Migranten in der Türkei: Das Boot füllt sich
300 000 Menschen aus Afghanistan sind schon da, neben 3,6 Millionen Syrern. Die Türkei (rund 84 Millionen Einwohner) baut an einer Mauer zum Nachbarland Iran (160 km fertig, 140 km in Bau) – im Iran lebten schon vor dem jetzt erwarteten Exodus aus Afghanistan mehr als zwei Millionen afghanische Flüchtlinge.
Ghawsuddin Mubariz (20) aus Kunduz, Mitarbeiter in einem afghanischen Fastfood-Restaurant in Istanbul, kann nachts nicht schlafen – er hat Angst geschnappt und abgeschoben zu werden.
Ghawsuddin Mubariz:
„Die Türken machen einen Terz und sagen: ‚Wir wollen keine Ausländer, wir wollen keine Afghanen oder Syrer‘. Was sollen wir tun? Wir haben keine Wahl. Sie kennen die Lage in Afghanistan. Die Taliban haben alles übernommen. Unser Präsident ist geflohen, leider hat er das Land verlassen. Und wir stecken mittendrin."
ANGST VOR NEUER FLÜCHTLINGSWELLE
In einer Meinungsumfrage (Aksoy) zeigten sich 85 Prozent der Türken nach dem Durchmarsch der Taliban besorgt über die Ankunft einer neuen Flüchtlingswelle.
Habib Uzbek (69), Ladenbesitzer in Istanbul-Zeytinburnu, seit fast 30 Jahren (1993) türkischer Staatsbürger:
"Wir spüren diese (negativen) Reaktionen. Wenn Sie in einem Auto sitzen, im Bus oder auf der Straße, zeigen die Leute mit dem Finger und sagen „die Afghanen sind da."
Die entschieden migrantenfeindliche CHP-Partei, die große Städte wie Istanbul und Ankara beherrscht, hat Transparente aufgehängt, auf denen ihr Parteichef Kemal Kilicdaroglu erklärt: “Die Grenze ist unsere Ehre”.
Deniz Senol Sert, Politikwissenschaftlerin an der Özyeğin University, Istanbul:
"Ich seh das so: Solange dieser Wettbewerb um Unterstützung unter den Schutzlosen weitergeht – Afghanen, Syrer, Türken oder Kurden – wird auch dieser Hass gegen Außenseiter weitergehen."
Das öffentliche Ressentiment schwappte auf die Fernsehbildschirme, als Tausende von Fußballfans vor ein paar Tagen während eines WM-Qualifikationsspiels anfingen zu singen ("AFP"): "Wir wollen keine Flüchtlinge in unserem Land".
su mit AFP, dpa