Forschungs- und Entwicklungsarbeit u. a. in Japan, den USA und China präsentierte. In den letzten zwei Jahren war er Direktor bei der Handelskammer für alternative Investmentgesellschaften, die über 100 VC-Fonds in Polen zusammengebracht hat.
Mode, Bauwesen, Energie - eine Quelle, viele Möglichkeiten
Die Technologie hat nicht nur im Abfallsektor ein großes Potenzial. Aus den Resten der sich zersetzenden Kleidung lassen sich Öko-Bausteine, Dämmstoffe oder moderne Stoffe wie atmungsaktives, bambusähnliches Material oder Öko-Leder herstellen: "Wir testen auch die Möglichkeit, den Abfall in Methan umzuwandeln - allerdings erst, nachdem unsere Pilze ihn zuvor von Giftstoffen gereinigt haben", erklärt Mierzwa.
Städte spenden Altkleider: London und Paris sind an der Reihe
Im Rahmen einer Aufklärungs- und Werbekampagne für die Myco Renew-Technologie hat das Start-up die Städte gebeten, ihre Altkleider symbolisch zu spenden. Unter anderem haben sich bereits Łódź, Warschau, Radom, Katowice und Gliwice an der Kampagne beteiligt.
"Am 5. August treffen wir uns mit dem Bürgermeister von Krakau, und über die Botschaften versuchen wir, den Bürgermeister von London und den Bürgermeister von Paris zu erreichen", sagt Mierzwa.
Von Polen bis Ghana - das globale Ausmaß des Problems
Das Startup hat auch Gespräche mit ghanaischen Vertretern aufgenommen. "Durch den Import von Kleidung aus Europa entstehen in Ghana illegale Müllhalden. Mikroplastik und giftige Farbstoffe sickern in den Boden und das Grundwasser. Wir wollen dort eine Anlage errichten, die nicht nur das Problem löst, sondern es auch europäischen Bekleidungsmarken ermöglicht, Ökogutschriften zu verkaufen", fügt Mierzwa hinzu.
Europa schaut zu - und manche investieren
Auch Risikokapitalfonds aus der Schweiz haben sich für die Lösung interessiert. "Wir wollen nicht von Subventionen leben, aber wir zeigen, dass unsere Technologie eine bessere Energiebilanz hat als das chemische Recycling. Und ein größeres kommerzielles Potenzial - allein schon durch die Möglichkeit, Öko-Materialien herzustellen", so Tomasz Mierzwa abschließend.
Können Pilze die Welt retten?
Das Start-up-Unternehmen hat keine Zweifel. "Es ist keine Alternative - es ist eine Notwendigkeit. Wenn wir nicht handeln, wird die textile Umweltbombe mit voller Wucht explodieren. Wir wollen bereit sein, bevor das passiert."
Wenn der Bekleidungssektor wettbewerbsfähig und ethisch einwandfrei bleiben soll, braucht er einen radikalen Paradigmenwechsel: weg vom Massenkonsum, hin zu Nachhaltigkeit und Verantwortung. Europa hat die Chance, weltweit die Richtung für die Mode der Zukunft vorzugeben - eine Mode, die den Planeten nicht im Namen von saisonalen Trends opfert.
Die Zeit wird zeigen, ob Polen das Zentrum der grünen Revolution in der Mode- und Abfallwirtschaftsbranche sein wird. Aber eines ist sicher: Pilze haben mehr zu bieten, als Sie vielleicht denken.