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EU-Gipfel in Berlin: Was passiert, wenn Google Europa den Stecker zieht?

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Von Sonja Issel
Zuerst veröffentlicht am Zuletzt aktualisiert
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Europa ist digital abhängig von wenigen US-Tech-Riesen. Politiker fürchten im Ernstfall einen "digitalen Blackout". Beim Gipfel in Berlin soll nun ein Kurswechsel eingeleitet werden - sogar Macron reist an.

Die EU hat ein Problem mit Abhängigkeiten: Von Energie aus Russland über sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA bis hin zur Medikamentenabhängigkeit von China. Auch im digitalen Bereich sieht es nicht anders aus. So entfallen beispielsweise 88 Prozent der gesamten Nutzungszeit bei Suchmaschinen in Deutschland auf Google. Ähnlich dominant ist Microsoft Office, das auch in staatlichen Behörden und medizinischen Einrichtungen weit verbreitet ist.

Dass wir großflächig auf derartige Softwares und Programme zurückgreifen mache uns erpressbar, wie Pamela Krosta-Hartl, Geschäftsführerin des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS), Euronews erklärt.

Um das zu ändern, treffen sich am heutigen Dienstag Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu dem sogenannten Gipfel für digitale Souveränität; darunter Anne Le Hénanff, Beauftragte Ministerin für Künstliche Intelligenz und Digitales aus Frankreich und Henna Virkkunen, Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie der europäischen Union - sogar Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reist an. Insgesamt werden rund 900 Teilnehmende erwartet.

Doch was genau bedeutet digitale Souveränität? Und inwiefern sind Bürger im Privaten von diesem Thema betroffen? Ein Blick hinter den sperrigen Begriff.

Souveränität als neue Tugend

Etwaige Abhängigkeiten von anderen Ländern zu verringern, steht seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine mit ganz oben auf der Day-to-day-Agenda von europäischen Politikern - die Zäsur dieses Krieges scheint ein neues Bewusstsein für die Gefahren von Interdependenz geschaffen zu haben.

Im Falle der digitalen Souveränität besteht jedoch noch großer Handlungsbedarf.

"Die Kontrolle über unsere digitalen Infrastrukturen liegt weitgehend in der Hand weniger US-Großkonzerne", so Krosta-Hartl.

Genau diese digitalen Infrastrukturen halten unser Land am Laufen - sei es die Software, die in der Polizeiarbeit benötigt wird, oder Anwendungen, die in Krankenhäusern und Bürgerämtern zum Einsatz kommen.

Heißt: Im schlimmsten Fall droht Deutschland und Europa eine Art "digitaler Blackout".

Behörden könnten nicht auf E-Mails zugreifen, Dokumente nicht bearbeiten, interne Systeme würden stillstehen. Auch Krankenhäuser, Verwaltungen oder Sicherheitsbehörden wären in ihrer Arbeit stark eingeschränkt. Das gesamte öffentliche Leben wäre nach kurzer Zeit lahmgelegt.

Einzelne Unternehmen - meist in den USA ansässig - hätten also die Macht, Deutschland innerhalb kurzer Zeit als Staat handlungsunfähig zu machen.

Die Geopolitik hinter den Codes

Brisant ist das nicht nur, weil diese Macht bei einigen wenigen Marktmonopolen liegt - sondern auch, weil diese Unternehmen zu geopolitischen Spielfiguren werden könnten.

Wie sehr beispielsweise die US-Tech-Giganten dem US-Präsidenten nahestehen, zeigte sich erneut Anfang September: US-Präsident Donald Trump hatte die Chefs der großen amerikanischen Tech-Konzerne zu einem Abendessen ins Weiße Haus geladen. Mit dabei waren unter anderem Meta-Chef Mark Zuckerberg, Microsoft-Gründer Bill Gates, Apple-Chef Tim Cook sowie Sam Altman, Chef von OpenAI, der Entwicklerfirma von ChatGPT, und viele weitere.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club erklärte dem WDR kürzlich dazu: „Die US-Konzerne haben sich sehr eng an den Präsidenten angeschmiegt. Sie haben seinen Wünschen - obwohl sie das rechtlich nicht immer mussten - bereits mehrfach nachgegeben.“

Jenseits persönlicher Kontakte spielt auch die wirtschaftliche Verflechtung eine Rolle: Meta und Apple investieren massiv in den USA. Meta plant laut Zuckerberg Investitionen von mindestens 600 Milliarden Dollar bis 2028.

"Im Worst Case könnten US-Techkonzerne angewiesen werden, Cloud-Dienste in Europa abzustellen oder Wirtschaft und Verwaltung nicht mehr mit sicherheitsrelevanten Updates zu versorgen. Wenn das passiert, sind wir innerhalb kurzer Zeit nicht mehr handlungsfähig", wie ZenDis-Geschäftsführerin Krosta-Hartl Euronews erklärte.

Theoretisch könnte Trump in einem Handelskrieg also auch auf die US-Konzerne zurückgreifen - und Europa zutiefst schaden. Die Gefahr wird in der Politik derzeit ernst genommen, auch wenn es sich im Moment nur um Eventualitäten handelt.

Europäische Lösungen als Alternative

Also: Alle Nicht-EU-Programme im Land sofort von den Servern löschen? Ganz so drastisch sind die Forderungen nicht.

"Eine vollständige Autarkie ist nicht das Ziel. Vielmehr müsste man sich an den kritischen Punkten unabhängig machen - wie bei der öffentlichen Verwaltung", so Krosta-Hartl weiter.

Und um genau diesem Ziel näherzukommen, soll der Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität die entscheidenden Weichen stellen. Laut Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung geht es bei dem Treffen vor allem darum, zentrale Aspekte für eine unabhängige, sichere und innovationsfreundliche digitale Zukunft Europas weiterzuentwickeln.

Denn: Wer von US-Programmen weg will, muss erstmal selbst welche auf den Markt bringen.

Gemeinsam sollen europäische Antworten auf globale digitale Herausforderungen gefunden werden. Laut Staatsministerium ist der Kern der Strategie des Ministeriums: Man wolle "Selbstbestimmt und handlungsfähig in die Zukunft."

Gekrönt werden soll das Ganze dann am Mittwoch mit einer feierlichen Zeremonie in der französischen Botschaft: Wildberger und Macron sollen ein Abkommen unterzeichnen, das als wichtiger Meilenstein für die deutsch-französische Zusammenarbeit hin zu einer stärkeren und unabhängigeren europäischen Technologie im Bereich Künstliche Intelligenz gilt.

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