Belgische "Rote Teufel" schaffen nationales Bewusstsein

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Von Stefan Grobe
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Multiethnische Mannschaft Spiegelbild der belgischen Gesellschaft

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Die "Roten Teufel" haben es zwar nicht ins Endspiel geschafft, dennoch hat die belgische Fußball-Nationalmannschaft die Herzen ihrer Landsleute erobert.

Das ist an sich schon ein Phänomen, bedenkt man den Sprachen- und Kulturstreit zwischen Flamen und Wallonen.

"Noch zu Beginn des Jahrhunderts spielte der belgische Fußball international praktisch keine Rolle, und folglich gab es auch in der Bevölkerung keine Begeisterung", sagt David Jamar, Soziologe aus Mons.

"Heute gibt es belgische Fahnen in den Straßen, wenn die Mannschaft spielt. Das heisst, es gibt also bei den Menschen Unterstützung für ein nationales Team, wenn schon nicht für eine Nation."

In dieser Hinsicht hat das belgische Team altes Denken überwunden. Die Politik dagegen tut sich schwer.

"Es ist schwer vorstellbar, dass sportliche Erfolge eine Nation dauerhaft zusammenschweißen können. So haben die flämischen Nationalisten die Fußball-Resultate nicht kommentiert. Zu vermuten ist, dass sich die Politik am Ende durchsetzen wird."

Aber vielleicht auch nicht. Das Team von 2018 steht für den multikulturellen und multiethnischen Staat, der Belgien ist. Die Spieler sind Sinnbild von kolonialer Vergangenheit und heutiger Migrationswirklichkeit.

"Ein großer Teil der Spieler entstammt der Migration. Das gibt der Nationalmannschaft ein Gesicht der heutigen belgischen Gesellschaft. Andernfalls sollte man diese gelungene Integration auch nicht überschätzen. In Belgien wie in Europa gibt es nach wie vor Diskriminierung, etwa in der Arbeitswelt."

Die meisten der Fußballprofis spielen übrigens nicht in Belgien, sondern im Ausland, vor allem in der Premier League.

"Viel wird nun davon abhängen, ob die gesellschaftlichen Gruppen, die sich mit Migration und Rassismus beschäftigen, auf der Popularität der Mannschaft aufbauen und von ihr Nutzen ziehen können. Das würde etwa heißen, sich sehr genau die Spieler-Biografien anzusehen. Wie haben sie es etwa so weit gebracht trotz aller Diskriminierung? Geschieht das nicht, wird die Mannschaft ein inhaltsloses Symbol bleiben."

Die Mannschaft hat über Belgien hinaus große Sympathien gewonnen.

Vielleicht brauchte es einen spanischen Trainer, der ein nationales Team zu formen in der Lage war, ohne auf flämisch-wallonische Empfindungen Rücksicht zu nehmen.

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