Studie warnt vor Gefahr durch ehemalige IS-Kämpfer - in der Türkei

In einem Lager, in dem ehemalige IS-Anhänger inhaftiert sind
In einem Lager, in dem ehemalige IS-Anhänger inhaftiert sind Copyright Baderkhan Ahmad/Copyright 2019 The AP. All rights reserved.
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Von Euronews mit AFP, ICR
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Einem neuen Bericht zufolge sollten andere Staaten mit der Türkei zusammenarbeiten, um die Rückkehr in ihre Heimatländer und die Unterstützung ehemaliger IS-Kämpfer mit zu finanzieren.

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Ehemalige ausländische Kämpfer des sogenannten "Islamischen Staat" (IS, ISIS oder ISIL) könnten einem neuen Bericht zufolge noch immer eine Bedrohung darstellen - vor allem in der Türkei.

Die Studie der International Crisis Group, die in dieser Woche veröffentlicht wurde, bezeichnet ehemalige IS-Kämpfer als eine "anhaltende Herausforderung" in der Türkei. Sie stellten die Behörden vor "komplexe Fragen".

"Tausende Ausländer, die sich dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen haben, sind in die Türkei eingereist. Einige wurden abgeschoben. Andere sind geblieben", heißt es in dem Bericht.

"Ihre Anwesenheit stellt eine humanitäre und sicherheitspolitische Herausforderung für die Türkei dar, die derzeit von den verheerenden Erdbeben erschüttert wird."

Wie die Co-Autorin der Studie Natalia Tuzovskaya auf Twitter schreibt, wurde die Türkei von ISIS als "logistischer Hub" genutzt.

Laut dem International Centre for the Study of Radicalisation des King's College haben sich zwischen 2013 und 2018 schätzungsweise 41.000 Menschen dem sogenannten IS (auch: ISIS oder ISIL) in Syrien und dem Irak angeschlossen.

Sie kamen aus mehr als 100 Ländern, wohl die meisten aus europäischen Staaten.

Mehrere Staaten in Europa haben vor allem Frauen mit Kindern aus Lagern im Norden von Syrien zurückgeholt.

Viele Prozesse in Deutschland

In Hamburg hat gerade der Prozess gegen einen in Deutschland geborenen 21-jährigen mutmaßlichen IS-Rückkehrer begonnen. Seine Mutter, die sich weiterhin in einem kurdischen Lager in Syrien aufhält, hat offenbar keinen deutschen Pass. Der Sohn wurde bei seiner Rückkehr am Flughafen Frankfurt festgenommen.

Er soll als Jugendlicher für den IS gekämpft und in einem Lager in Syrien eine Gruppe angeführt haben, die andere Teenager aus religiösen Gründen verprügelte. Dem 21-Jährigen wird auch die Mitgliedschaft in einer terroriristischen Vereinigung zur Last gelegt.

Im vergangenen Jahr wurde Leonora M. vom Oberlandesgericht Naumburg zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Sie war mit ihren beiden Töchtern aus einem Lager nach Deutschland zurückgeholt worden.

"Aufgrund ihrer Lage war die Türkei in der Blütezeit der Gruppe ein zentraler Ort für die Logistik und Finanzierung von ISIS, und die Anwesenheit einer großen Zahl von Personen mit ISIS-Bezug stellt immer noch ein Risiko dar", heißt es in dem Bericht, der in Brüssel und Ankara verfasst wurde.

Die Terrorgruppe gilt inzwischen als militärisch besiegt, aber es gibt heikle Fragen darüber, was mit denjenigen geschehen soll, die gefangen genommen und inhaftiert wurden.

Auch viele ehemalige islamistische Kämpfer, die in der Türkei inhaftiert sind, werden in naher Zukunft freigelassen.

Dem Bericht zufolge hat die Türkei seit 2011 mehr als 9.000 Ausländer abgeschoben. Viele Länder wollen jedoch keine zurückgekehrten Kämpfer aufnehmen, da sie Sicherheitsrisiken, rechtliche Probleme und die öffentliche Meinung fürchten.

Angst vor der Rückkehr?

In Großbritannien hat der Fall von Shamima Begum, die im Alter von 15 Jahren nach Syrien ausgereist war und mit einem IS-Kämpfer verheiratet war, eine Kontroverse ausgelöst: London entzog ihr die britische Staatsbürgerschaft.

"Die beste Lösung für Personen mit ISIS-Verbindungen ist die Rückführung in Länder, die Rückkehrer human behandeln", so die International Crisis Group.

Viele ehemalige Kämpfer haben inzwischen Angst davor, was in ihrer Heimat mit ihnen geschehen wird, und fürchten die Reaktion der Gesellschaft und der Justiz.

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Personen, denen bei ihrer Rückkehr Verfolgung, Folter oder Tod drohen, sind durch internationales Recht geschützt und müssen entweder in ein sicheres Drittland abgeschoben werden oder in der Türkei bleiben dürfen.

Für diejenigen, die nicht abgeschoben werden können, sollte Ankara "Sicherheitsmaßnahmen" und "Sozialprogramme" in Erwägung ziehen, heißt es weiter, und es wird vorgeschlagen, dass andere Ländern finanzielle Hilfe leisten sollten.

"Es gibt keine einfache Lösung für die Herausforderung, vor der Ankara steht. Die Türkei wird sich auf eine mehrgleisige Strategie stützen müssen, die auf polizeiliche Maßnahmen und Überwachung setzt, um Bedrohungen aufzuspüren, während die Integration von Personen, die nicht nach Hause geschickt werden können, stillschweigend toleriert (oder sogar unterstützt) wird."

Der Bericht forderte ausländische Staaten auf, mit der Türkei zusammenzuarbeiten, die Kooperation zu verbessern und ihre in der Türkei verbliebenen Staatsangehörigen zurückzunehmen.

"Die Gefahr, die von ISIS ausgeht, ist zwar zurückgegangen, seit die Gruppe weite Gebiete im Irak und in Syrien besetzt und Anschläge im Herzen Europas verübt hat, aber sie ist nicht völlig verschwunden", heißt es in dem Bericht.

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