Wie stehen Wirtschaft und Finanzwelt zu einem möglichen "Brexit"?

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“Das gespaltene Verhältnis zu Europa hat den britischen Regierungen immer wieder zu schaffen gemacht. Vor zwei Jahren versprach Premierminister David

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“Das gespaltene Verhältnis zu Europa hat den britischen Regierungen immer wieder zu schaffen gemacht. Vor zwei Jahren versprach Premierminister David Cameron, eine endgültige Antwort auf diese Frage. Er sagte, seine konservative Partei werde 2017 für eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU sorgen. Die Strategie ist riskant: Innere Streitigkeiten zu diesem Thema hatten zur Folge, dass zwei seiner Vorgänger, Margaret Thatcher und John Major, aus dem Amt gejagt wurden”, sagt unser Korrespondent James Franey.

“Von der Idee der Vereinigten Staaten von Europa, die einst der legendäre Winston Churchill äußerte, ist ein solches Referendum meilenweit entfernt. Stattfinden wird es nur, wenn Cameron erneut Regierungschef wird und nach Neuverhandlungen über den Status Großbritanniens innerhalb der EU. Euroskeptiker meinen, dass die Konservativen sich damit die Möglichkeit offenhalten, das Referendum zu umgehen. Allerdings hat niemand Zweifel daran, dass ein Austritt aus der EU enorme wirtschaftliche Folgen hätte.”

Dies ist der Mann, der Druck für das Referendum gemacht hat: Der Europaparlamentarier Nigel Farage ist Chef der europaskeptischen Partei UKIP und kandidiert für das Parlament. Er will, dass Großbritannien die EU verlässt und die Beziehungen mit dem Rest der Welt verstärkt. Europa befinde sich wirtschaftlich im Niedergang, sagt er. Verließe Großbritannien die EU, käme die Wirtschaft wieder in Schwung.

Doch stimmen große Unternehmen dem zu? Einer Umfrage der britischen Handelskammer zufolge überwiegen für 63 Prozent der Unternehmen die Nachteile. Business for New Europe setzt sich für den Verbleib in einer reformierten EU ein. Nigel Sheinwald, der die Lobbygruppe vertritt, meint: “45 Prozent der Exporte sind für die EU bestimmt. Freilich wollen wir die Exporte nach China und Indien steigern. Doch Europa, die EU gehören zu unserem geografisch nahen Binnenmarkt. Davon kann man sich nicht lösen. Es ist eine wirtschaftliche Regel, dass Nachbarländer natürliche Handelspartner sind. Jene, die sich für den Austritt einsetzen, haben keine kohärente, rationale, funktionierende Alternative.”

Brompton Bicycles produziert im Westen Londons Falträder. Das Unternehmen zählt 250 Angestellte, die 45.000 Räder pro Jahr herstellen. 80 Prozent davon werden im Ausland verkauft. “Zu den Vorteilen des Handels mit Europa zählt die Transparenz”, so Vorstandsmitglied Will Butler-Adams. “Weil es keine Hemmnisse gibt, sind Geschäfte mit Europa einfach. Für alle gelten die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Was wir haben, sollten wir verbessern, wie wir das mit den Fahrrädern in den vergangenen 30 Jahren getan haben. Wir haben sie nicht zu Schrott erklärt und neu erfunden, wir haben sie verbessert. Das sollten wir auch mit der EU tun, anstatt zu entscheiden, dass wir mit ihr nichts zu tun haben wollen.”

“Das ist die Meinung von Geschäftsleuten. Was aber denkt die Finanzwelt? Anhänger eines Austritts aus der EU sind der Ansicht, dass die Londoner City ohne die Bürde der Brüsseler Regeln als globales Finanzzentrum florieren wird”, fragt unser Korrespondent James Franey. Stimmen Händler und Banker, die dort arbeiten, dem zu? Alastair McCraig sagt: “US-Unternehmen und Banken halten es für einen Vorteil, dass Großbritannien zwar zur EU nicht aber zur Eurozone gehört. Verliert das Land diesen Status, würden sie wahrscheinlich weiterziehen.”

Der frühere Chefökonom von Goldman Sachs, Jim O’Neill, denkt, dass die Debatte über einen sogenannten Brexit keinen Schaden bringt: “Ich denke, dass ein Austritt Großbritanniens riskant wäre, dass die Debatte aber nicht schadet. Ich denke nicht, dass sie so unangebracht ist, wie viele Leute aus der Geschäfts- und Finanzwelt meinen. Die Zukunft unseres Exports hängt nämlich nicht von Europa ab. Sie hängt von Brasilien, Russland, Indien und China ab, von den aufstrebenden Wirtschaften. Die EU ist zwar wichtig, aber nicht mehr so wichtig wie früher.”

Nach Einschätzung der Denkfabrik Open Europe könnte ein Austritt Großbritanniens Wirtschaft bis 2030 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten. Doch welches immer der Ausgang eines möglichen Referendums sein mag, wird es weiterhin einige Dinge an Europa geben, von denen die Briten nie lassen werden: Der Genuss französischen Weins gehört dazu.

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