Die Kommission reagiert zurückhaltend auf die Ermittlungen gegen Ex-Kommissar Reynders und bestreitet, von den mutmaßlichen Machenschaften gewusst zu haben.
Die Europäische Kommission hat entschieden bestritten, Kenntnis von einem mutmaßlichen Geldwäschesystem gehabt zu haben, das Didier Reynders über Jahre hinweg betrieben haben soll – auch während seiner Amtszeit als EU-Justizkommissar. Zugleich erklärte sie ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den belgischen Ermittlungsbehörden.
Laut Berichten von "Follow The Money" und "Le Soir" soll Reynders Geldwäsche durch den Kauf von Lotterielosen sowie Bargeld unbekannter Herkunft betrieben haben. Die belgische Polizei hat den 66-Jährigen bereits vernommen und mehrere seiner Immobilien durchsucht. Bislang äußerte sich Reynders nicht zu den Vorwürfen. Die Höhe der möglicherweise gewaschenen Geldbeträge ist derzeit unklar.
Am Mittwoch sah sich die Kommission mit zahlreichen Fragen zu den Enthüllungen konfrontiert. Diese wurden bekannt, kurz nachdem Reynders am Wochenende mit Ablauf seiner Amtszeit aus dem Kommissarskollegium ausgeschieden war.
"Wir haben die Berichte in den Medien gesehen, die den ehemaligen Kommissar und Minister Didier Reynders betreffen. Uns liegen jedoch keine weiteren Informationen vor", erklärte ein Sprecher der Kommission. "Sollten die belgischen Behörden Kontakt zu uns aufnehmen, werden wir selbstverständlich kooperieren."
Laut dem Sprecher habe die Polizei bislang weder Informationen von der Kommission angefordert noch Durchsuchungen in deren Räumlichkeiten durchgeführt. Die Ermittlungen beziehen sich offenbar sowohl auf Reynders’ Zeit als Kommissar als auch auf seine frühere politische Tätigkeit in Belgien.
Nach Angaben von "Follow The Money" und "Le Soir" warteten die belgischen Behörden mit ihren Durchsuchungen, bis Reynders aus dem Amt ausgeschieden war. Während seiner Amtszeit genoss er Immunität, wie sie auch EU-Parlamentariern zusteht. Diese Immunität gilt jedoch nach dem Ausscheiden nur noch für Handlungen, die offiziell in Ausübung des Amtes vorgenommen wurden.
Politische Reaktionen und Kritik
Die Enthüllungen erschütterten Brüssel und fallen zeitlich mit dem Beginn der zweiten Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin zusammen. Von der Leyen hat die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit als eine ihrer Kernaufgaben definiert. "Die Rechtsstaatlichkeit zu fördern, wird unser täglicher Auftrag sein", erklärte sie in ihren politischen Leitlinien.
Dass ausgerechnet Reynders, der sich als Kommissar maßgeblich für die Rechtsstaatlichkeit einsetzte, nun ins Visier strafrechtlicher Ermittlungen gerät, bleibt auch seinen Kritikern in Polen und Ungarn nicht verborgen.
"Herr Rechtsstaat aus Brüssel ist derzeit nicht verfügbar, um Polen zu belehren, wie das Justizsystem funktionieren soll", schrieb Mateusz Morawiecki, Polens ehemaliger Premierminister, der während seiner Amtszeit umstrittene Justizreformen einführte, auf der Plattform X.
Kinga Gál, führende Europaabgeordnete der ungarischen Regierungspartei Fidesz, nannte die Vorwürfe gegen Reynders das "neuste Kapitel der Brüsseler Heuchelei". Sie forderte: "Brüssel sollte erst einmal vor der eigenen Tür kehren, bevor es die Mitgliedstaaten aus ideologischen Gründen angreift."
Auf die Frage, ob die Ermittlungen die Glaubwürdigkeit der Kommission in Rechtsstaatsfragen beeinträchtigen könnten, verweigerte ein Sprecher eine Stellungnahme.
"Wir werden den Ergebnissen der Untersuchung nicht vorgreifen", sagte er. "Derzeit haben wir keine weiteren Informationen."