Die Tiertafel in Berlin greift seit zehn Jahren bedürftigen Tierbesitzern unter die Arme. Hier bekommen sie kostenlos Tierfutter, Tierbedarf, Beratung und medizinische Versorgung für ihre Haustiere. Das Motto lautet: Für die Tiere, für die Menschen, gegen Einsamkeit.
Seit zehn Jahren bietet die Tiertafel in Berlin-Lichtenberg bedürftigen Tierhaltern kostenlos Futter, Tierbedarf, Beratung und medizinische Versorgung an. Hinter dieser sozialen Gemeinschaft steht Linda Hüttmann, eine ehemalige Teamleiterin eines Berliner Sozialamtes.
Die Tiertafel ist auch eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die in Not geraten sind und sich in einer finanziell schwierigen Situation befinden, die durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, körperliche oder geistige Behinderung, Alter oder Zusammenbruch der Familie verursacht wurde. Armut geht oft mit Einsamkeit einher und dann ist das Haustier wichtiger als je zuvor. Wenn das Geld knapp wird, leidet nicht nur der Mensch, sondern auch der beste Freund des Menschen.
Linda Hüttmann erklärt, dass sie in den letzten Jahren bei den Menschen, die zur Tiertafel kommen, eine deutliche Zunahme der allgemeinen Armut festgestellt hat. Der Anstieg der Lebenshaltungskosten, Covid und die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft haben maßgeblich dazu beigetragen. Ist es mittlerweile Luxus, ein Haustier zu haben?
"Viele der Menschen, die hierher kommen, leben allein, sind einsam oder von Einsamkeit bedroht. Und deshalb spielt ihr Haustier für sie eine sehr wichtige Rolle. Und wenn man sich vorstellt, ein Familienmitglied wegzugeben, dann kommt das natürlich nicht in Frage. Wenn eine so tiefe Bindung zu dem Tier besteht, und das Tier für das eigene seelische Wohlbefinden wichtig ist, kommt es nicht in Frage, es wegzugeben. Da gönnen sich die Menschen sozusagen den Luxus, das Tier zu behalten," so Hüttmann.
Nach Angaben der Stiftung Warentest sind die Preise für Katzen- und Hundefutter deutlich gestiegen: "Im März 2024 lagen sie rund 35 Prozent über dem Jahresdurchschnitt von 2020."
Stefan hat einen Hund namens Buddy und eine Katze namens Tiger. Die Katze fand er in der Nähe einer Autobahn, sie wurde wahrscheinlich ausgesetzt. Beide Tiere nimmt er so oft wie möglich mit nach draußen, das Trio liebt Spaziergänge.
Stefan war arbeitslos, in dieser Zeit gaben Buddy und Tiger ihm viel Halt. Er ist der Tiertafel sehr dankbar: "Man kann es gar nicht beschreiben. Ohne die Tiertafel hätte ich die Tiere aufgeben müssen. Weil ich es nicht geschafft hätte, was das Geld angeht, hätte ich es nicht geschafft. Ich hätte hungern müssen und die Tiere hätten etwas zu essen gehabt. Oder ich hätte essen müssen und die Tiere hätten hungern müssen... ich bin der Tiertafel dankbar. Deshalb komme ich an den Wochenenden hierher und helfe auch mit."
Stefan hat mittlerweile eine Umschulung absolviert und arbeitet jetzt als Gabelstaplerfahrer. Auf die Frage, wie wichtig die Tiere für ihn sind, antwortete er: "Eigentlich sind sie sehr wichtig. Wichtiger als alles andere. Sie sind meine Babys, meine Kinder."
Die Berliner Tiertafel finanziert sich überwiegend durch Spenden. Organisationen und Bürger spenden Tierfutter und Haustierzubehör. Es gibt auch viele Freiwillige, die mit anpacken. Viele melden sich, weil sie tierlieb sind und gerne Menschen mit Haustieren helfen wollen. Noch gibt es eine öffentliche Förderung durch das Land Berlin. Aufgrund massiver Kürzungen bei sozialen Projekten könnte dieser Landeszuschuss für die Tiertafel jedoch zum Ende dieses Jahres wegfallen. Die Berliner Tiertafel hatte bereits in diesem Jahr Probleme, ihre Miete zu bezahlen. Ohne Räumlichkeiten kann die Tiertafel nicht existieren, sie braucht einen Lagerraum und vor allem auch einen Ort, wo alle hinkommen können. Es geht nicht nur darum, Tierfutter abzuholen, sondern auch um den Austausch mit anderen Menschen, Austausch, der für viele viel zu selten ist.
Jeanette kommt mit ihrer acht Jahre alten Hündin, die von ihrem früheren Besitzer misshandelt wurde. Sie ist seit seit zwei Jahren auf die Hilfe der Berliner Tiertafel angewiesen. Kira hat Allergien und kann nur bestimmte Futtersorten fressen. Jeanette erklärt, dass sie sich all diese zusätzlichen Tierarztkosten nicht leisten kann. "Es ist so wichtig, dass es solch eine Einrichtung für uns alle hier gibt. Denn es gibt leider viele, die kranke Tiere mit schlechter Gesundheit haben, oder wo die Tiere inzwischen sehr alt sind."
Das kann auch Holger bestätigen. Nachdem sein letzter Hund gestorben war, wollte er keinen neuen, doch ein Freund überzeugte ihn und so nahm er vor 13 Jahren die Hündin Chanel auf. Er ist Rentner mit Enkelkindern, aber er hat sich sehr an Chanel gewöhnt, die aufgrund einer Erbkrankheit vor acht Jahren erblindete und vor zwei Jahren auch taub wurde. Er möchte für Chanel sorgen, denn sie hat ihm im Laufe der Jahre so viel gegeben.
Viele der Tierhalter haben eine Behinderung oder leiden an einer Krankheit, dann kommt noch die Armut hinzu und all das führt dazu, dass sie sehr oft unter Einsamkeit leiden. Trotz dieser Schwierigkeiten kümmern sie sich um ihr Haustier. Sie finden bei der Tiertafel neben den Vierbeinern auch Menschen, mit denen sie sich austauschen können. Der erste schwierige Schritt ist dabei immer, zu merken, dass man Hilfe braucht.
Linda Hüttmann zufolge spüren sie und ihrer Mitarbeiter die Dankbarkeit der Menschen, das motiviere.
Die Berliner Tiertafel teilte Euronews mit, dass monatlich bis zu 500 Tierhalter ihre Einrichtung nutzen. Unter den Menschen, die zur Tiertafel kommen, sind auch viele Berufstätige, deren Einkommen einfach nicht ausreicht, besonders am Ende des Monats. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sie bei der Tafel Lebensmittel besorgen und bei der Tiertafel Tierfutter.
Hilfe von der Tiertafel bekommen ausschließlich Menschen, die wirklich bedürftig sind. Die Mitarbeiter lassen sich einen Bescheid über den Bezug von Bürgergeld, Grundsicherung oder Rente vorlegen. Bei Berufstätigen mit Einkommen wird nach einem Gehaltsnachweis gefragt. Da orientiert sich die Tiertafel an der Pfändungsgrenze. Wer darunter verdient, wird als hilfebedürftig eingestuft.
Armut isoliert. Haustiere als treue Freunde können dann wichtiger als je zuvor sein. Das ist kein Luxus, sondern erfüllt ein Grundbedürfnis, denn die Vierbeiner sorgen auch dafür, dass ihre Besitzer etwas haben, um das sie sich kümmern können. Sie sorgen dafür, dass sie rausgehen, Kontakt suchen und letztendlich den Anschluss nicht verlieren.