RKI erwartet "bitteren Dezember": Diese Maßnahmen sollen das Ruder herumreißen

RKI erwartet "bitteren Dezember": Diese Maßnahmen sollen das Ruder herumreißen
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Booster-Impfungen nach 6 Monaten, Absagen von Großveranstaltungen, Schließung von Bars und Diskotheken, mehr Tests in Pflegeeinrichtungen und weit verbreitete 2G+-Regelungen: Der Maßnahmenkatalog, der aus der vierten Welle helfen soll.

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In Deutschland sind 48 640 weitere Ansteckungen mit dem Coronavirus binnen eines Tages gemeldet worden. Laut dem Robert Koch-Institut ist das der zweithöchste Wert seit Pandemiebeginn. Noch höher war die am Donnerstagmorgen vom RKI gemeldete Zahl.

Und wir sollten auch gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die eröffneten Impfzentren auch gemeinsam auch mit Mitteln des Bundes finanziert werden
Olaf Scholz
geschäftsführender deutscher Finanzminister

In der Bundespressekonferenz sagte der aktuelle Gesundheitsminister Jens Spahn die Situation sei "ernst". "Wenn nichts passiert werden sich die Inzidenzen jede Woche verdoppeln".

Die Intensivstationen in Sachsen, Thüringen und Bayern seien in einigen Orten bereits überlastet. Wenn Menschen mit anderen Notfällen eingeliefert werden, könnten sie nicht sicher sein, so schnell und umfangreich versorgt zu werden wie gewohnt.

Impfen nimmt wieder Fahrt auf

Man sehe "wieder mehr Tempo". Auch die Bestellungen seien gestiegen, sogar vervierfacht im Vergleich zu den vergangenen Wochen. Mehr als 10 Prozent deutschlandweit hätten bereits eine Auffrischimpfung bekommen. Impfzentren und mobile Teams seien wieder mobilisiert worden. Spahn sagte die Impfzentren sollen auch mindestens bis April vom Bund weiter mitfinanziert werden.

Die Vergütung für Impfungen für Ärzten soll zudem erhöht werden, um Anreiz zu schaffen, vor allem auch am Wochenende zu impfen.

Das alles sei richtig und wichtig, reiche aber nicht mehr.

Spahn forderte eine Testpflicht für Besucher und Personal in Pflegeeinrichtungen, 3G am Arbeitsplatz sei wichtig und eine gesetzliche Regelung erforderlich.

3G zu oft 0G?

ZU häufig sei 3G nicht kontrolliert worden und es reiche auch nicht mehr aus, es müsse entschlossener gehandelt werden. Öffentliche Veranstaltungen sollten nur für Geimpfte und Genese und zusätzlich geimpfte möglich sein, 2G+ wird das derzeit genannt.

Er habe den Eindruck, dass viele Menschen diese vierte Welle so nicht erwartet hätten und so gehe es auch anderen europäischen Ländern, wie etwa Dänemark und die Niederlande.

Lothar Wieler: "Es ist 5 nach 12"

Etliche Landkreise hätten eine Inzidenz über 500, 800 oder sogar über 1000. Dort seien Krankenhäuser und Intensivstationen an ihren Grenzen. Die Lage werde sich dort nicht weiter entspannen und ohne Maßnahmen sei diese Entwicklung auch in den anderen Landkreisen nicht mehr aufzuhalten.

Von 50.000 Fällen werden laut RKI-Chef Wieler rund 3.000 im Krankenhaus behandelt werden, 350 davon müssten auf Intensivstationen behandelt werden und rund 200 davon sterben an den Folgen der Covid-Infektion. Das sei die Bilanz eines einzigen Tages mit 50.000 neuen Fällen.

Und alle Menschen müssten ihr Verhalten ändern, Kontaktbeschränkungen, PCR-Tests bei Symptomen, impfen wer kann und noch nicht hat, vor allem Treffen in geschlossenen Räumen müssten vermieden werden.

