Schimpansen heilen sich und andere mit Insekten - Studie

Schimpanse im Zoo von Miami, 15.09.2020
Schimpanse im Zoo von Miami, 15.09.2020 Copyright Wilfredo Lee/Copyright 2020 The Associated Press. All rights reserved
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Von Euronews mit dpa
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Forscher:innen haben dokumentiert, wie wild lebende Schimpansen Insekten zur Heilung eigener Wunden und der ihrer Artgenossen nutzen.

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2019 dokumentierte eine angehende Evolutionsbiologin des "Ozouga"-Schimpansenprojekt im Nationalpark Loango in Gabun etwas, das Affenforscher:innen in Afrika noch nie zuvor bemerkt hatten.

In den westafrikanischen Wäldern filmte sie ein Schimpansenweibchen und ihren Sohn. Sie fing eine Szene ein, in der die Mutter sich etwas Winziges zwischen ihre Lippen klemmte, das sie danach auf eine Verletzung am Fuß ihres Nachwuchses auftrug. Dieses "Etwas" stammte direkt von der Unterseite eines Blattes und sah auf dem Video aus wie ein winziges, dunkles Insekt.

Was die Forscher:innen zunächst erstaunte, konnten sie seit der ersten Beobachtung in Gabun bei wildlebenden Schimpansen regelmäßig feststellen.

76 Fälle von "Selbstmedikation" mit Insekten beobachtet

So beobachtete wenig später eine Doktorandin des Forschungsteams, wie ein erwachsener männlicher Schimpanse ein Blatt zu seinem Mund zog, ein Insekt mit seinen Lippen aufnahm und das Tier mit Daumen und Zeigefinger packte. Anschließend verband der Schimpanse mit dem, was er dem Strauch entrissen hatte, eine Wunde in seiner Armbeuge.

Zwischen November 2019 und Februar 2021 dokumentierten die Forscher:innen um den Primatologen Tobias Deschner und die Kognitionsbiologin Simone Pika76 Fälle an der Westküste Afrikas, in denen Menschenaffen Insekten auf ihre Wunden legten. In den meisten Fällen versorgten die Schimpansen sich selbst, aber es gab auch mehrere Fälle, in denen sie sich gegenseitig halfen.

Die Ergebnisse dieser Studie haben die Forscher:innen aus Osnabrück und Leipzig nun in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht.

Besonders bemerkenswert ist für die Wissenschaftler:innen das prosoziale Verhalten der Menschenaffen, die sich um verletzte Artgenossen der Gruppe kümmern. In einer Gruppe versorgten drei erwachsene Schimpansen um eine offene Wunde am Bein eines Männchens mit zerkauten Insekten - ausschließlich zum Wohl ihres Gruppenmitglieds. Derartiges Verhalten, dass das Mitgefühl in einer Gruppe von Tieren fördert, ist in der Evolutionsbiologie umstritten - da sie den "Egoismus" des Überlebens zu untergraben scheinen.

Im Gegensatz dazu ist "Selbstmedikation" mit Pflanzen- oder Pflanzenteilen unter Tieren weit verbreitet. Bei Vögeln, Bienen, Eidechsen, Elefanten und Schimpansen wurde diese Art der Heilung beobachtet. "Unsere nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen und Bonobos, verzehren zum Beispiel bestimmte Blätter, um sich gegen Darmparasiten zu schützen", erklärt Kognitionsbiologin Simone Pika von der Universität Osnabrück.

Die örtliche Anwendung von Insekten als Medizin im Tierreich gilt als eine neue Entdeckung. "Unsere Beobachtungen liefern den ersten Beweis dafür, dass Schimpansen regelmäßig Insekten fangen und sie auf offene Wunden auftragen", erklärt der Primatologe Tobias Deschner.

Um welche Insekten handelt es sich?

Eine weitere Frage, die die Forscher:innen interessiert, ist die Art der Insekten, die von den Schimpansen für die "Behandlung" verwendet werden. Da sich die Primaten jedoch schnell bewegen müssen, um die dunkel gefärbten Krabbeltiere aus ihrer Umgebung zu schnappen, vermuten die Autor:innen, dass sie wahrscheinlich geflügelt sind und eine Art entzündungshemmender oder antiseptischer Eigenschaften besitzen.

Die Anwendung von "Medizin" zur Heilung von Wunden eines anderen Schimpansen bestärkt die Idee, dass Menschen nicht die einzigen sind, die im Interesse eines anderen handeln können. Weitere Studien an Schimpansen könnten uns helfen zu verstehen, wie sich solche prosozialen Verhaltensweisen entwickelt haben und welchen evolutionären Nutzen sie haben könnten.

"Es ist einfach faszinierend zu sehen, dass sie uns auch nach Jahrzehnten der Forschung in der Wildnis immer noch mit unerwarteten neuen Verhaltensweisen überraschen", meint Deschner und weiter: "Unsere Studie zeigt, dass es noch viel über unsere nächsten lebenden Verwandten zu erforschen und zu entdecken gibt, und dass wir uns daher noch viel mehr für ihren Schutz in ihrem natürlichen Lebensraum einsetzen müssen."

Weitere Quellen • Current Biology, EurekAlert!

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