Nein, dieses Bild zeigt nicht, wie viele "Leichen in Wuhan verbrannt" werden

Vorhersage der Schwefeldioxid-Konzentration in Wuhan und Chongqing am 12. Februar
Vorhersage der Schwefeldioxid-Konzentration in Wuhan und Chongqing am 12. Februar Copyright Windy.com
Von Rafael Cereceda
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Die WHO spricht von einer "Infodemie", immer wieder schaffen es Spekulationen und falsche Meldungen in Medienberichte. Neuester Fall: Ein Satellitenbild, das angeblich hohe Werte von Schwefeldioxid über Wuhan zeigt.

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Inmitten der Flut von Informationen über die Ausbreitung des Coronavirus - die WHO spricht von "Infodemie", haben britische Boulevardzeitungen Bilder veröffentlicht, die angeblich der Beweis für die Verbrennung von Leichen in Wuhan sind.

Zwar formulierten die Zeitungen die Meldungen im Konditional, gaben aber zu verstehen, dass "Satellitenbilder" von windy.com auf hohe Schwefeldioxidwerte (SO2) in Wuhan und Chongqing hinweisen. Beides sind Städte, die im Epizentrum des Krankheitsausbruchs und daher unter Quarantäne stehen.

Die Zeitung "Sun" deutete an, Peking sei dabei, "Beweise zu verbrennen". Die Schlagzeile lautete: Während China der Vertuschung der Coronavirus-Krise beschuldigt wird, tauchen Satellitenbilder auf, die "das Ausmaß der Leichenverbrennung in Wuhan" zeigen.

Auch der Daily Mirror spekulierte diesbezüglich - nutzte im Titel aber ein Fragezeichen.

Beiden Artikeln geben zu verstehen, dass hohe SO2-Werte von einer ungewöhnlichen Aktivität der Krematorien in beiden Städten stammen könnten. Auch andere Medien folgten dem Beispiel.

Chinas Büro für Luftqualität reagierte in einer Stellungnahme über das chinesische Ministerium für Ökologie und Umwelt auf die Behauptungen.

Darin hieß es: "Nach sorgfältiger Analyse stellten wir fest, dass der von windy.com veröffentlichte SO2-Anstieg eine 'ernsthafte Verzerrung' war und dass den Statistiken nicht getraut werden kann."

Nach ihren Angaben wurde am vergangenen Sonntag eine Konzentration zwischen 4 und 8 μg/m3 und nicht 1.300 μg/m3 wie in den Medienmeldungen angegeben, festgestellt.

Woher kam die Schwefeldioxid-Meldung?

Ein Tweet vom Twitter-Account @inteldotwav mit etwas mehr als 16.000 Follower hat am 8. Februar einen Thread mit einem zunächst beeindruckend aussehenden Bild gepostet.

Es behauptete, dass es in der Nähe von Wuhan und Chongqing gefährlich hohe SO2-Werte gebe. Interpretiert wurden die Werte in dem Post nicht.

Nutzer spekulierten, dass es sich um ein Kraftwerk handeln könnte, in dem Müll oder Tierkadaver verbrannt werden, und "das dritte und morbideste: dass am Stadtrand Leichen verbrannt werden, und die Zahl der Opfer viel höher ist, als die Kommunistische Partei Chinas berichtet, und dass die Dinge wirklich, wirklich schlimm sind".

DeTwitter-User bestätigte, dass er die Gerüchte im Internet gesehen hat und er beschloss, seine eigene "Untersuchung" durchzuführen. Seine Methode habe sich jedoch als irreführend erwiesen.

In den letzten Tagen haben einige Medien berichtet, dass Wuhans Krematorien rund um die Uhr in Betrieb sind, basierend auf einem Interview mit einem Angestellten, das angeblich von der Epoch Times, einem konservativen und antikommunistischen Medium der chinesischen Gemeinde in den USA, durchgeführt wurde. Und auch andere Experten außerhalb Chinas stellen die Richtigkeit der offiziellen Todeszahlen in Frage.

Was ist also die Wahrheit?

Es stimmt, dass die Daten auf windy.com extrem hohe SO2-Werte in beiden Städten zeigen.

Aber wenig oder nichts erlaubt es uns, eine Beziehung zu der angeblich starken Aktivität in den Krematorien der Stadt herzustellen.

Schwefeldioxid wird auf natürliche Weise von Vulkanen ausgestoßen. Laut WHO ist die wichtigste Quelle für SO2-Emissionen die Verbrennung schwefelhaltiger Fossilien, die zum Heizen, zur Stromerzeugung und für Kraftfahrzeuge verwendet werden, sowie die Verbrennung von Abfall und die Zersetzung organischer Stoffe.

