Covid-19: Welchen Einfluss hat die Pandemie auf die Mobilität?

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Von James March
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Die Coronakrise hat das Nachdenken über neue Mobilitätskonzepte und ihre Umsetzung beschleunigt.

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Allierte Bombenangriffe haben den Potsdamer Platz während des Zweiten Weltkriegs zerstört, während des Kalten Kriegs war grauer Beton vorherrschend.  Dann hat sich der Platz aus den Trümmern erhoben und wurde einer der belebtesten Verkehrsknotenpunkte der Stadt - und Europas -

Und während die großen alten Hotels aus der Jahrhundertwende durch glänzende Wolkenkratzer ersetzt wurden, scheint der Verkehrsfluss im Sommer 2021 so stark wie immer zu sein.

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Potsdamer Platz - Berliner Skyline bei NachtFoto: Canva

Aber ist alles so, wie es scheint?

Wo die Mobilität am stärksten betroffen ist

Als unsere Bewegunsfreiheit im März 2020 durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie praktisch vollständig zum Erliegen kam, wurden lang unter den Teppich gekehrte Fragen zur Mobilität zum Brennpunkt.

Die Sorge um das Klima und die Frage, wie die Menschen zusammenleben und sich fortbewegen wollen, wurden zu Themen, die man nicht ignorieren konnte. Städte standen im Mittelpunkt dieser Fragen.

"Die Pandemie hatte enorme Auswirkungen auf die Mobilität", sagt Prof. Dr. Meike Jipp, Direktorin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

"Wir haben hier in Deutschland einen immensen Rückgang der Mobilität beobachtet, sowohl was die gefahrenen Kilometer pro Tag angeht, als auch die Anzahl der Fahrten pro Tag."

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Eine S-Bahn verlässt den Berliner HauptbahnhofFoto: Canva

Sie glaubt, dass der öffentliche Verkehr einer der Bereiche sein wird, der am stärksten von der Pandemie betroffen sein wird.

"Vor der Pandemie fuhr man mit dem Auto bis zum nächsten Bahnhof und nahm dann den Zug, um in die Stadt zu fahren. Wenn das Ihr Routineverhalten war, würden Sie heute einfach das Auto nehmen, um in die Stadt zu fahren", so Jipp.

"Das Auto ist eigentlich der Gewinner der Pandemie, zusammen mit dem Fahrrad, und der große Verlierer ist der öffentliche Verkehr und die Luftfahrt.

Die Menschen entscheiden sich also für die Mobilität mit einzelnen Verkehrsmitteln - sie haben Angst, krank zu werden oder sich anzustecken. Das war die große Veränderung, und sie hält noch immer an."

Anfang dieses Jahres wurde in einer weltweiten Umfrage der Transit-App Moovit gefragt, wie sich Covid-19 auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgewirkt hat. Dabei stellte sich heraus, dass bis zu einem Drittel der Menschen in einigen Städten wegen der Pandemie keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen.

"Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie wir das Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgewinnen können oder wie wir die Menschen motivieren können, ihr Fahrrad zu benutzen", sagte Jipp. "Es gibt viele Menschen, die das Fahrrad benutzen könnten, um irgendwohin zu fahren, aber derzeit benutzen sie ihr eigenes Auto."

Wie die Pandemie europäische Städte zu einer umweltfreundlicheren Mobilität antrieb

In gewisser Weise ist das Auto tatsächlich ein Gewinner der Pandemie, aber langfristig scheint es ein Auslaufmodell zu sein, da Städte in ganz Europa in den kommenden Jahren umweltfreundlichere Mobilitätskonzepte anstreben.

Barcelona zum Beispiel plant die Umwandlung von 21 Straßen - insgesamt etwa 33 km - in Grünflächen mit mehr Platz für Fußgänger und zusätzlicher Fahrradinfrastruktur.

Obwohl sich einige örtliche Unternehmen darüber beschwert haben, dass es für Lieferfahrer nun schwieriger ist, ihr Ziel zu erreichen, argumentiert Barcelonas Chefarchitekt Xavi Matilla, dass die Pandemie gezeigt hat, dass, wenn die Städte nicht grüner werden, mehr Menschen in ländliche Gebiete mit besserer Luftqualität abwandern werden.

"Die Pandemie hat wie ein Vergrößerungsglas gewirkt, das uns vor Augen geführt hat, dass die Gesundheit einer der zentralen Aspekte bei der Verwaltung und Planung der Stadt sein sollte", so Matilla.

Paris ist eine weitere europäische Großstadt, die angesichts der Besorgnis über die Emissionen, die durch die Auswirkungen der Pandemie noch beschleunigt wurde, Veränderungen vorgenommen hat.

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Ausleih-Fahrräder in ParisFoto: Canva

"Ich denke, der große Trend in Europa wird sein, dass es Städte geben wird, in denen das Auto keine Rolle mehr spielt", sagte Ross Douglas, Gründer und Geschäftsführer von Autonomy Paris, einer globalen Veranstaltung zum Thema nachhaltige urbane Mobilität.

Douglas verwies darauf, wie sehr sich die französische Hauptstadt auf Fahrradwege konzentriert hat.

"Paris hat sich in diese Richtung bewegt, und zwar mit einer sehr einfachen Veränderung der Infrastruktur, nämlich den Radwegen. Man hat 150 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur investiert, und in den vergangenen zwei oder drei Jahren hat der Fahrradverkehr um 50 Prozent zugenommen", sagte er.

"Paris möchte, dass die Menschen aktiv zu Fuß gehen und mit dem Fahrrad auf den Straßen unterwegs sind."

Mobilität jenseits von Elektrofahrzeugen

Trotz der zunehmenden Beliebtheit von Elektrofahrzeugen und ihrer offensichtlichen Vorteile gegenüber herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor ist Douglas der Meinung, dass die Ära des Autos bald vorbei sein wird.

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"Die Regierungen werden versuchen, die Kohlenstoffemissionen durch eine Veränderung der persönlichen Mobilität zu reduzieren. Und das wird einen enormen Druck auf die Menschen ausüben, umzusteigen", sagte er.

"Ich denke, wir werden zunächst eine Verlagerung von Autos mit Verbrennungsmotor hin zu Elektroautos sehen - so wie wir es jetzt schon sehen -, aber dann werden wir eine Verlagerung und einen Druck weg vom Autobesitz sehen, denn selbst ein Elektroauto hat einen hohen Kohlenstoff-Fußabdruck im Herstellungsprozess."

Auch wenn der Gedanke, ganz auf das Auto zu verzichten, weit hergeholt klingt, könnte Douglas Recht haben, wenn sich Konzepte wie die "15-Minuten-Stadt" durchzusetzen beginnen.

Das Konzept der 15-Minuten-Stadt wurde von Professor Carlos Moreno von der Sorbonne entwickelt. Das Konzept sieht vor, dass alle wichtigen Anlaufstellen für die BürgerInnen innerhalb von ca. 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen sind - ein Gegenmittel gegen dysfunktionale Aspekte des Stadtlebens wie lange Pendelwege, laute Straßen und ungenutzte Räume.

"Wir müssen die Präsenz von Autos auf den Straßen reduzieren", sagte Moreno. "Die Pandemie hat uns dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie wir uns anders bewegen, anders konsumieren und anders leben können."

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Dieser Artikel ist Teil der Mobilitätswoche auf Euronews. Vom 13. bis 17. September 2021 berichten wir über Trends, die die Zukunft der Verkehrssysteme und der persönlichen Art der Fortbewegung bestimmen. Weitere Berichte finden Sie hier.

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