Russen geschockt: 56 Tage kein Alkohol für Corona-Impfung?

Eine Frau wird am 5.12.2020 in Russland mit einer der ersten Dosen des Impfstoffs Sputnik V geimpft,
Eine Frau wird am 5.12.2020 in Russland mit einer der ersten Dosen des Impfstoffs Sputnik V geimpft, Copyright Pavel Golovkin/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved
Von Euronews mit EFE
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Damit der russische Corona-Impfstoff Sputnik V wirksam ist, dürfen Geimpfte fast zwei Monate lang keinen Alkohol trinken. Ein Detail, das vielen Russen aufstößt.

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In Russland ist man froh, dass das eigene Land kurz vor Großbritannien eines der ersten ist, das die Bevölkerung gegen das neue Coronavirus impfen lässt. Bis auf ein Detail, das sie weniger amüsant finden. Damit Sputnik V wirksam ist, dürfen Geimpfte fast zwei Monate lang keinen Alkohol trinken.

Und das kurz vor den Weihnachtsfeiertagen, die traditionell großzügig mit Champagner und Wodka gefeiert werden. Für viele Impfkandidaten ist diese Erkenntnis wie ein Schlag vor den Kopf.

"Alkohol weder davor, noch danach, noch während. Einfach, nie und unter keinen Umständen", erklärte Anna Popowa, Russlands oberste Amtärztin, über den Alkoholkonsum für diejenigen, die an einer Impfung interessiert sind. Für viele Russen ist diese Ankündigung ein Schock, zumal Popowa der Bevölkerung auch geraten hat, ihre Häuser zum Jahresende hin nicht zu verlassen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Zwei Monate Alkohol-Abstinenz gefordert

Zunächst hatten die Behörden 42 Tagen Alkohol-Abstinenz, also von drei Wochen zwischen den einzelnen Impfdosen Sputnik-V und weitere drei Wochen nach der zweiten Injektion. Doch Popowa hat inzwischen noch mehr Zeit der Alkohol-Abstinenz veranschlagt - ganze 56 Tage. Sie erklärte, dass mindestens zwei Wochen "zur Vorbereitung des Körpers auf die Wirkung des Impfstoffs" notwendig seien. Die Impfung Sputnik V besteht aus zwei Teilen - nach der ersten Spritze folgt 21 Tage später eine zweite.

Die Nachricht fiel zusammen mit dem Beginn der Impfkampagne gegen Covid-19 am vergangenen Samstag (5.12.2020) in Moskau und bildete den Auftakt zu der von Putin angeordneten, großangelegten Impfkampagne im ganzen Land. Diese soll Ende dieser Woche beginnen, zunächst werden medizinisches Personal und Lehrer geimpft.

Die verlangte Alkohol-Abstinenz steht auch im Widerspruch zum traditionellen Glauben einer Mehrheit der Russen, der laut Umfragen darin besteht, dass der Konsum von Alkohol im Allgemeinen und Wodka im Besonderen das Immunsystem stärkt. Bereits zu Beginn der Pandemie im April versuchten die Behörden in mehreren Regionen vergeblich, angesichts des steigenden Alkoholkonsums ein Alkoholverbot während des Lockdowns einzuführen.

Wut auf den Sozialen Netzwerken: ein Impfstoff für Kinder und ältere Menschen

Obwohl die Impfung für Russen freiwillig und kostenlos ist, ging es in den sozialen Netzwerken heiß her, schon nach dem Bekanntwerden der Alkohol-Abstinenz für 42 Tage:

"Jesus Christus hat nur 40 Tage gefastet, und das hier sind 42", schrieb einer der zahlreichen Nutzer, die sich in den Netzwerken zu Wort meldeten.

Einige halten es für schier unmöglich, die Gesundheitsempfehlung einzuhalten, und fragen sich, ob die einzigen Bevölkerungsgruppen, die den Impfstoff erhalten werden, Kinder und ältere Menschen sind - denn sie sind diejenigen, die am wenigsten trinken.

"Kurz gesagt, die Hälfte des Landes ist nicht für eine Impfung geeignet", erklärte ein anderer Internetnutzer. Einige witterten Anzeichen von "Russophobie" in der Tatsache, dass diese Maßnahme kurz vor den Weihnachtsfeiertagen angekündigt wurde, wenn der Alkoholkonsum in russischen Haushalten sprunghaft ansteigt, wieder andere bezweifelten, dass der Impfstoff für öffentliche oder militärische Angestellte sicher und freiwillig ist.

"Lasst sie im Staatsfernsehen zeigen, wie sie die Duma, den Senat, die Verwaltung und Wladimir Putin selbst impfen", schlugen andere vor.

In Russland, im besonderen in der Hauptstadt Moskau haben viele den Lockdown im Frühjahr nur schwer verkraftet. Diese neue Ankündigung strapaziert die Geduld vieler Menschen weiter, auch angesichts eines bevorstehenden weiteren Lockdowns, wie beispielsweise in Sankt Petersburg, wo die Corona-Neuinfektionen in den vergangenen Wochen stark zugenommen hatten.

Ein Glas Champagner kann nicht schaden, oder?

Offenbar sind auch nicht alle Experten mit der langen Abstinenz einverstanden, darunter Alexandr Guintsburg, Direktor des Gamaleja-Zentrums, das den Sputnik-V-Impfstoff entwickelt. "Man muss sich unter keinen Umständen betrinken, auch nicht während des Impfprozesses, denn Alkohol beeinflusst nicht nur das Verhalten eines Menschen, sondern auch die Funktion des Immunsystems negativ, aber ein Glas Champagner schadet niemandem", erklärte er.

Gleiches gilt allerdings nicht für das Nationalgetränk. "Aber ein Glas Wodka wird das eine Prozent des Alkohols im Körper sein, das einen "sehr negativen" Einfluss auf die Wirksamkeit des Impfstoffs hat, erklärte er. Deshalb gibt er die Empfehlung drei Tage nach jeder Impfung keinen Alkohol zu trinken.

Der Professor für Virologie Alexandr Chepurnov betonte, dass die Empfehlung, keinen Alkohol zu trinken, bei Impfungen üblich ist. "Alkohol sollte nicht missbraucht werden. Aber das Trinken von Champagner ist gut, denn gute Laune ist für die Immunität nicht weniger wichtig als der Verzicht auf schädliche Substanzen", sagte er.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die zwischen 2003 und 2016 einen 43%igen Rückgang beim Alkoholkonsum in Russland festgestellt hat, vertritt die Ansicht, dass Alkoholkonsum der Verbreitung des Coronavirus nicht zuträglich ist.

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