Die für Vorhersagen verwendeten Modelle sind keine "Satellitenmessungen"

Die Daten auf windy.com basieren nicht auf Satellitenbildern, wie die Boulevardzeitung Sun in ihrer Berichterstattung behauptet.

Stattdessen basieren sie auf Prognosen auf der Grundlage des GEOS-5-Modells der NASA, die nach Angaben der US-Behörde selbst oft deutlich höhere Ergebnisse liefern als tatsächliche Beobachtungen.

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Die Modelle werden nicht aktualisiert, um Episoden wie das Coronavirus zu berücksichtigen. Sie basieren auf "Emissionsinventaren", zum Beispiel der Wahrscheinlichkeit von Verschmutzungsgraden auf der Grundlage bekannter Emissionsquellen.

Sie berücksichtigen die üblichen Emissionsquellen eines Gebietes: Fabriken, Kraft- und Heizwerke, und stellen Querverweise zu meteorologischen Variablen her. Mit anderen Worten, die NASA hätte einen Parameter "Verbrennung menschlicher Körper in Krematorien" einführen müssen. Dies ist sehr unwahrscheinlich.

Die NASA hat nicht auf die Anfrage von Euronews geantwortet, sich dazu zu äußern.

Diese Art von Vorhersagen verwendet Satellitendaten, aber im Allgemeinen sind Satelliten nicht in der Lage, kleine Schwefeldioxidquellen wie Fabriken oder Krematorien zu erkennen. Sie messen jedoch genauere Phänomene wie Vulkanausbrüche.

Wenn es also eine intensive, ungewöhnliche Emissionsaktivität durch Krematorien gäbe, würde sie auf diesen Modellen nicht angezeigt werden.

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Wuhan und Chongqing haben immer hohe SO2-Werte, wenn man nach dem NASA-Modell geht.

Die Anwendung earth.nullschool verwendet dasselbe GEOS-5-Modell der NASA. Sie verfügt aber auch über ein Archiv von Maßnahmen. Nach dem Zufallsprinzip gingen wir bis zum 14. Februar 2019 - lange bevor die Welt von der Existenz eines neuen Coronavirus-Typs wusste - und erhielten noch höhere Werte von 1.583 µg/m3.

Die Werte ändern sich je nachdem, wo wir den Cursor platzieren.

Earth Nullschool
SO2-Werte für Wuhan vom 14. Februar 2019Earth Nullschool

Dasselbe gilt für Chongqing, wo wir im letzten Jahr oder sogar 2018 teilweise Werte von über 1.000 μg/m3 erhielten.

Das bedeutet, dass die "Vorhersagen" dieser Plattformen ein interessanter und nützlicher Indikator sind, und sicherlich leiden Chongqing und Wuhan unter einer schlechten Luftqualität. Allerdings handelt es sich um angenäherte Daten, keine wissenschaftlichen Messungen oder Beweise.

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Ein italienischer Chemieprofessor hat eine grobe Berechnung für die Website open.online gemacht, in der er schätzt, dass Wuhan etwa 30 Millionen Leichen verbrennen müsste, um diese Werte von SO2 zu erreichen. Das ist höchst unwahrscheinlich.

Fabriken und atmosphärische Bedingungen

Die von Euronews konsultierten Experten sind der Meinung, dass die beobachteten Werte in einem der am stärksten verschmutzten Länder der Welt nicht besonders alarmierend sind.

Hohe Konzentrationen an einem bestimmten Ort könnten demnach auch mit den atmosphärischen Bedingungen zusammenhängen. Tatsächlich war es am vergangenen Wochenende in Wuhan kalt, etwa 4-5 Grad - was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Menschen heizen - und nicht sehr windig, was die Konzentrationen erhöhen kann.

Östlich von Wuhan, wo eine große SO2-Wolke zu sehen war, gibt es ein großes Kohlekraftwerk, das im Katalog der NASA über die Quellen von Schwefeldioxidemissionen aufgeführt ist, wie uns die Forscherin Iolanda Ialongo erklärte.

Anu-Maija Sundström, eine Luftqualitätsexpertin des Finnischen Meteorologischen Instituts, wies darauf hin, dass weder die Luftqualitätsindizes noch das SILAM-Modell etwas Außergewöhnliches bei den SO2-Werten von Wuhan zeigten.

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Kurz gesagt, dies scheint nur ein weiteres Beispiel für die Schwierigkeit zu sein, Gerüchte und Fehlinformationen bei einem so sensiblen Thema wie dem Coronavirus zu trennen. Viele nutzen die traditionelle Undurchsichtigkeit der chinesischen Behörden aus, um die grauenhaftesten Spekulationen zu vervielfachen.

Die Weltgesundheitsorganisation selbst oder die großen sozialen Netzwerke und Internetplattformen haben spezielle Seiten eingerichtet, um zu versuchen, falsche Gerüchte über COVID-19 zu unterbinden.

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