Noch der alte Bundestag soll in der kommenden Woche über die Grundgesetz-Änderung abstimmen, weil es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht, um die Schuldenbremse auszusetzen.
Bei den Sondierungsgesprächen haben sich CDU/CSU und SPD schon vor den Koalitionsverhandlungen auf spektakuläre Schritte geeinigt. Am Dienstagabend gab CDU-Chef Friedrich Merz bekannt, dass ein neues Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur und die Erhöhung der Ausgaben für Verteidigung beschlossen werden soll. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes", sagte Friedrich Merz.
Den Satz "Whatever it takes" hatte der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi 2012 gebraucht, um die Rettung des Euro in der Schuldenkrise zu erklären.
Grundgesetz-Änderung im alten Bundestag
Schon in der kommenden Woche soll jetzt noch der "alte" Bundestag über eine Grundgesetz-Änderung abstimmen, um die Schuldenbremse auszusetzen. Denn um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten notwendig - CDU/CSU und SPD brauchen die Stimmen von Grünen und FDP. Im Wahlkampf hatte Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen solchen Schritt nicht vorgesehen, aber die Union begründet ihr Vorgehen mit den weltpolitischen Ereignissen der vergangenen Tage wie dem Eklat in Washington.
An diesem Dienstag hatte Friedrich Merz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert.
Merz erklärte bei der Pressekonferenz mit den künftigen Koalitionspartnern in Berlin: "Deutschland und Europa müssen schnell ihre Verteidigungsfähigkeit stärken. CDU, CSU und SPD werden einen Antrag zur Grundgesetzänderung einbringen, damit Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP von der Schuldenbremse ausgenommen werden."
SPD-Chef Lars Klingbeil betonte neben den Investitionen in die Bundeswehr vor allem das große Investitionsproramm für Schulen, Kitas und Infrastruktur - das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro. Er sagte: "Dieses Land fährt an vielen Stellen auf Verschleiß. Damit ist es jetzt Schluss."
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag Katharina Dröge erklärte in der ARD, sie hätte sich gewünscht, dass Friedrich Merz vorher das Gespräch mit den Grünen gesucht hätte. Aber Kommunikation sei nicht seine Stärke. Dröge meinte, die CDU/CSU hätte auch das Gespräch mit der Linken suchen können, um das Sondervermögen mit der Mehrheit der frisch gewählten Abgeordneten im neuen Bundestag zu beschließen.
Der stellvertretende Chefredakteur der WELT, Robin Alexander, schreibt zu den Plänen: "Verteidigung weitgehend von Schuldenbremse ausgenommen plus 500 Mrd Sondervermögen Infrastruktur plus mehr Schulden in Landeshaushalten! Es ist staatspolitisch geboten. Aber wahr ist auch: Das ist näher an dem, was Scholz und Habeck im Wahlkampf vorschlugen, als an dem, womit Merz die Bundestagswahl gewann."
Spiegel-Journalist Markus Feldenkirchen kommentiert: "Was Union und SPD zur künftigen Finanzierung der Politik vereinbart haben, ist verantwortungsvoll. Absolut unverantwortlich war, was die künftige Kanzlerpartei im Wahlkampf zur Finanzierung gesagt hat. Das war offenbar bewusste Täuschung."
Harsche Kritik kommt von der rechtspopulistischen AfD, die im neuen Bundestag zusammen mit der Linken die Zwei-Drittel-Mehrheit blockieren könnte. Spitzenkandidatin Alice Weidel schreibt auf X: "Fast 1 Billion Euro neue Schulden zu Lasten der Steuerzahler, die er dann auch noch "Vermögen" nennt: Merz hat die Wähler mit jedem Wort im Wahlkampf belogen. Die AfD würde den Rotstift ansetzen - und Ausgaben nur noch im Interesse unseres Landes und unserer Bürger tätigen."
Auch der Bundesrat - also die Ministerpräsidenten der Länder - muss der Grundgesetz-Änderung zustimmen.