Das RKI empfiehlt in der aktuellen Infektionslage beispielsweise Bars und Clubs zu schließen, Veranstaltungen sollten stark bei der Teilnehmerzahl beschränkt werden oder sogar abgesagt werden. Die Super-Spreading-Events in Innenräumen seien besonders kritisch zu sehen, Großveranstaltungen sollten am Besten abgesagt werden.

Ein großes Problem seien die Personalengpässe in den Krankenhäusern. Die Stellen und Bezahlung für Intensivpfleger:innen seien geschaffen, doch die Ausbildung dauere fünf Jahre, deswegen sei man noch auf dem Weg und nicht am Ziel.

Viele Angestellte seien ausgebrannt, die Bedingungen ihrer Arbeit seien teilweise unerträglich, erkannte Spahn an.

Doch volle Intensivstationen sollten nicht das Maß sein einer erfolgreichen Corona-Politik, es seien noch Betten frei. Viel wichtiger sei es, die Infektionszahlen zu verringern, so Wieler.

Neue Erkenntnisse zur Viruslast: Doppelte Impfung schützt 60 %

Zu Beginn der Impfungen habe man sich auf die Alpha-Variante bezogen, mittlerweile 60 Prozent werden derzeit geschützt von der Infektion. Beim Schutz sei man bei 90 Prozent einer schweren Erkrankung, 94 Prozent der Geimpften seien vor einem Tod durch Covid-19 geschützt.

Durch die Veränderung des Virus hat sich die Lage verändert, so Wieler. Und wegen dieser neuer Erkenntnisse empfehle man momentan mit Nachdruck Auffrischimpfungen.
Rund 6 Monate nach der Zweitimpfung empfehle man jetzt eine Auffrischimpfung für alle bereits doppelt geimpften Personen.

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Impfzentren: Das sagt Olaf Scholz

Olaf Scholz, geschäftsführender deutscher Finanzminister und wahrscheinlich kommender Kanzler, hatte im Bundestag bezüglich Impfzentren geäußert: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie wieder eröffnet werden. Und wir sollten auch gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die eröffneten Impfzentren auch gemeinsam auch mit Mitteln des Bundes finanziert werden."

Österreich: 2G statt 3G

In Österreich gelten wegen des ebenfalls deutlichen Anstiegs der Fallzahlen wieder umfassende Alltagseinschränkungen: Nur noch gegen Covid-19 geimpfte oder von der Krankheit genesene Personen dürfen Gaststätten oder Kultur- und Sporteinrichtungen betreten. In Oberösterreich wird die Regel ab dem 22. November unter anderem auf Arbeitsplätze im Gesundheitswesen ausgeweitet.

In Moskau sind in U-Bahnhöfen Teststellen eingerichtet worden. Erst am Montag war in der russischen Hauptstadt eine allgemeine einwöchige Arbeitspause beendet worden, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Die Pressekonferenz in voller Länge finden Sie am Ende dieses Artikel.

Weihnachten und Silvester: Parties ja oder nein?

RKI-Chef Wieler sagte, er selbst werden an keiner Party teilnehmen. Alle Veranstaltungen in Innenräumen hinsichtlich Infektionsschutz seien bedenklich. In einer vierten Welle mit Höchstinzidenzen sollten alle an ihre Verantwortung denken und sich beispielsweise selbst testen bevor sie Großelter oder andere Verwandte sehen. Das täten viele auch schon, so Jens Spahn.

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Sind Lockdowns eine Lösung aus der Krise?

Ja, so Spahn. Vor allem regional seien Lockdowns im "Instrumentenkasten" bleiben und daher weiter möglich sein. Von einem generellen bundesweiten Lockdown sprach Spahn aber nicht.

Eine Herdenimmunität wird es nicht geben

Mittlerweile wisse man, dass dieses Virus nicht eradiziert werde, sondern immer präsent bleiben werde, so RKI-Chef Wieler. Aus der Pandemie könne aber eine Endemie werden, wenn so viele Menschen durch eine Impfung geschützt sind wie nur möglich.

Innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen erwarten Wieler und Spahn eine Zulassung für einen Impfstoff für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren.

Mitten in der 4. Coron-Welle: Was kann jetzt noch helfen?
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