Angespannte Lage in Libyen: Was steht auf dem Spiel?

Angespannte Lage in Libyen: Was steht auf dem Spiel?
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Von Alice Tidey
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Seit Tagen ringen rivalisierende Milizen um die Vorherrschaft in Libyens Hauptstadt Tripolis. Was steht auf dem Spiel?

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Stammesfehden, politische Dispute und Sprachunterschiede haben in Libyen den Übergang zur Demokratie seit dem Sturz des Diktators Muammar Gaddafi im Jahr 2011 sehr erschwert.

Regelmäßig kommt es zu Kämpfen zwischen Milizen, die entweder der von den Vereinten Nationen eingesetzten Einheitsregierung (GNA) unter Fajis al-Sarradsch oder dem mächtigen General Chalifa Haftar im Osten des Landes treu ergeben sind. 

Die jüngsten Auseinandersetzungen um die Kontrolle der strategisch wichtigen Hauptstadt Tripolis waren besonders heftig und wurden international verurteilt.

Wie ist die aktuelle Lage?

Am Dienstag gab es kurz vor einem Treffen, zu dem die UN-Mission in Libyen nach eigenen Angaben "alle Beteiligten" eingeladen hatte, neue Gefechte. 

Wie am Montag kam zu es schweren Explosionen und Kämpfen in der Stadt, besonders entlang der Grenze zum Vorort Wadi al-Rabii. Ein Sprecher der Notfalldienste erklärte zudem, bewaffnete Gruppen hätten Straßen gesperrt und damit Hilfslieferungen blockiert.

Hunderte Häftlinge nutzen das Chaos in der umkämpften libyschen Hauptstadt für eine Meuterei. Um das eigene Leben nicht zu gefährden, habe das Wachpersonal die Gefängnisinsassen ziehen lassen müssen. Der Flughafen wurde von Granaten getroffen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wurden auch mehrere Gesundheitseinrichtungen angegriffen. Mindestens 47 Menschen starben, weitere 130 wurden verletzt.

Wer sind die Hauptakteure?

Auf der einen Seite steht die sogenannte Siebte Brigade aus Tarhuna, einer Stadt 65 Kilometer südlich von Tripolis, die von Muhsen Al-Kani befehligt wird. Zu deren Gegnern gehören die Revolutionäre Brigade von Tripolis (TRB), die ihr Hauptquartier in der Al-Jarmuk-Kaserne im Süden der Hauptstadt hat und von Haitham Al-Tajuri kontrolliert wird. Mit ihr verbündet ist unter anderen die mächtige Nawasi-Brigade, die der Kaddur-Familie gehört. 

Der Grund für die Kämpfe ist unklar, obwohl beide Seiten jeweils der anderen Seite Korruption vorwerfen und sagen, man wolle die Ordnung wiederherstellen.

Was sagt die internationale Gemeinschaft?

Frankreich, Italien, das Großbritannien und die USA haben am 1. September eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie "die anhaltende Eskalation der Gewalt in und um Tripolis scharf verurteilen".

"Wir fordern die bewaffneten Gruppen auf, alle militärischen Aktionen sofort einzustellen und warnen diejenigen, die die Sicherheit in Tripolis oder anderswo in Libyen gefährden, dass sie für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden", heißt es in der Erklärung.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte ebenfalls eine Rückkehr zur Ruhe und bekräftigte das gemeinsame Bestreben, mit den verschiedenen Akteuren zusammenzuarbeiten, um die souveränen Institutionen Libyens zu stärken, bei der Organisation von Wahlen - die für Ende dieses Jahres geplant sind - zu helfen und professionelle Sicherheitskräfte unter ziviler Kontrolle zu schaffen.

"Die Europäische Union ruft alle legitimen libyschen Akteure auf, sich gemeinsam für diese Ziele einzusetzen und die Interessen des libyschen Volkes in den Vordergrund zu stellen", sagte Mogherini in ihrer Erklärung vom 3. September.

Maria Ribeiro, UN-Koordinatorin für die humanitäre Hilfe in Libyen, forderte alle Parteien auf, die Friedensgespräche wieder aufzunehmen und "auf den wahllosen Einsatz von Waffen in Wohngebieten zu verzichten." 

Welche Auswirkungen hat das auf das Migrationsproblem?

Italien hat, unterstützt von der EU, mit Libyen ein Abkommen  vereinbart, um die Küstenwache des nordafrikanischen Landes für das Abfangen von Migrantenbooten auf dem Weg zum europäischen Festland über das Mittelmeer auszubilden. Die abgefangenen Flüchtlinge werden nach Libyen zurückgebracht und dort in speziellen Einrichtungen, einschließlich Haftzentren, festgehalten.

In einem UN-Bericht vom vergangenen Jahr wurde dieses Abkommen Deal als "unmenschlich" bezeichnet. Die Hilfsorganisation Medecins Sans Frontieres (MSF) warnte, dass die jüngsten Kämpfe das Leben von etwa 8.000 Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten in Haftanstalten weiter gefährden.

Italien seinerseits bangt um die Kontrollen durch die libysche Küstenwache. Schlepper könnten die instabile Lage ausnutzen könnten, um wieder mehr Migranten übers Meer nach Italien zu treiben.

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