In einem Interview mit Euronews versichert die ehemalige litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, dass Litauen weiterhin ein verantwortungsvoller Partner der Europäischen Union, der Ukraine und der NATO sein wird.
Litauen wird auch unter einer linken Regierung ein fester Partner der EU und Ukraine bleiben. Das sagte die ehemalige litauische Präsidentin und EU-Kommissarin Dalia Grybauskaitė in einem Gespräch mit Euronews.
"Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir jetzt eine Mitte-Links-Regierung bekommen", sagte Grybauskaitė. "Aber aus außenpolitischer Sicht sehe ich keine gravierenden Veränderungen. Es wird weiterhin ein verantwortungsvolles Verhalten gegenüber unseren Partnern geben, eine pro-europäische Haltung, eine pro-Nato-Haltung, eine pro-ukrainische Haltung. Vor diesem Hintergrund wird Litauen weiterhin ein guter Partner für die Europäische Union und unsere Partner sein."
In der ersten Runde der Parlamentswahlen lag die Mitte-Links-Partei der litauischen Sozialdemokraten (LSDP) an der Spitze, gefolgt von der Mitte-Rechts-Partei Vaterlandsbund – Christdemokraten Litauens (TS-LKD) der derzeitigen Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte.
Die zweite Runde ist für diesen Sonntag, den 27. Oktober, angesetzt. In der Mehrheit der Wahlkreise wird voraussichtlich eine der beiden Parteien gewinnen.
Die Sicherheit ist eines der Themen, die den Wahlkampf in Litauen geprägt haben, einem Land, das zur Ostflanke der NATO und der Europäischen Union gehört. Russlands Präsident Wladimir Putin möchte die eroberten Gebiete in der Ukraine behalten. Ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland unter dieser Bedingung würde Russland die Möglichkeit geben, einen Angriff auf andere Nachbarländer vorzubereiten, sagt Grybauskaitė.
"Wenn wir, die westlichen Länder und die NATO, es zulassen, dass die Ukraine nachgibt und diese Art von Kompromiss eingeht, bedeutet dies, dass der Westen versagt hat, dem terroristischen Staat an der Grenze zu widerstehen. Und es würde auch bedeuten, dass wir Russland die Möglichkeit geben, sich auf die nächste Aggression gegenüber seinen Nachbarn vorzubereiten", erklärte die ehemalige Präsidentin Litauens.
Die nächsten Opfer von Putin werden nicht unbedingt die baltischen Staaten sein, sagte Grybauskaitė. "Es könnte auch Moldau oder sogar Georgien sein", warnt sie. Die ehemalige EU-Kommissarin glaubt, dass der russische Präsident eine Gefahr für ganz Europa darstellen wird, solange er lebt.
"Es ist nicht nur Russland, sondern Putins Russland. Gerade weil Putin einen offenen Krieg gegen seine Nachbarn begonnen hat, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Bis zum Ende seiner Amtszeit wird er in einer mehr oder weniger intensiven Kriegsstimmung sein. Daher wird er immer eine Gefahr für die Europäische Union und für seine Nachbarn sein", so Grybauskaitė.
Die ehemalige litauische Präsidentin ist außerdem der Ansicht, dass die US-Wahlen auch Auswirkungen auf die Beziehungen zu Russland haben und die Europäische Union vor neue Herausforderungen stellen werden, unabhängig davon, wer am 5. November als Sieger hervorgeht.
"Mit der möglichen Wahl von Kamala Harris werden diese Herausforderungen in gewisser Weise darin bestehen, dass Europa mehr Verantwortung für die Verteidigung übernimmt und selbstbewusster auftritt. Mit dem möglichen Sieg von Donald Trump werden diese Herausforderungen so groß sein, dass wir keine Zeit haben werden, zu diskutieren und nachzudenken, sondern nur noch Entscheidungen zu treffen. Und unter diesem Standpunkt muss Europa eine sehr ernsthafte Haltung einnehmen, um schnell in die Verteidigungsindustrie und in militärische Fähigkeiten zu investieren, und der Entscheidungsprozess muss gestrafft werden", betonte sie. "Putin wird uns keine Zeit für Diskussionen geben."
Euronews hat mit Grybauskaitė in Portugal gesprochen. Dort hat sie am heutigen Freitag auf einer Estoril Konferenz an einer Podiumsdiskussion über Diplomatie und internationale Zusammenarbeit teilgenommen. Ihre Gesprächspartner waren der ehemalige Staatschef der Mongolei, Elbegdorj Tsakhia, und der ehemalige Ministerpräsident von Tunesien, Mehdi Jomaa.