"Macron steht für die Überzeugung, dass wir durch die und mit der EU stärker sind".

"Macron steht für die Überzeugung, dass wir durch die und mit der EU stärker sind".
Von Euronews
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Interview mit Charles de Marcilly, Robert-Schuman-Stiftung.

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Im Großraum Brüssel sind über 80.000 französische Wählerinnen und Wähler registriert, die am Sonntag aufgerufen sind, ihre Stimme für den nächsten Präsidenten abzugeben. In der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen hat hier Emmanuel Macron klar gesiegt, mt 35% der Stimmen, seine Konkurrentin in der zweiten Runde, Marine Le Pen lag weit abgeschlagen auf Platz fünf, mit 7%.

Aber nicht nur die französische Gemeinde in Brüssel schaut auf ihr Heimatland, sondern auch die Institutionen der EU, die hier angesiedelt sind. Selten hat das Schicksal Europas eine so große Rolle bei nationalen Wahlen gespielt, selten war die Stichwahl so polarisiert.

Wir fragten Charles de Marcilly von der Robert-Schuman-Stiftung, wie das EU-Brüssel dieser Stichwahl gegenübersteht.

Charles de Marcilly:
Nun, das hat sich ja bereits gezeigt: zum ersten Mal überhaupt können wir beobachten, dass sie Präsidenten der Institutionen Stellung beziehen, und gleich nach der ersten Runde einen Kandidaten klar unterstützen. Das ist eine echte Neuheit. Normalerweise hält man sich da zurück und vermeidet die Parteinahme. Hier aber wurde klar für Emmanuel Macron Stellung bezogen – zum einen weil er ausgesprochen EU-freundlich ist, aber auch weil die Politik der anderen Kandidatin, Marine Le Pen, für sie inakzeptabel ist.

Euronews:
Sind diese zwei Sichtweisen auf Europa in der 2. Runde klar zum Vorschein getreten?

CdM
Ja, ich meine schon. Wir haben einerseits eine Rückkehr zum Nationalstaat, zur bloßen Verhandlung zwischen Nationalstaaten, wobei gar nicht klar ist, an welchem Tisch verhandelt werden soll. Das ist die Vision von Frau Le Pen.
Eine Rückkehr zum ECU und zum Franc, oder gar nur zum Franc, das scheint nicht so klar zu sein.
Und auf der anderen Seite haben wir eine ausgesprochen pro-europäische Vision.
Auf der symbolischen Ebene, einerseits die Kandidatin des Front National, die fordert, die Europaflagge vom Fernsehbildschirm zu entfernen, und auf der anderen Macron, der sogar vor dem Hintergrund dieser Flagge Wahlkampf macht, fast schon riskanterweise, möchte ich meinen.
Hinzu kommt ein Generationskonflikt, der sich auch in einem Konflikt der Weltanschauung und der Sicht auf die EU ausdrückt. Macron steht für die Überzeugung, dass wir durch die und mit der EU stärker sind.

Euronews:
Zugleich hat Marine Le Pen aber auch ihre Aussagen über Europa abgeschwächt, und spricht nicht mehr von einem sofortigen Austritt aus der Eurozone oder gar der EU. Geht sie damit im bürgerlich rechten Lager auf Stimmenfang?

CdM
Nicht nur dort, sondern auch bei der Linken, bei der neuen und der traditionellen Rechten, denn sie weiß, dass sie mit der radikalen Forderung nach einer Rückkehr zur Nationalwährung vor allem Ängste auslöst. Warum? Weil es Unsicherheit bedeutet. Die Alternative zum Euro ist alles andere als klar und nicht leicht zu verstehen.
Es gibt ja durchaus eine, wenn auch triviale, Zuneigung zum Euro. das ist nun mal das Geld, das man jetzt verdient, das man sich erspart hat, man weiß, wo es herkommt und wo es bleibt, nämlich bei der Bank.
Es gibt kein Appetit darauf, das aufs Spiel zu setzen. Und wenn es von Le Pens Leuten heißt, mit dem Franc könnt ihr euer Baguette bezahlen, aber an den Finanzmärkten bleibt es beim Euro, dann begreift jeder leicht, dass das Ganze Haken haben könnte.

Euronews:
Macron setzt ja sehr auf die politische Klasse Europas – vielleicht zu sehr?

de Marcilly:
Nun, da liegt genau der Hund begraben. Wenn man am kommenden Montag in Brüssel entweder mit einem Kater, oder einem Lächeln aufwachen wird, so kann selbst das Lächeln nur von kurzer Dauer sein. Denn wenn es Macron nicht gelingt, mit seiner unabhängigen Bewegung auch eine starke Präsenz im Parlament zu erringen, könnte es mit seinen Reformvorhaben schwierig werden. Bis zu den Parlamentswahlen wird er einerseits warten müssen, und sich zugleich nach Brüssel wenden, denn seine geplanten Reformen – des Arbeitsmarktes zumal, und in den Bereichen Wirtschaft und Freihandel, haben ja alle bedeutende europäische Dimensionen.
Aber wenn er einem abgeneigten oder gar feindlichen Parlament gegenübersteht, wird das Regieren schwer für ihn.

Euronews:
Hat sich denn die Einstellung der Franzosen zu den europäischen Institutionen verändert durch einen Kandidaten, der einen so offensiven pro-europäischen Wahlkampf gemacht hat?

de Marcilly:
Nun, die Franzosen erwarten allerdings schon auch, dass ihr Präsident die Stimme Frankreichs vertritt, und sich nicht einfach der EU unterordnet, wie man es bis zu einem gewissen Grad von Hollande gesehen hat. Als Beispiel fällt mir ein, etwa der polnischen Regierung ein für alle Mal klar zu machen, dass die EU nicht bloß ein Markt, sondern auch eine Wertegemeinschaft ist.

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