In dieser Climate Now-Folge geht es um die rasanten Veränderungen im Norden Russlands. Dort kann man die Folgen des Klimawandels beobachten.
In Sibirien sind die Temperaturen ungewöhnlich hoch: Dort kann man beobachten, was der Klimawandel für Auswirkungen hat. Die Permafrost-Böden tauen auf und werden zu Sümpfen, Seen trocknen aus. Und das sind nur die kurzfristigen Schäden. Langfristig gibt der sibirische Boden klimaschädliche Treibhausgase frei. Es kommt zu einem Rückkopplungseffekt: Diese Gase verstärken den Treibhauseffekt in der Atmosphäre. Das Schmelzen nimmt also zu und beschleunigt sich.
Schmelzender Permafrost, steigende Temperaturen
In dieser Climate Now-Folge geht es um die Arktis und Sibirien. Euronews-Reporterin Galina Polonskaja begleitete russische Wissenschaftler in Sibirien: Dort schmilzt der Permafrost, die Landschaft verändert sich rasant.
Copernicus-Klimawandeldienst: Aktuelle Daten
Zuerst präsentiert euronews-Reporter Jeremy Wilks aktuelle Daten des Copernicus Climate Change Service: Weltweit war es der Juli mit den dritthöchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen, nach Juli 2016 und 2019, mit Temperaturen, die fünf Grad Celsius über dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 lagen.
Der Blick auf Europa bot ein gemischtes Bild. Die obige Karte zeigt die Temperaturanomalien für Europa und die arktische Region: Man sieht, dass die Temperaturen in Spanien und Portugal überdurchschnittlich hoch waren. In Großbritannien und Skandinavien lagen sie im Juli deutlich unter dem Durchschnitt. In der arktischen Region, hier in Rot, waren sie überdurchschnittlich hoch, insbesondere entlang der Nordküste Sibiriens.
Schaut man sich das gleiche Gebiet auf dieser Karte der Anomalien der Meereisausdehnung an, wird der Erwärmungstrend bestätigt. Die Regionen in Rot zeigen deutlich weniger Meereisbedeckung als für den Monat Juli zu erwarten wäre. In vielen Fällen gab es nur offenes Wasser, weil das Eis weggeschmolzen war.
Wie sieht es vor Ort in Sibirien aus?
In der Arktis, in Sibirien und im Norden Russlands sind viele komplexe Prozesse im Gange, während die weltweiten Temperaturen steigen. Wie sieht es vor Ort wirklich aus? Was kann man tatsächlich von den Auswirkungen des Klimawandels sehen? Euronews-Korrespondentin Galina Polonskaja traf sich mit einem russischen Wissenschaftsteam in Westsibirien.
In Sibirien taut der Permafrost schneller als normal
Yamalo Nenets ist eine der Regionen Westsibiriens, die einen ungewöhnlich milden Winter und eine rekordverdächtige Hitzewelle im Mai erlebte. Knapp unter der Oberfläche findet man dort Permafrost.
Anfang August misst der Wissenschaftler Sergey Loiko, wie tief er graben muss, um durch die Auftauschicht auf Permafrost zu stoßen. Die feste Eisschicht liegt tiefer als erwartet.
"Statt der üblichen 40 Zentimeter kommen wir hier auf etwa 55 Zentimeter", erklärt Sergey Loiko, Forscher am "BIO-GEO-CLIM"-Labor der staatlichen Universität Tomsk. "Normalerweise messen wir diese Tiefe der aktiven Schicht am Sommerende oder Mitte September. Der Permafrost taut also etwa einen Monat früher. Und im Herbst sinkt er noch tiefer."
Die Arbeit der Forscher wird von der Russischen Wissenschafts-Stiftung unterstützt. Die Wissenschaftler kooperieren mit dem INTERACT-Projekt, einem internationalen Netzwerk für terrestrische Forschung und Überwachung in der Arktis. Stützpunkt der russischen Forscher ist die Khanymey-Forschungsstation.
Wenn der Permafrost schmilzt, werden Kohlendioxid und Methangas in die Umwelt freigesetzt. Rund um diesen sibirischen Standort beobachten die Wissenschaftler erhebliche Veränderungen.
"Unsere Forschungsarbeiten in diesem Schlüsselbereich und in anderen Regionen zeigen, dass das Klima wärmer wird, die Ökosysteme reagieren - und sie reagieren unterschiedlich", sagt Sergey Loiko. "Wenn man alles, was mit der Stabilität der Böden zu tun hat, untersucht, beobachtet man, dass sie instabiler werden: Seen trocknen aus und Torf beginnt sich zu bilden."
Die euronews-Reporterin erkundet mit den Wissenschaftlern einen der vielen Seen in diesem Teil Westsibiriens, die kürzlich ausgetrocknet sind. Ein Phänomen, das in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel steht.
Die Seen verschwinden, weil die festen Permafrostschichten aufbrechen, die dieses Land seit Tausenden Jahren stabilisiert haben. Das Wasser fließt ab. Sergey Loiko erklärt:
"In der Phase der Klimaerwärmung sind die Winter warm und deswegen in der Regel auch schneereicher. Der Boden und das Bachbett, die sich unter dem Schnee befinden, haben keine Zeit, richtig zu frieren. Wenn sich also eine große Masse Schmelzwasser ansammelt und beginnt, nach unten zu drücken, entfernt es zuerst den Schnee. Wenn der Boden geschmolzen ist, wird er wie mit einer Planierraupe aus dem Weg geschoben, und der Wasserlauf erodiert. Mit der Erosion des Wasserlaufs und der Zerstörung der Ufer beginnt der See zu sinken und zu verschwinden."
Folgen des Klimawandels
Eine weitere Folge des Klimawandels ist, dass die Baumgrenze nach Norden vorrückt. Der Wald dehnt sich Richtung Arktis aus. Die Permafrostschicht sinkt tiefer und hinterlässt fruchtbaren Boden.
Der Wissenschaftler zeigt der Reporterin die sich verändernde Landschaft: "Das sind junge Bäume - dieser hier ist 2005 gekeimt und sieht wirklich gut aus. Man kann sehen, wie diese Bäume in die Sümpfe wandern."
Positive Rückkopplungseffekte
Diese riesige Region erwärmt sich aufgrund der sogenannten "positiven Rückkopplungseffekte" schneller als andere Teile des Planeten. Ein Beispiel: Wenn der Schnee früher schmilzt, legt er dunkleres Land darunter frei, das mehr Sonnenlicht absorbiert und sich infolge noch weiter erwärmt.
"Es gibt weitere Rückkopplungseffekte so Sergey Loiko: "Es gibt die Auffassung, dass das Schmelzen des Permafrosts eine Beschleunigung dieses Prozesses provozieren könnte. Das Schmelzen beschleunigt sich also von selbst, denn wenn der Permafrost schmilzt und zu schmelzendem Boden wird, beginnt er zu atmen und setzt Treibhausgase frei. Diese Gase verstärken den Treibhauseffekt in der Atmosphäre. Das Schmelzen nimmt also zu und beschleunigt sich."