Nachdem syrische Rebellen das Assad-Regime gestürzt haben, hat Russland an Einfluss in der Region verloren, meint Leiter des Präsidialamts der Ukraine, Andrij Jermak.
Vor gut zwei Wochen brachten syrische Rebellen das Regime von Baschar al-Assad zu Fall. Der langjährige Präsident Syriens suchte Zuflucht in Moskau, wo ihm Wladimir Putin Asyl gewährte – ein Signal für den Verlust russischen Einflusses in der Region.
Die Rebellion wurde mitunter von Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) angeführt. Deren Anführer Ahmad al-Sharaa, bekannt unter seinem früheren Namen Abu Mohammed al-Jolani, präsentiert sich heute als Staatsmann, der für Pluralismus und Toleranz wirbt. Er sucht aktiv den Dialog mit internationalen Partnern, zuletzt mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan.
Sein neuer Kurs wird jedoch international auch kritisch betrachtet, da viele aufgrund seiner Vergangenheit skeptisch bleiben.
Erstmals seit über zehn Jahren reiste eine US-Delegation nach Syrien, um mit al-Sharaa zu reden. Die Gespräche unter Leitung von Barbara Leaf, Roger Carstens und Daniel Rubinstein wurden als produktiv beschrieben. Doch Washington knüpft eine mögliche Anerkennung der Regierung an Bedingungen, wie Fortschritte beim Schutz von Minderheiten, der Terrorismusbekämpfung und einer inklusiven Regierungsbildung.
Die Rolle des ukrainischen Widerstands
Auch der Rückzug Russlands aus Syrien spielte eine zentrale Rolle beim Sturz des Assad-Regimes. Andrij Jermak, Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, schrieb in einem Wall Street Journal-Beitrag, wie der ukrainische Widerstand gegen Russland – gestützt durch US-Hilfen – zur Schwächung Moskaus und letztlich zum Ende des Assad-Regimes beigetragen hat.
Jermak argumentiert, dass die Unterstützung der Ukraine nicht nur Europas Sicherheit stärke, sondern auch Amerikas globale Interessen voranbringe.
Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine habe die militärischen und diplomatischen Kapazitäten des Kremls drastisch geschwächt.
Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlicht regelmäßig die Zahlen der russischen Verluste des vergangenen Tages. Insgesamt stieg die Zahl der gefallenen russischen Soldaten auf etwa 776.090. Die russische Panzerflotte wurde um sechs weitere Fahrzeuge dezimiert, sodass die Gesamtzahl der zerstörten oder eroberten Panzer nun bei 9.615 liegt.
Auch die Zahl der gepanzerten Truppenfahrzeuge stieg um 15 auf insgesamt 19.885. Im Bereich der Artilleriesysteme verzeichneten die russischen Streitkräfte einen Verlust von 29 Stück, womit ihre Gesamtzahl auf 21.252 stieg.
Verluste dieser Art führten laut Jermak dazu, dass Russland nicht mehr in der Lage war, seine Militärstützpunkte in Syrien – Tartus und Hmeimim – ausreichend zu versorgen oder Assad militärisch zu unterstützen.
Der Sturz Assads sei ein herber Schlag für Russlands Glaubwürdigkeit, so Jermak in seinem Beitrag für das Wall Street Journal.
"Verbündete wie der Iran oder autoritäre Führer weltweit müssten erkennen, dass Putin nicht in der Lage ist, seine Partner zu schützen. Darüber hinaus schwindet Russlands Einfluss in der Region, insbesondere in Afrika, wo es bislang von seiner Präsenz in Syrien profitierte."
Die geschwächte Unterstützung für Assad oder die Hisbollah untergräbt Russlands Fähigkeit, die NATO herauszufordern oder Einfluss in Nahost und Nordafrika auszuüben, so Jermak.
Zudem setze der Fall des Assad-Regimes ein Signal an andere autoritäre Verbündete Moskaus: Putins Unterstützung könne sich womöglich als wertlos erweisen.
Für Jermak ist der Krieg in der Ukraine nicht nur ein Kampf um nationale Souveränität, sondern auch ein strategisches Instrument, um die globalen Interessen der USA zu stärken.
Der Westen müsse diesen Moment nutzen, um Russland weiter zu schwächen und autoritäre Aggression weltweit einzudämmen, meint er. Der Fall Assads sei ein Beispiel dafür, wie die Unterstützung der Ukraine globale Sicherheitsfragen entscheidend beeinflussen könne.
Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, veröffentlichte ebenfalls einen Beitrag auf X, in dem er schrieb, dass die Ukraine an einer Stabilisierung der Lage in Syrien und der gesamten Region Interesse habe.
"Wir glauben, dass es für die Sicherheit des syrischen Volkes und der gesamten Region entscheidend ist, jegliche russische Präsenz aus Syrien zu entfernen. [...] Wir sind bereit, mit den Vertretern des syrischen Volkes zusammenzuarbeiten, um die Fehler des Assad-Regimes zu korrigieren, insbesondere gegenüber der Ukraine und ganz Europa", schreibt Selenskyj.
Folgen der russischen Intervention im syrischen Bürgerkrieg im Jahr 2015
Russlands Intervention in den syrischen Bürgerkrieg hatte für Moskau weitreichende Folgen. Im Wesentlichen ging es Putin darum, das US-geführte internationale System herauszufordern und die Aufrechterhaltung eines autoritären Regimes, wie es Assad repräsentierte, zu sichern, schreibt Anna Borshchevskaya für das Washington Institute.
Laut Borshchevskaya hatte die Intervention für Russland eine doppelte Bedeutung: Einerseits wollte Moskau verhindern, dass die USA ein weiteres autoritäres Regime stürzen, andererseits ging es um die Verteidigung der russischen Souveränität und die Stärkung der eigenen geopolitischen Position.
Durch die militärische Unterstützung von Assad konnte Russland die Kontrolle über den westlichen und zentralen syrischen Luftraum sichern und eine dauerhafte und ihre einzige Militärpräsenz im Mittelmeer etablieren.
Laut einem Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 2020 hat Russland während seiner jahrelangen Intervention wiederholt zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Schulen, Märkte und Wohngebiete in Syrien angegriffen.
Humanitäres Recht verlangt, zwischen zivilen und militärischen Zielen zu unterscheiden. Im Mai 2019, zum Beispiel, hat die russische Luftwaffe einer New York Times Recherche zufolge innerhalb 12 Stunden vier Krankenhäuser in Idlib angegriffen.