Gauck geht, wer kommt? Die Schachzüge um die Gauck-Nachfolge

Gauck geht, wer kommt? Die Schachzüge um die Gauck-Nachfolge
Von Christoph Debets
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Im Jahr der Bundestagswahl kann die Nachfolge des Bundespräsidenten auch ein Signal für neue Mehrheiten sein.

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Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt. Keine Partei hat dort eine Mehrheit, auch wenn die CDU/CSU die mit Abstand größte Gruppe stellt.

Zwar haben die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern noch Einfluss auf die Zusammensetzung der 16. Bundesversammlung doch abgesehen von einer Handvoll Wahlmänner die von CDU und SPD zur AfD wandern werden, wird sich an der Zusammensetzung nichts grundlegendes mehr ändern.

Der Bundespräsident wird im ersten und zweiten Wahlgang mit der absoluten Mehrheit der 1230 Wahlmänner gewählt, das sind 631. Im dritten Wahlgang reicht die einfache Mehrheit.

Vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 wird der Wahl des neuen Bundespräsidenten – und der Mehrheit, die ihn trägt Singalwirkung zugeschrieben.

Wir spielen einmal die verschiedenen Möglichkeiten und machtpolitischen Schachzüge durch. Wer könnte also der 12. Bundespräsident werden?

1. Ein Kandidat der Großen Koalition

1.1 Frank-Walter Steinmeier

Hätte mit 932 Wahlmännern eine klare Mehrheit. Seine Wahl würde als Signal für die Fortsetzung der GroKo gelten, das wollen aber weder CDU/CSU noch SPD. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll Sigmar Gabriels Ansinnen einer gemeinsamen Kandidatur bereits abgelehnt haben, weil sich viele in der CDU einen eigenen Kandidaten wünschen. Bei der Wahl von Christian Wulf 2010 verweigerten mindestens 44 Wahlmänner der CDU/CSU/FDP ihrem Kandidaten Wulf die Gefolgschaft. Merkel muss fürchten, dass diesmal eine viel größere Gruppe opponieren könnte. Nicht gut vor dem Bundestagswahlkampf.

Also: Möglich; vermutlich aber eher nicht

1.2 Norbert Lammert

Dann ein CDU-Politiker als GroKo-Kandidat? Nachteil hier: Die SPD würde vor der Bundestagswahl dokumentieren, dass sie sich als 20-Prozent-Partei versteht – ohne Machtperspektive. Fazit: Wahrscheinlich nicht. ### 2. Ein Kandidat des Linksbündnisses

Von der Linken ins Gespräch gebracht. Ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Grünen und Linken als Perspektive für eine neuen Mehrheit nach der Bundestagswahl im Herbst. Könnte auf etwa 628 Wahlmänner bauen. Würde spätestens im 3. Wahlgang ausreichen. Problem: Hält diese sehr disparate Mehrheit zusammen? Wenn nicht, Beweis, dass eine linke Bundestagsmehrheit nicht funktioniert. Schlecht für den Wahlkampf. Riskant, aber nicht unwahrscheinlich. In Frage kämen Frank-Walter Steinmeier (SPD) oder Katrin Göring Eckart (Grüne).

3. Ein Kandidat von Schwarz-Grün

3.1 Volker Bouffier

Der hessische Ministerpräsident ist bereits Chef einer funktionierenden CDU/Grünen-Regierung. Ihm wird nachgesagt, Gefallen an dem Job zu haben. Könnte auf 692 Wahlmänner bauen. Signal für Schwarz-Grün nach der Bundestagswahl. Nachteil: Den 100 CSU-Abgeordneten und dem konservativen Flügel nicht vermittelbar (nicht einmal in der Person von Volker Bouffier). Auch an der Basis der Grünen nicht populär. Die künftigen Regierungspartner gespalten, ganz schlecht im Bundestagswahlkampf. Fazit: Eher nicht #### 3.2 Winfried Kretschmann

