Griechenland wählt: Schlägt die frustrierte Mittelklasse zurück?

Griechenland wählt: Schlägt die frustrierte Mittelklasse zurück?
Von Symela Touchtidou, su mit dpa
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Am 7. Juli wählt Griechenland ein neues Parlament, Prognosen zufolge werden bis zu sieben Parteien den Einzug schaffen – und die konservative Nea Dimokratia könnte Alexis Tsipras’ Regierungspartei Syriza abhängen – sie setzt auf die frustrierte Mittelschicht

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Am 7. Juli wählt Griechenland ein neues Parlament, Prognosen zufolge werden bis zu sieben Parteien den Einzug schaffen – und die konservative Nea Dimokratia könnte Alexis Tsipras’ Regierungspartei Syriza abhängen – sie setzt auf die frustrierte Mittelschicht.

Wer die Griechische Staatsschuldenkrise des vergangenen Jahrzehnts überstand, wie Anwalt Nasos Nikolopoulos in Athen, hat beispiellose Sparmaßnahmen mitgekriegt. Vor sieben Jahren hat er seine Kanzlei aufgemacht – er kennt den Frust über die hohe Steuer- und Abgabenlast.

Nasos Nikolopoulos, Anwalt:

"Von jedem Tausender, den ein Kunde uns zahlt, gehen 60 Prozent an den Staat. Und da sind die Kosten des Büros noch nicht drin. Wir zahlen eine ganze Serie von Steuern und Abgaben auf das Geld, das wir verdienen: 23% Sozialbeiträge für Gesundheit und Altersversorgung, im Schnitt 29% Einkommensteuer, ein spezieller Solidaritätsbeitrag und die spezielle jährliche Gewerbesteuer."

Lehrersohn mit Hochschulabschluss in Griechenland und Postgraduiertenstudium in Großbritannien: Nasos' Familie war die typische griechische Mittelklasse-Familie. Sie sind diejenigen, die das Land während der Rettungsaktionen gestemmt und Milliarden an Steuern und Abgaben bezahlt haben.

Nasos Nikolopoulos, Anwalt:

"Für jeden Unternehmer, der es geschafft hat, während der Krise über Wasser zu bleiben, waren die größten Kosten persönlich. Er musste endlose Stunden Arbeit in sein Unternehmen stecken, endlose Stunden Arbeit."

Symela Touchtidou, Euronews:

"Für die Wahlkämpfer in Griechenland ist die Mittelschicht zu einem Heiligen Gral geworden. Jeder rennt ihr hinterher. Wer sie erwischt, so die allgemeine Überzeugung, gewinnt diese Wahl."

"SIE SCHRÄNKEN SICH EIN UND WARTEN AUF DIE WAHLEN"

Die Autorin Karolina Mermiga diskutierte mit, als es bei einem von vielen öffentlichen Gesprächsforen um die Wiederbelebung der Mittelschicht ging. Sie sprach über die Veränderungen in ihrem Viertel, kämpferische Freunde und ihren Sohn, der ins Ausland gezogen ist.

Karolina Mermiga, Autorin:

"Die Bürger der Mittelklasse, das sind die, die "ihren Gürtel enger schnallen" müssen, wie wir sagen. Sie tun dies schweigend, obwohl das oft wehtut. Normalerweise sind dies die Menschen, die nicht auf die Straße gehen und keine Unruhen verursachen. Sie schränken sich ein und warten auf die Wahlen, um ihre Meinung zu sagen."

Vor knapp einem Jahr (20. August) wurde Griechenland nach acht Jahren aus dem Milliardenhilfsprogramm der internationalen Kreditgeber entlassen. Trotz schwer quantifizierbarer nicht deklarierter Einnahmen sind die Statistiker einig: Bis sich die griechischen Mittelschicht von den Einnahmeausfällen erholt, dürften Jahrzehnte vergehen. Ein Viertel der Wirtschaftskraft wurde vernichtet, die Vermögen der Griechen schrumpften sogar um 40 Prozent.

KEINE REDE VON REEDERN

Und an den Griechen jenseits der Mittelklasse hat sich Alexis Tsipras die Finger verbrannt: Sämtliche griechischen Reeder genießen seit Jahrzehnten nahezu Steuerfreiheit ("The National Herald“), von der Verfassung garantiert („WiWo“). Mit der weltgrößten Tankerflotte dominieren die griechischen Reeder seit den 50er Jahren den Öltransport auf den Weltmeeren („rp online"). Sie verfügen über die weltgrößte Handelsschifffahrts-Flotte und kontrollieren ein Fünftel der globalen Tonnage, vor Japan, China und Deutschland.

Aber das ist eine andere Geschichte.

su

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