Flüchtlinge in Bosnien: Warten in leeren Fabriken

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Von Anelise Borges
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Bosnien und Herzegowina ist mittlerweile ein Haupttransitland für Flüchtlinge auf der Balkanroute. Doch die Unterkünfte in dem kleinen Land sind rar.

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Eine ehemalige Stahlfabrik in Bosnien und Herzegowina nahe der kroatischen Grenze: Mehrere Hundert Flüchtlinge sind hier untergekommen. Viele von ihnen lebten zuvor im nahegelegenen Flüchtlingslager Vucjak, das Ende 2019 wegen der katastrophalen humanitären Zustände geschlossen wurde. Die Menschen hier versuchen nach Kroatien und damit in die EU zu kommen. Darunter ist auch der junge Afghane Ahmed. Er machte in Kabul noch seinen Schulabschluss, dann floh er vor dem Krieg, 5000 Kilometer bis hierher.

Ahmed ist einer von geschätzt 2000 Menschen, die nicht in den offiziellen bosnischen Camps untergekommen sind. Sie leben in leerstehenden Gebäuden. Zlatan Kovacevic von der Hilfsorganisation SOS Bihac kennt das. "Für mich ist es nicht so hart, das mitanzusehen, weil wir unter den gleichen Bedingungen gelebt haben", sagt er. "Wir waren im Krieg. Wir haben tote Kinder gesehen und Schlimmes erlebt. Das gibt mir die Kraft, Menschen zu helfen, die in derselben Situation sind. Ich kann nicht einfach zusehen, so wie die anderen 90 Prozent in Europa. Ich muss helfen."

Bosnien: Erinnerung an den Krieg sorgt für Verständnis und Argwohn

Kovacevic und seine TeamkollegInnen besuchen die Flüchtlinge in ihren Verstecken. Die Organisation leistet unter anderem medizinische Hilfe. Was er sich für die Flüchtlinge erhoffe? "Wer weiß das schon", so Kovacevic. "Ich kann nur einem Prozent helfen. Wir sind alleine. Wir brauchen mehr Hilfe. Ich tu was ich kann."

Aber im armen Bosnien, das immer noch vom Balkankrieg gekennzeichnet ist, ist nicht jeder dieser Meinung. "Niemand hier hat die Situation im Griff", so ein älterer Mann in der Kleinstadt Velika Kladusa in Grenznähe. "Sie wissen nicht, wie viele Migranten hierkommen, was sie tun. Gar nichts. Es herrscht Chaos."

"Ich fühle mich nicht sicher", so eine junge Frau. "Ich habe das Gefühl, dass sie unsere Sicherheit bedrohen."

Euronews-Reporterin Anelise Borges: "Bosnien und Herzegowina hat von der Flüchtlingskrise 2015 kaum etwas mitbekommen. Aber heute ist es eine der letzten funktionierenden Routen für diejenigen, die nach Europa wollen. Fast 30.000 Menschen haben das Land im vergangenen Jahr durchquert."

Helfer rechnen mit mehr Flüchtlingen in Bosnien

HilfsarbeiterInnen rechnen mit steigenden Flüchtlingszahlen. Die meisten Lager sind bereits voll oder überfüllt. Die Herausforderungen werden also größer. Drazen Rozic, Koordinator bei der Internationalen Organisation für Migration: "Am schwierigsten ist es, gute Unterkünfte zu finden, leerstehende Gebäude, alte Schulen. Was immer auch in Frage kommt, um die Menschen zumindest im Winter angemessen unterzubringen."

Das Überqueren der Grenze wird unterdes immer schwieriger - Flüchtlingsorganisationen berichten von illegalen Abschiebungen und vom brutalen Vorgehen der kroatischen Grenzschutzbehörden. Teilweise werden die MigrantInnen demnach mit Gewalt wieder über die Grenze gejagt, oft werden ihnen Wertsachen entwendet.

Auf ihrem Weg können die Flüchtlinge also nur auf die Unterstützung von HelferInnen wie Kovacevic hoffen, selbst noch vom Krieg gezeichnet.

Diese Reportage ist der erste Teil einer euronews-Serie über Bosnien und Herzegowina. Weitere Teile folgen im Laufe der Woche.

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