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Schießtraining an Schulen und Drachenzähne an der Grenze: Lettland bereitet sich auf Ernstfall vor

Schießtraining an Schulen und Drachenzähne an der Grenze: Lettland bereitet sich auf Ernstfall vor
Copyright  Euronews
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Von Hans von der Brelie
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Um sich vor bösen Überraschungen zu schützen, befestigen Polen und die baltischen Staaten ihre EU-Außengrenze mit Panzersperren und Minenfeldern. Militärübungen zwischen europäischen und NATO-Partnern intensivieren sich. Und Lettland hat “Militärstunden” als Pflichtfach an Schulen eingeführt.

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Im Nordosten des europäischen Kontinents entsteht eine der bestgeschützten Grenzen der EU! Denn Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland grenzen an Russland.

Ich bin unterwegs in Lettland, an der Außengrenze der Europäischen Union. Lettlands großer Nachbar Russland verbreitet Angst: Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befürchten viele Menschen in den baltischen Staaten, dass Moskau auch hier einen Überfall planen könnte. Gemeinsam haben Lettland, Estland und Litauen deshalb mit dem Bau der “Baltischen Verteidigungslinie” begonnen. Allein der lettische Teil der Grenzbefestigungen wird 303 Millionen Euro kosten. 

Vor einem verfallenen Stallgebäude stehen Dutzende Betonpyramiden, “Drachenzähne” genannt. Panzersperren! Damit schützt Lettland seinen Teil der EU-Außengrenze. 2028 soll sie “panzerdicht” sein. 

Nächste Station meiner Reportagereise ist der lettische NATO-Stützpunkt Ādaži. Hier üben 3000 NATO-Soldaten aus 14 Staaten den Ernstfall. Soeben hat der polnische Verteidigungsminister eine Aufstockung des Truppenkontingents angekündigt. Lagen die Verteidigungsausgaben Polens und der baltischen Staaten 2020 bei rund zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, werden es bald fünf Prozent sein.

Zurück in der Hauptstadt Riga: Zusammen mit Afghanistan-Veteran Andris unterrichten Roberts und Monika militärische Grundkenntnisse – an Schulen! An allen weiterführenden Schulen gibt es nun 112 Pflichtstunden Militärtraining. Rigas Fachschule für Tourismus hat als eine der ersten das Konzept umgesetzt. 

Agnija und Agnese finden die Wehrkunde inklusive Waffentraining gut: “Wir haben gelernt, uns im Gelände zu orientieren und uns im Wald mit Tarnfarbe unkenntlich zu machen”, zählt Agnija auf, “wir können auch Gewehrtypen unterscheiden.”

“Bei Geländeübungen haben wir Militärsprache gelernt, ‘Feind bei vier Uhr!’ und so was, auch das NATO-Alphabet”, ergänzt Schulfreundin Agnese. “Und wir haben alles über unsere Patrioten gelernt, die im Unabhängigkeitskrieg große Dinge vollbracht haben.” 

Agnese und Agnija haben Tourismus als Hauptfach und waren schon in Spanien und den Niederlanden. So etwas wie Schießtraining an der Schule - wenn auch nur mit Luftdruckpatronen - gibt es EU-weit derzeit nur in Lettland und Polen. Litauen überlegt ebenfalls, Wehrkunde an Schulen einzuführen. 

“Unsere Bevölkerung ist klein,” gibt Agnija zu Bedenken, “etwa 1.8 Millionen Menschen. Jeder Bürger sollte über militärische Grundkenntnisse verfügen.” Agnese stimmt zu: “Wir lernen das auch in der Praxis. Wenn etwas passiert, sind wir bereit.” Agnija ergreift wieder das Wort: “Angst habe ich keine, denn wir sind im Europaparlament und in der NATO. Wir werden geschützt - und wir schützen uns selbst.” Dann legt sie an, zielt kurz – ein Schuß ins Schwarze! Afghanistanveteran Andris ist zufrieden.

Ich habe einen Interviewtermin mit Verteidigungsminister Andris Sprūds. “Auf lettischem Boden befinden sich bereits mehrere Tausend verbündete Soldaten”, betont Sprūds. Die ausländische Truppenpräsenz werde ausgebaut. 

Euronews: “Ist die NATO-Abschreckung angesichts der Entwicklungen in den USA noch glaubhaft?”

Sprūds: “Die NATO ist glaubhaft. Washington sendet klare Signale, dass die Europäer ihre Militärausgaben steigern müssen. Das sind die richtigen Signale. Wir sollten Einigkeit, Stärke und Investitionsbereitschaft zeigen. Wir in Lettland geben bereits über drei Prozent unseres BIP für das Militär aus und bewegen uns Richtung fünf Prozent.”

Euronews: “Laut Analysen baltischer Geheimdienste besteht ein Risiko, dass Russland EU-Territorium angreifen könnte. Ihre Einschätzung?”

Sprūds: “Russland ist ein aggressives Land. Expansionistischer Imperialismus ist fest in seiner DNS verankert. Wir haben das in der Vergangenheit gesehen und das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so sein. Die beste Abschreckung besteht darin, dass wir unsere Hausaufgaben erledigen.”

Euronews: “Sollte die EU eine gemeinsame Armee aufbauen?”

Sprūds: “Die nationalen Streitkräfte koordinieren sich, so dass sie gemeinsam handeln können. Die NATO ist stark und quicklebendig. Die NATO muss als solche bewahrt werden. Die NATO muss tödlicher werden, wie es der neue US-Verteidigungsminister formuliert hat. Denn Stärke ist etwas, was Russland versteht. Wir müssen mehr tun in den Bereichen Rüstungsindustrie, Luftverteidigung, Drohnentechnik und Künstliche Intelligenz.”

Euronews: “Was ist Ihre Kernbotschaft an die EU?” 

Sprūds: “Das ambitionierte Wiederbewaffnungsprojekt der EU ist wichtig. Es geht dabei auch um ein gemeinsames Darlehens- und Zuschusssystem. Wir müssen auf nationaler und europäischer Ebene investieren. EU- und NATO-Territorium werden geschützt, jeder Quadratzentimeter. Deshalb hat der Schutz unserer Außengrenze oberste Priorität.”

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