Der Grüne ist Chef der Grünen/CDU-Regierung in Baden-Württemberg. Gleiche Probleme wie bei Bouffier. In der CDU/CSU noch schwerer vermittelbar, hätte aber den Vorteil einen populären Grünen aus dem Tagesgeschäft zu ziehen und die Chancen der CDU in Baden-Würtemberg bei der kommenden Landtagswahl zu verbessern. Fazit: trotzdem unwahrscheinlich. ### 4. Eine FDP-Kandidatin

Unter den wenigen für den Wiederaufbau der Liberalen entbehrlichen präsidiablen Politikern hätte die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sogar Chancen auch gewählt zu werden. Zwar stellt die FDP nur 31 Mitglieder in der Bundesversammlung, doch ihre Wahl ist als Signal für die Ampel-Koalition (SPD/FDP/Grüne) nach der Bundestagswahl gut möglich. Hätte den Charme dass die SPD den Bundeskanzler, die Grünen den Vizekanzler und die FDP den Bundespräsidenten stellen könnte. Alle Partner versorgt. Fazit: große Außenseiterchance.

5. Ein Bundespräsident von Gnaden der AfD?

Sollte durch die erneute Kandidatur Gaucks vermieden werden. Bislang hat nur die AfD einen eigenen Kandidaten, ihren stellvertretenden Parteivorsitzenden Albrecht Glaser, aufgestellt. Der ehemalige Stadtkämmerer von Frankfurt hat keine Chancen, könnte aber einige Stimmen von der CDU/CSU abziehen. Zieht die AfD ihren Kandidaten im dritten Wahlgang nicht zurück könnte sie einem SPD-Kandidaten zur Mehrheit verhelfen, stimmt sie mit CDU/CSU/FDP und Freien Wählern könnte sie einem bürgerlichen Kandidaten (CDU) ins Amt heben. Spielverdreber: Die Piraten und die FDP Diese Konstellation ist eher unwahrscheinlich, denn die FDP hat aus der letzten schwarz-gelben Koalition noch einige Rechnungen mit der CDU offen. Auf sie für eine bürgerliche Mehrheit mit Freien Wählern und AfD zu bauen, wäre verwegen. Die FDP könnte eher einem SPD-Kandidaten die Mehrheit verschaffen und die Wahl eines CDU-Kandidaten definitiv verhindern. Oder aus dieser Konstellation heraus ihre Kandidatin durchbringen ….

6. Ein überparteilicher Kandidat

Würde gewählt werden. Viel Spaß bei der Suche. ### 7. Keine Absprachen – einfach wählen

Ein für Machtpolitiker und Strippenzieher völlig unverständlicher Vorschlag, daher so gut wie ausgeschlossen. Ein CDU-Kandidat (Lammert, Schäuble, Bouffier, von der Leyen) hätte die einfache Mehrheit. An zweiter Stelle läge ein SPD-Kandidat. Spätestens vor dem 3. Wahlgang würden viele Wahlmänner der anderen Parteien sich für das kleinere Übel entscheiden. Dann hätte der SPD-Kandidat (vermutlich Steinmeier) die besten Chancen.

Oder es käme zu einer der oben beschriebenen Absprachen (1.-4.); das liefe dann am ehesten auf Steinmeier oder den FDP-Kandidaten hinaus.

8. „If you can’t beat ‘em join ‘em“

Wenn die SPD ihre Karten richtig ausspielt – und Sigmar Gabriel ist ein mit allen Wassern gewaschener Machttaktiker, dann läuft also alles auf Frank-Walter Steinmeier zu. Angela Merkel ist bekannt dafür, sich widerstandslos in das Unausweichliche zu finden („If you can’t beat ‘em join ‘em“) – innerparteiliche Gegner werfen ihr daher gerne Prinzipienlosigkeit vor. Deshalb zurück auf Feld 1, Steinmeier als GroKo-Kandidat. Da kann nichts schiefgehen, schließlich ist der Außenminister der mit Abstand beliebteste deutsche Politiker.

Nachteil: Siehe oben unter 1.1

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Vorteil: Im Gegenzug könnte die CDU problemlos den nächsten deutschen EU-Kommissar stellen.

Fazit: Gabriel hätte, wie schon bei den Koalitionsverhandlungen, Merkel schachmatt gesetzt.

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