Ganz Madrid droht Lockdown: Vorstädte als "Covid-19-Ghettos"

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Von Ronald Krams
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Die Regionalregierung warnt vor einem Lockdown der gesamten Hauptstadtregion. Sollten die Infektionszahlen weiter steigen, könnten rund 6,6 Millionen Einwohner betroffen sein

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Diese Brücke trennt den Bezirk "Puente de Vallecas" vom restlichen Madrid. Sie sieht aus wie eine Grenze. Seit Montag sind Wohngebiete mit insgesamt 850 000 Einwohnern für zwei Wochen abgesperrt.

Puente de Vallecas ist eine von 37 Zonen mit rasant steigender Zahl von Corona-Neuinfektionen

"An Kontrollpunkten stellt die Polizei sicher, dass niemand den Bezirk verlässt. Nur der Weg zur Arbeit ist erlaubt. Die Zonen mit hoher Übertragungsrate befinden sich in den ärmsten Gegenden Madrids. Die Bewohner sagen, es fühlt sich an, als wären sie in einem COVID-19-Ghetto eingesperrt worden".

Maria José Berral aus Vallecas ist Krankenschwester im Ruhestand. Sie gehört zu einer Gruppe von Gemeindevorstehern, die Bürger vor Ort über Gesundheitsfragen aufklären. Die Anwohner fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen und zu Sündenböcken gestempelt.

"Es liegt definitiv nicht an unserem Lebensstil, wie Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso gesagt hat. Es liegt an unseren Lebensbedingungen. Wir sind ein Arbeiterviertel, aber wir werden seit vielen Jahren von den öffentlichen Diensten im Stich gelassen".

Maria José glaubt nicht, dass die Einsperrung die Ausbreitung des Virus stoppen wird.

"Ich denke, diese Maßnahmen sind diskriminierend. Wir leben im Süden, aber viele arbeiten im Norden der Stadt. Sie arbeiten in der Gastronomie, als Putzkräfte oder in der Industrie. Das Virus wird nicht zu Hause bleiben".

In den südlichen Arbeitervierteln Madrids herrscht hohe Arbeitslosigkeit. Die Bewohner leben dicht gedrängt auf kleinem Raum. Überfüllte Wohnungen begünstigen die Übertragung des Coronavirus. Julio Antonio Gutierrez ist Flüchtling aus Nicaragua. Er ist Koch von Beruf und arbeitet in einem Restaurant um seine Familie zu ernähren.

"Ein Elternteil muss das Essen auf den Tisch bringen, so oder so. Es gibt viele Eltern, die Risiken eingehen, um arbeiten zu können. Auch wenn ich mich mit dem Coronavirus infiziere, muss ich meine Familie ernähren".

Im Stadtteil Vallecas leben viele Menschen mit geringem Einkommen. Sie kämpfen ums Überleben. Rafel Palet arbeitet in der Nachbarschaftshilfe. Hier gibt es eine Tafel für alle Bedürftigen mit täglich einer kostenlosen Mahlzeit.

"Am herzzerreißendsten ist es, Menschen im Alter von über 50 Jahren zu sehen, die heute nur noch sehr geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Andere bekommen nur eine kleine Rente und haben, nachdem sie ihre Hypothek oder ihre Miete bezahlt haben, kein Geld mehr".

Mehr als 10.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus werden pro Tag in Spanien gemeldet, über ein Drittel davon aus dem Großraum Madrid. Die Regionalregierung warnt vor einem Lockdown der gesamten Hauptstadtregion. Sollten die Infektionszahlen weiter steigen, könnten rund 6,6 Millionen Einwohner betroffen sein.

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