Das falsch untertitelte Video zeigt einen Protest gegen ein umstrittenes Anti-Korruptionsgesetz, das Selenskyj inzwischen zurückgenommen hat, und nicht etwa eine Demonstration gegen den Präsidenten selbst.
Prominente Persönlichkeiten verbreiten in den sozialen Medien ein Video, das ihren Angaben nach zeigt, wie sich Ukrainerinnen und Ukrainer versammeln, um gegen den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinen Umgang mit dem Krieg Russlands gegen ihr Land zu protestieren.
So postete beispielsweise Marjorie Taylor Greene, eine rechte US-Abgeordnete der Republikaner, das Video auf X und erklärte, dass in Kyjiw große Proteste gegen Selenskyj ausgebrochen seien, weil er ein Diktator sei und sich weigere, Frieden mit Moskau zu schließen".
Außerdem fordert sie die Ukrainer auf, Selenskyj aus dem Amt zu jagen, und fordert die USA auf, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen.
Jede ihrer Behauptungen ist jedoch kategorisch falsch: Zunächst einmal zeigt uns eine umgekehrte Bildersuche von Standbildern aus dem Video dessen wahre Natur.
Die Bildersuche führt uns zu zahlreichen seriösen Nachrichtenberichten, aus denen hervorgeht, dass die Proteste zwar tatsächlich erst kürzlich in Kyjiw stattfanden, sich aber nicht gegen Selenskyj richteten. Vielmehr richteten sie sich gegen ein umstrittenes Gesetz, das die ukrainischen Korruptionsbekämpfungsbehörden geschwächt hätte.
Die Kritiker argumentierten, dass das Gesetz die Unabhängigkeit des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung SAPO) gefährde, da sie von dem politisch ernannten Generalstaatsanwalt abhängig würden.
Selenskyj argumentierte damals, dass das Gesetz die Behörden vor russischer Unterwanderung schützen würde, nachdem NABU-Beamte wegen des Verdachts auf Verbindungen zu Russland festgenommen worden waren.
Der Schritt löste landesweit Proteste aus, weil man befürchtete, dass dadurch der politische Einfluss auf eigentlich unabhängige Ermittlungen zunehmen würde. Die Bevölkerung forderte Selenskyj auf, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen.
Der Gesetzentwurf zog auch die Aufmerksamkeit Brüssels auf sich: Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, forderte Selenskyj auf, eine Erklärung für das Gesetz abzugeben. Das EU-Beitrittsgesuch der Ukraine hängt von einer Reihe verschiedener Kriterien ab, unter anderem von einer verstärkten Korruptionsbekämpfung.
Selenskyj hat als Reaktion auf die Proteste und nach seinen Gesprächen mit von der Leyen inzwischen einen Rückzieher gemacht. Er hat einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Freiheit der Korruptionsbekämpfungsbehörden wiederherstellt und erklärt, dass er Recht und Ordnung stärkt und die Unabhängigkeit von NABU und SAPO garantiert.
"Es ist wichtig, dass wir die Einheit bewahren", sagte der Präsident.
Die Behauptung von Marjorie Taylor Greene, Selenskyj sei ein Diktator, entbehrt jeder Grundlage und wurde bereits mehrfach widerlegt. Denn der Präsident wurde mit deutlicher Mehrheit demokratisch gewählt, und in der Ukraine herrscht jetzt aufgrund der russischen Invasion das Kriegsrecht, das Wahlen verbietet.
Außerdem hat Selenskyj den Frieden mit Russland nie abgelehnt. Stattdessen hat er sich stets um Friedensgespräche mit Moskau bemüht. Er hat sich gegen die seiner Meinung nach unangemessenen Forderungen gewehrt, die die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine untergraben.