"Uncut": Cohn-Bendit im Gespräch mit Michel Barnier

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Von Euronews
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Das Brexit-Chaos dauert an - doch was bedeutet das für die Mitgliedsstaaten der EU? Daniel Cohn-Bendit trifft den Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier und spricht mit ihm über die unsichere Zukunft.

In "Uncut" mit Daniel Cohn-Bendit diskutiert der ehemalige Studentenführer, Alt-68er und frühere Europa-Abgeordnete mit Michel Barnier, dem Brexit-Chefunterhändler der EU. Die Interviews werden unbearbeitet und ungekürzt gesendet.

Das Brexit-Chaos nimmt kein Ende. Trotz Nachbesserungen hat das britische Parlament das Austrittsabkommen zum zweiten Mal abgelehnt. Nun soll über eine Verlängerung des Verhandlungszeitraums entschieden werden. Unter der Voraussetzung, dass das Parlament das vorliegende Austrittsabkommen bis zum 20. März billigt, soll den Briten ein kurzer Aufschub von drei Monaten gewährt werden.

Der Brexit ist wie eine Scheidung

In Straßburg herrsche ein Gefühl von echter Ernsthaftigkeit und Verantwortung, so Michel Barnier. Die EU bedauere die Entscheidung Großbritanniens, akzeptiere diese aber und wolle dabei helfen, sie umzusetzen. "Manchmal versteht man nicht, wieso die Mehrheit der Briten für den Brexit gestimmt hat", sagt Barnier. 

Er vergleicht den Brexit mit einer Scheidung - mit Großbritannien auf der einen und der EU auf der anderen Seite. Im Vereinigten Königreichen leben Barnier zufolge 3,5 Millionen EU-Bürger, in der EU 1,5 Millionen Briten. Alle diese Menschen wissen nicht, wie es nach dem Brexit weitergeht, die Unsicherheit sei groß. 

Man müsse die Zukunft im Blick haben. Und, es werde einige Jahre dauern, bis die Beziehung zum Vereinigten Königreich nach dem Brexit voll geklärt ist. Aber Barnier macht klar: "Großbritannien bleibt ein enger Partner, ein Freund, ein Verbündeter" - auch nach dem Austritt aus der EU.

Die Frage der Fragen: Brexit oder kein Brexit?

Barnier glaubt, dass es auf jeden Fall zum Brexit kommt, obwohl der Europäische Gerichtshof den Briten die Möglichkeit eines einseitigen Rücktritts geboten hatte

"Das Vereinigte Königreich wird gehen, das ist jetzt mehr oder weniger Geschichte. Auch wenn es immer noch für Schlagzeilen sorgt, denn der Austritt muss korrekt verlaufen", sagt er. 

Die EU hätte alles getan, um ein Abkommen zu ermöglichen. Das Vereinigte Königreich sei nun an der Reihe, einen No-Deal-Brexit zu vermeiden.

Barnier beschäftigt vor allem die Frage, wieso sich mehr als die Hälfte der Briten gegen Europa entschieden und für den Brexit gestimmt haben. Er sieht den Brexit auch als Chance, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen: "Es geht um das Gefühl, allein gelassen zu werden, ausgegrenzt zu sein. Um das Gefühl, dass Europa nicht schützt, sondern von einer Bürokratie geleitet wird, die nicht zuhört. Für Großbritannien ist es zweifellos zu spät, aber für andere noch nicht."

Die Irlandfrage als Knackpunkt

Vor allem der sogenannte Backstop war ein Hauptstreitpunkt in der Brexit-Debatte. Der im Abkommen festgelegte Backstop ist eine Auffanglösung, in der Großbritannien vorerst in einer Zollunion mit der EU bleibt und er soll eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland vermeiden. 

Viele britische Parlamentarier stören sich an der Klausel. Trotz einiger Nachverhandlung, lehnten sie Theresa Mays Abkommen mit der EU erneut ab. Allerdings will das Parlament einen ungeregelten Austritt aus der EU ohne Abkommen vermeiden. Ein entsprechender Antrag wurde mit Mehrheit im britischen Unterhaus angenommen. 

"Ich bin entschlossen, den Frieden in Irland zu bewahren, das Karfreitagsabkommen zu bewahren. Aber auch die Integrität des Binnenmarktes zu schützen", sagt Barnier zur Irlandfrage. 

Europawahlen in Großbritannien trotz EU-Austritt?

Nachdem eine Verzögerung des Brexits nun wahrscheinlich scheint, stellt sich die Frage nach der Europawahl Ende Mai. Sollte Großbritannien zum Zeitpunkt der Wahlen noch in der EU sein, dann sei "Großbritannien zu diesem Zeitpunkt ein Mitgliedsstaat mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten" und müsse auch Europawahlen organisieren. 

Dabei geht es Barnier vor allem um die in Großbritannien lebenden EU-Bürger, die ein Wahlrecht haben. Deren Rechte will Barnier schützen. "Das gleiche gilt für die britischen Bürger in der EU", sagt er. 

Mit welchen Konsequenzen hat Europa zu rechnen?

Für Barnier sind die Zukunft Europas und die Großbritanniens eng verknüpft. "Wenn wir über den Brexit sprechen, sprechen wir über Europa", sagt er.

Durch den Brexit habe man dazu gelernt. Andere Themen rücken in den Vordergrund. Eines davon sei eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik. Die EU müsse ihren Bürgern Schutz bieten - nicht nur finanziell.

"Es ist an der Zeit, über eine europäische Verteidigungspolitik zu sprechen. Es ist an der Zeit, unsere Außengrenzen gemeinsam besser zu verwalten. Es ist an der Zeit, gemeinsam zu investieren", findet Barnier. 

Klimawandel als wichtigstes Thema der Zukunft

Barnier wünscht sich ein grünes Europa. "Wir müssen uns gemeinsam mobilisieren und an vorderster Front gegen den Klimawandel kämpfen. Wir hatten die Konferenz in Paris und sind dort Verpflichtungen eingegangen, aber wir müssen noch viel weitergehen", sagt er. 

Vor allem Unternehmen müssen einen Richtungswechsel vornehmen. Zwingen will Barnier aber niemanden zu Veränderung, auch nicht mächtige Industriezweige wie die Automobilindustrie. "Ich denke, wir müssen einen vertraglichen Ansatz dem Zwang vorziehen. Aber es ist an der Zeit, Veränderung ist dringend notwendig."

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