Tichanowskaja: EU-Sanktionen gegen Regime in Minsk "nicht seriös"

Belarus-Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja bei der Entgegennahme des Sacharow-Preises im Europäischen Parlament in Brüssel
Belarus-Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja bei der Entgegennahme des Sacharow-Preises im Europäischen Parlament in Brüssel Copyright JOHN THYS/AFP or licensors
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Von Isabel Marques da Silva
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Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat bei der Entgegennahme des Sacharow-Preises die bisherige Haltung der EU zu Machthaber Lukaschenko als nicht ausreichend kritisiert. Es seien 82.000 Menschen in Haft und nur 80 Personen auf der Sanktionsliste.

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Nach dem Wahlbetrug in Belarus am 9. August führt Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja von ihrem Exil in Litauen aus den Kampf für freie Neuwahlen. Der starke Mann des Landes, Alexander Lukaschenko, räumte seine Niederlage keineswegs ein, sondern ließ Proteste gegen seine Wahl gewaltsam niederschlagen. Trotz der Freude, den diesjährigen Sacharow-Preis für geistige Freiheit bekommen zu haben, erklärte Tichanowskaja in einem Euronews-Interview, von den bisherigen EU-Sanktionen gegen das Regime in Minsk enttäuscht zu sein.

Es seien 32.000 Weißrussen im Gefängnis, und nur 80 Personen auf der EU-Sanktionsliste. Das sei einfach nicht seriös. Die Lage in Belarus sei furchtbar. Menschen seien gefoltert, vergewaltigt und in Haft mißhandelt worden. Angesichts dessen sei die EU-Reaktion absolut minimal zu nennen, man habe sich wirklich mehr erhofft.

Es gibt derzeit keinen Dialog zwischen dem Regime und der Opposition. So begrüßt Tichanowskaja den Vorschlag des Europäischen Parlaments, eine hochkarätige Gruppe von ehemaligen Staats- und Regierungschefs zu einer Mission nach Minsk zu entsenden.

Die Menschen in Belarus kämpften für dieselben europäischen Grundwerte. Daher appeliere sie an Brüssel, diesen Menschen dort zu helfen, indem die offiziellen Erklärungen und Entscheidungen so mutig seien wie der Kampf des Volkes von Belarus. Die EU-Staaten müssten allein oder als Union eine Dialog schaffen und nach unkonventionellen Möglichkeiten der Problemlösung suchen.

Tichanowskaja, Lehrerin, Mutter zweier Kinder und verheiratet mit einem politischem Gefangenen, bekam bei der Wahl im August offiziell nur zehn Prozent der Stimmen. Inzwischen ist sie zum Symbol der Freiheit in ihrem Land geworden, und sie verlangt baldige Neuwahlen.

Sie sei die Führerin der demokratischen Opposition in Belarus, so sagt sie, weil die Menschen sie dazu bestimmt hätten. Diese Menschen hätten sie zur Präsidentin gewählt, doch da sie dem Regime keine Wahlfälschung nachweisen könne, könne sie sich nicht zum Staatsoberhaupt ausrufen.

Was den Sacharow-Preis angehe, so fühle sie sich geehrt. Die Menschen in ihrer Heimat fühlten genauso und verstünden die damit einhergehende Botschaft. Der Kampf für die Demokratie sei lang, doch dieses Jahr sei anders, weil die Menschen in Belarus erwacht seien. Ihre Herzen und ihre Köpfe seien befreit worden.

Journalist • Stefan Grobe

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