Die EU-Außenminister sind in Brüssel zusammengekommen, um die rasanten Entwicklungen im Zusammenhang mit der russischen Invasion in der Ukraine zu erörtern. Es geht auch um den Verdacht, dass Moskau in China tödliche Drohnen produziert.
Die Außenminister der Europäischen Union sind in Brüssel zusammengekommen, um die rasche Abfolge von Entwicklungen im Zusammenhang mit Russlands Einmarsch in der Ukraine zu erörtern. Dazu gehören die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, die Beschränkungen für Langstreckenraketen aufzuheben, die Stationierung von schätzungsweise 10.000 nordkoreanischen Soldaten in der Region Kursk sowie der wachsende Verdacht, dass Moskau in China tödliche Drohnen zusammenbaut.
Das Treffen am Montag findet wenige Tage nach einem umstrittenen Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin statt, dem ein groß angelegter russischer Angriff auf das schwer beschädigte Stromnetz der Ukraine folgte.
Das Treffen steht unter dem Eindruck der jüngsten US-Präsidentschaftswahlen und des Sieges Donald Trumps, der plant, die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu überarbeiten. Trumps politisches Comeback schürt die Befürchtung, dass Europa mit seiner Unterstützung für das vom Krieg zerrissene Land bald allein dastehen könnte.
"Wir stehen vor einer völlig anderen Landschaft, und die Europäer müssen bereit sein zu handeln, ohne auf die Entscheidungen der USA zu warten", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Bezug auf die Rückkehr des Republikaners ins Weiße Haus.
"Russland greift weiter an, und wir müssen die Ukraine weiterhin bei der Verteidigung unterstützen."
Borrell begrüßte die Entscheidung von Präsident Biden, sein lange aufrechterhaltenes Veto fallen zu lassen und Kiew zu erlauben, von den USA gelieferte ATACMS-Raketen einzusetzen, um russischen Boden zu treffen. Borrell hat die Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, einen der führenden Geber von Militärgütern, wiederholt aufgefordert, diese Beschränkungen aufzuheben und der Ukraine vollen Handlungsspielraum zu geben. Borrells Versuche, eine EU-weite Position zu erarbeiten, sind jedoch gescheitert. Nun muss jedes Land im Alleingang handeln.
"Sie kennen meinen Standpunkt", sagte Borrell am Montag vor Reportern. "Die Ukraine sollte in der Lage sein, die Waffen, die wir ihr zur Verfügung stellen, nicht nur zum Stoppen der Pfeile, sondern auch zum Treffen der Bögen zu verwenden. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dies getan werden muss."
Annalena Baerbock, Deutschlands Außenministerin, die in dieser Hinsicht mehrmals mit Bundeskanzler Scholz gebrochen hat, um eine härtere Position gegenüber Russland einzunehmen, sagte, Bidens Kehrtwende sei "wichtig" und warnte davor, sie als ein "Umdenken" der westlichen Bemühungen zu sehen. Die Kehrtwende solle viel mehr als eine "Intensivierung dessen, was bereits geliefert wurde", gesehen werden.
"Das Recht auf Selbstverteidigung bedeutet, dass man nicht warten muss, bis eine Rakete ein Kinderkrankenhaus oder eine Schule oder einen ganz normalen Wohnblock trifft", sagte Baerbock.
Ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot erklärte, sein Land sei offen für die Idee, der Ukraine zu erlauben, militärische Ziele tief in Russland anzugreifen. Frankreich und das Vereinigte Königreich, die Kiew mit Storm Shadow-Marschflugkörpern beliefert haben, machten ihre Genehmigung von der Zustimmung der USA abhängig.
In China hergestellte Drohnen
Der litauische Abgeordnete Gabrielius Landsbergis schlug sehr kritische Töne an und erklärte, die derzeitige Strategie gegenüber der Ukraine sei "gescheitert", da die bisher an die Ukraine gelieferten Waffen die russischen Kräfte nur eindämmen und nicht zurückdrängen konnten.
"Frieden durch Deeskalation ist eine fehlgeschlagene und gescheiterte Strategie. Wir brauchen eine neue. Wir brauchen eine Strategie, die von Stärke ausgeht", sagte Landsbergis am Montagmorgen.
"Wenn ich von Stärke spreche, dann spreche ich von Waffen, dann spreche ich von einer wirklichen Aufhebung aller Beschränkungen (für Waffen) und einer wirklich erfolgreichen Strategie. Mit einer solchen Strategie könnten wir an einen Punkt kommen, an dem all die Telefonate, alles, einen Sinn ergeben würde."
Die belgische Abgeordnete Hadja Lahbib, der estnische Abgeordnete Margus Tsahkna, die rumänische Abgeordnete Luminiţa-Teodora Odobescu sowie der niederländische Abgeordnete Caspar Veldkamp betonten allesamt, dass sich die EU weiterhin voll und ganz für die Ukraine engagieren müsse. Daneben äußerten sie ernste Bedenken hinsichtlich der Rolle, die andere staatliche Akteure wie der Iran, Belarus, Nordkorea und China in dem Krieg spielen.
Diplomaten in Brüssel haben "überzeugende" Beweise dafür erhalten, dass Russland in der chinesischen Region Xinjiang eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen errichtet hat. Das würde es dem Kreml ermöglichen, die strengen westlichen Sanktionen zu umgehen. Die EU-Beamten untersuchen die Berichte noch, um den Umfang des russischen Waffenprogramms und den Grad der Beteiligung Chinas zu ermitteln.
"China sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies die europäische Sicherheit direkt betrifft", sagte Veldkamp und wies darauf hin, dass Sanktionen eine der Optionen sein könnten, die auf dem Tisch liegen, wenn sich der Verdacht auf in China hergestellte Drohnen bestätigt.
Peking hat die Berichte dementiert und betont, dass es Militärexporte "streng kontrolliert".
Neben dem Krieg in der Ukraine diskutieren die Außenminister am Montag über Borrells Vorschlag, einen politischen Dialog mit Israel wegen Verletzungen von Menschenrechten und Völkerrecht im Gazastreifen auszusetzen, was aufgrund der Einstimmigkeitsregeln kaum Aussicht auf Erfolg hat.
Das Treffen ist wahrscheinlich Borrells letzter Auftritt als EU-Außenbeauftrager, bevor er Anfang Dezember von Kaja Kallas abgelöst wird.