Cannabis-Legalisierung "light" - Löst sich das Projekt in Rauch auf?

Ein Teilnehmer der Berliner Hanfparade (Archivfoto)
Ein Teilnehmer der Berliner Hanfparade (Archivfoto) Copyright Maya Hitij/AP2009
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Von Thomas Gahdedpa
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Das Konzept der Ampelkoalition sieht vor, dass in Deutschland der Besitz von maximal 25 Gramm Cannabis und der Eigenanbau von höchstens drei Pflanzen straffrei sein sollen. In anderen Bereichen musste Karl Lauterbach Rückzieher machen.

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Die deutsche Regierung muss sich von ihren ehrgeizigen Plänen in Bezug auf die Legalisierung von Cannabis und Cannabisprodukten vorerst verabschieden. Die drei Regierungsparteien SPD, FDP und Grüne hatten die Liberalisierung der Drogenpolitik zu einem zentralen Punkt in ihrem Koalitionsvertrag gemacht.

Zur Begründung hieß es, die bisherige Drogenpolitik der Vorgängerregierungen in den vergangenen Jahrzehnten sei gescheitert.  Als Vorbild für die Neuausrichtung diente die liberale Cannabis-Politik in einigen Bundesstaaten der USA. Doch im Raum stehende juristische Bedenken, vor allem Verstöße gegen europäisches Recht und Völkerrecht, haben die Koalition zu einem Umdenken gezwungen. 

Als nicht nachahmenswert und "eher abschreckend" betrachtet der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Cannabis-Modell in den Niederlanden, wo der Verkauf in "Coffeeshops" zu einem massiven Drogen-Tourismus geführt hat. Für seine Alternative hagelte es Kritik vom bayrischen Ministerpräsident Markus Söder.

Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) stellten am 12. April in Berlin die überarbeiteten Pläne für die ersten Legalisierungsschritte vor. Wichtigste Punkte des Vorhabens, das deutsche Medien leicht spöttisch als "Legalisierung light" einstufen, sind:

  • Zentrale Verkaufsstellen in autorisierten Fachgeschäften wird es entgegen der ursprünglichen Planung doch nicht geben. Entscheidend für den Rückzieher waren offenbar Gespräche mit der EU-Kommission. Jetzt einigten sich Brüssel und Berlin darauf, den freien Verkauf in Läden zu einem späteren Zeitpunkt und nur in einigen Modellregionen zu beginnen. Die Abgabe solle "wissenschaftlich begleitet" werden.
  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.
  • Der Eigenanbau von Cannabis wird in Grenzen erlaubt. Zulässig ist künftig der Besitz von bis zu drei "weiblichen blühenden Pflanzen". Die Plantage im Miniaturformat muss aber vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche geschützt sein. In welcher Form das in der Praxis geschehen muss, ist unklar.
  • Eine zentrale Rolle spielen künftig "Cannabis-Social-Clubs" nach dem Vorbild Spaniens und Maltas. Mitglieder dieser Vereine, die nicht gewinnorientiert arbeiten dürfen, können legal gemeinsam Cannabis anbauen. Die Ernte darf nur Genusszwecken und dem Eigenkonsum dienen. Die Mitgliederzahl pro Verein wird auf 500 begrenzt. Das Mindestalter ist 18 Jahre.
  • Für die "Cannabis-Social-Clubs" wird es weitere bürokratische Hürden geben. Die Vereine müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen keine Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.
  • Die Abgabe für jedes Clubmitglied ist auf 25 Gramm pro Tag beziehungsweise 50 Gramm im Monat beschränkt. Mitglieder unter 21 Jahren erhalten pro Monat maximal 30 Gramm. Der Anbau soll durch Mitgliedsbeiträge in nicht bekannter Höhe finanziert werden. Falls eine Finanzierungslücke droht, könnte für Mitglieder eine Zusatzzahlung für jedes Gramm Cannabis fällig werden. 
  • In den Räumen der Cannabis-Social-Clubs dürfen weder Drogen noch Alkohol konsumiert werden. Die Clubs dürfen nicht in der Nähe von Schulen und Kindergärten angesiedelt werden. Wie groß der räumliche Abstand sein muss ist noch offen. Generell wird der Konsum von Cannabis in der Nähe von Schulen und Kindergärten verboten. In Fußgängerzonen wird der Konsum erst ab 20 Uhr erlaubt sein.

Rechtliche Hemmnisse - Koalition muss noch Hürden überwinden

Die meisten oben genannten Punkte werden in den ersten Gesetzentwurf der Regierung zur Legalisierung von Cannabis einfließen. Der Entwurf soll noch in diesem Monat vorliegen. Vorausgehen müssen aber noch die Feinabstimmung in der Regierungskoalition und ein Kabinettsbeschluss. Anschließend muss der Gesetzentwurf noch den Bundestag und den Bundesrat passieren.

Von grenzenloser Cannabis-Freiheit ist Deutschland also noch weit entfernt. Und Lauterbach musste sich von seinen relativ hochtrabenden, im vergangenen Herbst vorgestellten Plänen eines deutschlandweiten Drogenverkaufs in lizenzierten Geschäften vorerst verabschieden.

Der Anbau und Verkauf von Cannabis durch private Unternehmen bleibt weiterhin auf Modellprojekte beschränkt. Schließlich müssen im Binnenmarkt der Europäischen Union gleiche Regeln für alle gelten. Im Fall eines deutschen Alleingangs hätten also Unternehmen Rechte für den Anbau und Verkauf von Cannabis für den kompletten EU-Binnenmarkt einfordern können.

So zerstritten die deutsche Regierungskoalition sich oft präsentiert, bei der Legalisierung von Cannabis herrscht seltene Einmütigkeit. Für den SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist das Thema ein Prestigeprojekt, die FDP ist erfreut über einen neuen, milliardenschweren Wirtschaftsbereich. Und SPD und Grüne sind sich parteiübergreifend einig, dass der Schwarzmarkt für Cannabis in Deutschland ausgetrocknet und die organisierte Kriminalität in dem Bereich zurückgedrängt werden soll.

Ein Anfang ist gemacht, aber...

Fakt ist: Die deutsche Drogenpolitik hat dazu geführt, dass der gigantische Schwarzmarkt überhaupt entstanden ist, auf dem Drogen aller Art unkontrolliert zugänglich sind, auch für Jugendliche. In der Regel verbergen sich hinter dem Drogengeschäft kriminelle und gewaltsame Strukturen. 

Die "Legalisierung light" der Regierungskoalition wird die organisierte Kriminalität keinesfalls ausbremsen, denn sie ist im Wesentlichen auf Modellprojekte begrenzt. Ob diese Projekte tatsächlich in die von der Regierung gewünschte Liberalisierung des Cannabis-Schwarzmarktes münden, erscheint aufgrund der Unvereinbarkeit mit europäischem Recht mehr als zweifelhaft.

Daran ändert auch die Absicht der Bundesregierung nichts, im nächsten Schritt in mehreren deutschen Bundesländern stichprobenartig kommerzielle Lieferketten von der Produktion über den Vertrieb und den Verkauf an Endverbraucher auszuprobieren. In den zweifelhaften Genuss werden aber nur gemeldete Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen Region kommen.

Einige Einzelpersonen profitieren aber dennoch ganz praktisch von der "Legalisierung light". Sollte der Gesetzentwurf wie erwartet alle Instanzen passieren, können wegen Drogenbesitzes bis zu 25 Gramm Verurteilte ihre Strafen aus dem Bundeszentralregister löschen lassen.

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